Der tödliche Anschlag am Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) im Juli 2016 war eine rechtsextremistisch motivierte Tat. Zu dieser Einschätzung kommt das bayerische Innenministerium mehr als drei Jahre nach dem Attentat in seinem Abschlussbericht. Zwar gebe es ein "Motivationsbündel", heißt es in dem Bericht, es gebe "Anhaltspunkte für das tatleitende Motiv der Rache als auch einer rechten Orientierung". Abschließend stufe man die Tat aber als "Politisch Motivierte Gewaltkriminalität - rechts" ein - so der offizielle Begriff.
Am 22. Juli 2016 hatte der 18-jährige Amokschütze David S., der an psychischen Problemen litt, am OEZ neun Menschen und sich selbst erschossen. Es gab mehrere Verletzte. Die neun Todesopfer hatten einen Migrationshintergrund - ebenso wie der rechtsextreme David S.: Seine Eltern waren 1997 nach Deutschland gekommen, er hatte die iranische und die deutsche Staatsangehörigkeit.
Münchner Ermittler hatten die Tat zunächst als nicht politisch motiviert eingestuft, sondern als Racheakt wegen Mobbings, obwohl es an der rechten Gesinnung des Schützen keine Zweifel gab. Später wertete unter anderem das Bundesamt für Justiz (BfJ) die tödlichen Schüsse als extremistische Tat. Das bayerische Innenministerium zögerte jedoch mit dieser Einstufung - daran gab es heftige Kritik unter anderem von SPD und Grünen, wie auch von Vertretern der Hinterbliebenen. Insgesamt vier Expertengutachten setzten sich mit dem Motiv des Attentäters auseinander - drei befürworteten eher die These vom rechten Anschlag, eines die Einstufung als Amoklauf.
Für die Opfer geht es dabei nicht nur um die Frage nach finanziellen Hilfen des Staates - Voraussetzung für die Bewilligung einer sogenannten Härteleistung ist die Einstufung als extremistischer Übergriff -, sondern auch um die Bewertung der Tat. Lange hatten die bayerischen Behörden von einem "Amoklauf" gesprochen. Nicht zuletzt auch das Münchner Landgericht ging im Prozess gegen den Verkäufer der Waffe davon aus, dass die Tat rassistisch motiviert war.
Florian Ritter von der SPD-Landtagsfraktion begrüßte die Entscheidung: "Es wurde höchste Zeit, diese Tat eines Rechtsradikalen auch als solche anzuerkennen." Dass aber die Staatsregierung dafür so lange gebraucht habe, sei dem Kampf gegen Rechtsradikalismus "nicht gerade zuträglich". Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Katharina Schulze, nannte den Schritt "überfällig, richtig und wichtig". Die Neubewertung schließe bei den Angehörigen der Opfer eine "lange klaffende Wunde". Bayern habe "ein massives Problem mit rechter Gewalt, das so auch statistisch sichtbar wird", sagte Schulze.
Manfred Ländner, der innenpolitische Sprecher der CSU, entgegnete, es sei seriös, "dass wir als Politiker nach einem Anschlag nicht reflexartig Schlüsse ziehen oder die Einordnung von Straftaten vornehmen. Damit verunsichert und emotionalisiert man nur unsere Bevölkerung." Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er hoffe, "dass die Ermittlungsbehörden zukünftig Formen der Hasskriminalität besser in den Blick nehmen werden". Für die Münchner Stadtgesellschaft, so der OB weiter, "ist es von großer Bedeutung, die Tat als das zu benennen was sie war: Ein gezielter Angriff auf das bunte, vielfältige und tolerante München".
Das Innenministerium ließ dem Landtag am Donnerstag einen 16-seitigen Abschlussbericht zukommen, in dem es die Ermittlungsergebnisse zusammenfasst und auch die Neubewertung begründet. Darin schreibt es auch, dass es keine Hinweise gebe, dass David S. sich mit anderen über seine Attentatspläne ausgetauscht habe. Auch nicht mit William A., der im Dezember 2017 im US-Bundesstaat New Mexico mehrere Menschen tötete und der wie David S. auf der Online-Plattform "Steam" aktiv war. Diese Verbindung hatten die Behörden in den vergangenen Monaten geprüft.