Süddeutsche Zeitung

Anti-Atomkraft-Demo in München:"Abschalten! Abschalten!"

Hitzig ging es bei der Anti-Atomkraft-Demo in München zu: Mehrere tausend Menschen forderten den Ausstieg aus der Atomenergie - und die sofortige Abwahl von Kanzlerin Merkel.

Beate Wild

Mehrere tausend Menschen haben in München gegen Atomkraft demonstriert. Von einer Kundgebung am Stachus zogen sie weiter zur Eon-Zentrale und zur Staatskanzlei. Nach der Atomkatastrophe in Japan gingen die Münchner für die Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke auf die Straße.

Zur Kundgebung am Stachus kamen etwa 3000 Menschen, weit mehr als vom Veranstalter "Green City" angenommen.

Nach einer Mahnwache für die Opfer von Japan nahm die Kundgebung Fahrt auf.

Dieter Janecek, Landesvorsitzender der Grünen in Bayern, sagte: "Die Welt rückt zusammen, und auch München rückt zusammen."

Sämtliche Redner forderten die sofortige Abschaltung des AKW Isar 1 bei Landshut, das zu den ältesten Atommeilern in Deutschland gehört. Jedes dieser Postulate wurde von "Bravo"-Rufen der Menge begleitet.

Ein Demonstrant sagte: "Die Menschen sind für diese Katastrophe verantwortlich, nicht die Natur. Jetzt ist der Zeitpunkt für eine Wende. Wenn nicht jetzt, wann dann?"

Die Gemüter der Demonstranten waren teilweise sehr erhitzt. Immer wieder skandierte die Menge: "Abschalten! Abschalten!"

Einige taten ihren Unmut musikalisch kund - mit Anti-Atomkraft-Songs. Da kam am Stachus zeitweilig ein richtiges "Achtziger-Jahre-Wackersdorf-Feeling" auf, wie ein Demonstrant sagte. Er fühlte sich an die damaligen Demonstrationen gegen den Bau der bayerischen Wiederaufbereitungsanlagen erinnert.

"Die CSU wird sich schon noch wundern. Die können ihre Politik nicht gegen die Bevölkerung durchsetzen", schimpfte eine Demonstrantin.

Grünen-Politiker Janecek kündigte an, am Dienstag eine Unterschriftenaktion für die Abschaltung von Isar 1 zu starten, die er dann im Landtag einreichen wolle. Die am Montag erst bekanntgewordene Kehrtwende der CSU in Sachen Laufzeitenverlängerung von Atomkraftwerken bezeichnete er als verlogen.

Bei vielen Demonstranten war Angst zu spüren. Angst, dass eine Atomkatastrophe wie in Japan auch in Deutschland möglich sein könnte.

Nach den Reden am Stachus setzte sich der Zug in Bewegung.

Ziel der Demonstranten: Die Konzernzentrale des Energiekonzerns Eon in der Briennerstraße - nahe des Königsplatzes.

Der Zug durch das nächtliche München war eine spontane Idee einiger Teilnehmer gewesen und nicht vom Veranstalter "Green City" geplant. Die Polizei begleitete die Demonstranten durch die Stadt.

Vor dem Gebäude des Energieversorgers skandierten sie wieder: "Abschalten! Abschalten!" und "Widerstand! Widerstand!" Als sich im obersten Stockwerk des Eon-Gebäudes eine Person blicken ließ, kam Unruhe auf und die Rufe der Teilnehmer wurden lauter.

Schließlich beschloss man, spontan noch zur Staatskanzlei weiterzuziehen.

Immer dabei: Ein Greenpeace-Mitarbeiter im Schutzanzug, der Flyer verteilte.

Vor dem Regierungssitz der Bayerischen Regierung erreichte die Demonstration ihren Höhepunkt. Mittlerweile hatte sich die Zahl der Demonstrationsteilnehmer auf rund 5000 erhöht - spontan hatten sich viele Münchner dem Protestzug angeschlossen. Vor der Staatskanzlei forderten die Atomkraft-Gegner dann auch die sofortige Abwahl von Kanzlerin Angela Merkel und skanierten: "Abwählen! Abwählen!"

Als sich die Demonstration um kurz vor 22 Uhr auflöste, verkündeten einige Organisatoren, dass man sich ab jetzt jeden Montag um 19 Uhr am Stachus zu einer Anti-Atomkraft-Kundgebung treffen wolle.

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