Anschlag in München:Wie die AfD den Wunsch der trauernden Familie ignoriert

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Am Tatort des Anschlags vom vergangenen Donnerstag, bei dem eine Mutter und ihre Tochter getötet wurden, bilden Menschen eine Kette, um zu verhindern, dass AfD-Politiker Blumen niederlegen. (Foto: Stephan Rumpf)

Als Parteimitglieder Blumen am Gedenkort für die Opfer des Anschlags niederlegen wollen, kommt es zu einem unwürdigen Schauspiel. AfD-Politiker sprechen von einer „Show“, die man „verwerten“ könnte – und dann erst bemerkt man, dass alles live ins Internet gestreamt wird.

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Jetzt habe man die „Show“ gehabt, sagt Stephan Protschka, „jetzt legen wir die Blumen nieder, dann gehen wir wieder“. Der bayerische AfD-Landesvorsitzende ist zufrieden. Der Münchner Landtagsabgeordnete Rene Dierkes pflichtet ihm bei: „Das können wir verwerten.“ Jemand ruft noch „Bilder!“ Dann stockt das Gespräch, als die AfD-Politiker bemerken, dass ein Streamer die Szene filmt.

Das Ablegen von weißen Rosen beim Anschlagsort liefert der AfD offenbar die gewünschten Bilder. Vorangegangen ist dem eine zweieinhalbstündige Auseinandersetzung mit AfD-Gegnern und der Polizei. Nach einer Mahnwache auf dem Königsplatz waren AfD-Politiker und Unterstützer zum Tatort gezogen. Dort stellten sich ihnen am Sonntagmittag zahlreiche Menschen entgegen. Gewerkschaftsmitglieder, Senioren, Jugendliche aus der Antifa haben sich untergehakt und bilden eine Menschenkette.

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Die Familie der beiden Getöteten bringt die Kraft auf, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Trotz ihrer Trauer, trotz ihres Schmerzes. In den Krankenhäusern liegen weiterhin Schwerverletzte.

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„Ihr werdet unsere Trauer nicht instrumentalisieren“, rufen sie den AfD-Leuten zu. Protschka gibt sich empört. „Ihr habt Blut an den Händen, wisst ihr das?“, ruft er den Blockierern zu. Den Satz hat er zuvor schon auf dem Königsplatz in ein Megafon gerufen. Die AfD-Gegner bezeichnet er als „Neofaschisten“.

Es entwickelt sich ein stundenlanges Schauspiel, das dem Wunsch der Familie der Getöteten widerspricht: Sie bitten, den Tod der Frau und ihrer Tochter nicht politisch zu instrumentalisieren. Genau dies geschieht aber an der Kreuzung Seidl-/Karlstraße. Zahlreiche Polizeibusse bilden eine Art Wagenburg um die jetzt gesperrte Kreuzung und den Gedenkort.

Eine der AfD-Gegnerinnen meldet eine Spontanversammlung an, die Polizei weist ihr laut einem Sprecher einen anderen Platz zu. Die Blockierer weichen aber nicht. „Theoretisch“ könnte die Polizei räumen, dies aber wäre nicht verhältnismäßig, sagt der Sprecher. Einen gewaltsamen Einsatz am Tatort will die Polizei unbedingt vermeiden. Zugleich habe sich die AfD-Gruppe lange geweigert, ihre Rosen an einem anderen Ort abzulegen. Erst gegen 15 Uhr erklären sich Protschka und seine Parteifreunde dazu bereit. Sie wählen einen Baum, wenige Meter vom Haupt-Gedenkort entfernt.

Bereits auf dem Königsplatz haben 600 Menschen gegen die „Instrumentalisierung der Opfer von Gewalttaten für rassistische Mobilisierungen“ demonstriert. Aufgerufen haben Kolleginnen und Kollegen der am Donnerstag angegriffenen, verletzten und getöteten Gewerkschafter. Die Demonstranten riefen in Sichtweite der AfD-„Mahnwache“ zu ruhigem Gedenken und zur Trauer auf.

Amel und Hafsa, eine Mutter und ihre zweijährige Tochter, waren am Samstag an den Folgen des Anschlags auf eine Verdi-Demonstration gestorben. Nach einer Schweigeminute wurde die Erklärung der Familie verlesen, in der sie darum bittet, den Tod der beiden nicht zu instrumentalisieren. Eine Vertreterin der Verdi-Jugend rief in Richtung der etwa 70 AfD-Sympathisanten, die sich vor den Propyläen versammelten: „Das Leid und der Schmerz unserer Kolleginnen und Kollegen gehört nicht euch.“

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