Antifa-Kongress in München:"Es geht nicht darum, wie man am besten einen Nazi zusammenschlägt"

DGB-Haus, Schwanthaler Straße

Antifaschismus – ein originäres Gewerkschaftsthema. Deshalb solidarisieren sich viele DGB-Mitglieder mit dem Kongress in ihrem Haus. <QM>Foto:Florian Peljak

(Foto: Florian Peljak)

Nur Pegida macht der Polizei Ärger: Wegen eines Videos mit mutmaßlichem NSU-Bezug ermittelt der Staatsschutz. Beim Antifa-Kongress wird dagegen inhaltlich gearbeitet - und friedlich.

Von Marco Wedig

Zwischen 350 und 600 Kongressteilnehmer, 150 Unterstützer vor dem DGB-Haus - und "in der Spitze" ein Dutzend Pegida-Leute sowie etwa 50 AfD-Anhänger auf der anderen Seite. Drumherum bis zu 150 Polizisten. Der Antifa-Kongress im Gewerkschaftshaus ist durchweg friedlich geblieben. Pegida allerdings hat jetzt den Staatsschutz am Hals wegen eines auf der Schwanthalerstraße gezeigten Videos, das möglicherweise den Rechtsterrorismus des NSU billigt.

Es waren nicht nur rechte Gruppierungen, die im Vorfeld gegen den Kongress Stimmung gemacht hatten. Sowohl die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) als auch Teile der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigten sich empört über den Antifa-Kongress im DGB-Haus. Lediglich der bayerische GdP-Landesverband verhielt sich bemerkenswert ruhig. Auf den Druck hin wurden die Veranstalter zunächst ausgeladen, was der DGB dann aber doch wieder zurückzog. Der Verfassungsschutz wiederum rechnete mit gewaltbereiten Autonomen, obwohl die Organisatoren sich im Vorfeld deutlich von jeder Gewalt distanziert haben.

"Die Antifa muss Antworten auf die soziale Frage liefern"

Wer sind die 600 Leute, die sich nach Veranstalterangaben am Freitag und Samstag im DGB-Haus versammeln? Von Coburg bis Kempten - 59 Stecknadeln stecken in der Bayernkarte im Foyer. Jede symbolisiert ein antifaschistisches Projekt. Doch nicht alle reisen organisiert an. Anna zum Beispiel. Die 18-Jährige Schülerin kommt aus einem oberbayerischen 35-Einwohner-Dorf. Bedenken wegen gewalttätiger Ausschreitungen mit rechten Gegendemonstranten hat sie keine. "Es gibt nicht die Antifa", sagt sie, sondern unterschiedliche Strömungen, von denen der Großteil vernünftig sei. "Ich bin wegen der Vorträge gekommen und da geht es nicht darum, wie man am besten einen Nazi zusammenschlägt. Die Vorträge sind alle demokratisch legitimiert." Vor allem interessierte sie sich für die Analyse der Autorin Sibel Schick zur Situation in der Türkei.

In der Region, aus der sie kommt, gebe es keine antifaschistische Strukturen. "Sollten wir einen Stand vor der Dorfkirche aufbauen?" - Fragen wie diese werden am Samstagmorgen in Kleingruppen diskutiert. Sie sind Teil eines Workshops zur Landtagswahl 2018. Die Antifa müsse rein in die Kneipen und Sportvereine, heißt es. Und, da ist sich Christiaan Boissevain ganz sicher: "Die Antifa muss Antworten auf die soziale Frage liefern." Für ihn als IG-Metall-Mitglied ist Antifaschismus ein originäres Gewerkschaftsthema.

Pegida: "Von jetzt ab, da ist eines klar: Das Paulchen jagt bald Antifa"

Club Mate trinkende junge Leute treffen auf das Einheitsfrontlied singende gestandene Gewerkschafter. Vor dem DGB-Haus hält Verdi eine Dauermahnwoche ab. DGB-Bayern-Chef Matthias Jena erklärt der SZ, wie es doch dazu kam, dass der Kongress in den DGB-Räumlichkeiten stattfindet. Er spricht von kommunikativen Missgeschicken. Als sich die Veranstalter dann konsequent von Gewalt distanzierten, gaben die DGB-Beteiligten, auch Chef Reiner Hoffmann, ihr Einverständnis. In seiner Rede am Samstagmittag vor dem DGB-Haus betont Jena die Verpflichtung zum antifaschistischen Engagement als Lehre aus dem Nationalsozialismus. "Wer gegen den Antifaschismus protestiert, macht deutlich, wo er politisch steht", sagt er. Und greift die AfD an, die 200 Meter rechts vom DGB-Haus demonstriert. Das Wort Gewerkschaft komme im Grundsatzprogramm der Partei nicht vor, so Jena.

Johannes Huber, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Pfaffenhofen, tituliert im Gegenzug den DGB als Vereinigung von Kommunisten und Bonzen. Die AfD werde sich für eine Beschränkung der Zeitarbeit einsetzen, behauptete er. Stefan Dietl, Verdi-Bezirksvorstand aus der Oberpfalz, widerspricht. Die AfD habe zu Themen wie Leiharbeit, Werkverträgen und Minijobs keine nennenswerten Papiere vorgelegt und betreibe stattdessen Soziabbau, sagt er.

Es ist nicht das einzige Mal, dass sich das Geschehen auf der Schwanthalerstraße in den Kongress-Vorträgen widerspiegelte. So spricht Robert Andreasch von der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (Aida) über die Bayerische Schießsportgruppe - "die, die da draußen stehen". Denn zwischen der Schießsportgruppe und Pegida München, die links vom DGB-Haus demonstriert, gibt es enge Verbindungen. Heinz Meyer ist Vorsitzender beider Vereinigungen.

Außerdem hat die Bundesanwaltschaft vor fünf Jahren wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung Ermittlungen gegen ihn eingeleitet. Auf der Pegida-Leinwand präsentiert Meyer sich am Freitagabend in einem Video. Neben ihm: die Comic-Figur Paulchen Panther. Die kennt man aus dem NSU-Bekennervideo. "Von Wiesn bis DGB Haus ist's nicht weit", steht da auf der Pegida-Leinwand. Und: "Von jetzt ab, da ist eines klar: Das Paulchen jagt bald Antifa." Die Polizei schreitet ein. Der Staatsschutz ermittelt wegen Verdachts der Billigung von Straftaten. Geldstrafen oder bis zu drei Jahre Haft sieht das Strafgesetzbuch vor. "Jetzt sollte klar sein, von wem die Gewalt ausgeht", sagt einer der Organisatoren des Antifa-Kongresses.

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