Anonyme E-Mail:Verdacht auf Gammelfleisch im Schlachthof

In einem unbekannten Lagerraum wurden Tonnen tiefgekühlter Lebensmittel entdeckt - das Umweltministerium hat nicht reagiert, weil der Informant anonym bleiben wollte.

Bernd Kastner

Auf dem Gelände des städtischen Schlacht- und Viehhofs sind mehrere Tonnen tiefgekühlte Lebensmittel gefunden worden, die möglicherweise nicht mehr für den Verzehr geeignet sind. Dies erklärte das Kreisverwaltungsreferat (KVR) auf Anfrage der SZ.

Verdacht auf Gammelfleisch; Foto: Rumpf

Noch ist unklar, ob in einem Betrieb des Schlachthofes wirklich Ware umetikettiert wurde. Der Firmenchef weist jeden Verdacht von sich.

(Foto: Foto: Rumpf)

Fehlender Absender - Schreiben ignoriert

Außerdem bestehe der Anfangsverdacht, dass die auf fünf Tonnen geschätzte Ware, vorwiegend Fleisch, umetikettiert worden sei. Der Lagerraum sei am Mittwoch von der Polizei versiegelt, die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden, so KVR-Sprecher Christopher Habl und Thomas Huber, Sprecher der Regierung von Oberbayern.

Der Geschäftsführer der betroffenen Großhandelsfirma weist jeden Verdacht auf Gammelfleisch vehement von sich. Die Kontrolle geht auf einen anonymen Hinweis eines Insiders zurück. Pikant ist, dass das Verbraucherschutzministerium dieses Schreiben ignorierte - wegen fehlender Absenderangaben.

Lebensmittelkontrolleure des KVR, Tierärzte des Staatlichen Veterinäramtes und Mitarbeiter der Spezialeinheit des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) entdeckten die verdächtigen Lebensmittel in einem 15 bis 20 Quadratmeter großen Lagerraum eines Fleischgroßhandels an der Zenettistraße. Dabei handelt es sich offenbar um einen Raum, der den Kontrolleuren bislang nicht bekannt gewesen war.

Existenz des Raumes abgestritten

In dem der SZ vorliegenden anonymen Schreiben heißt es, dass die Firma diesen Raum bislang verschwiegen habe. Habl erklärte, der Firmenchef habe auf Nachfrage auch noch am Mittwoch die Existenz dieses Raumes abgestritten. Erst aufgrund weiterer Recherchen der Kontrolleure sei der Raum entdeckt worden.

Laut KVR hätten die Prüfer Proben genommen, die nun analysiert würden. Christian Schmidt-Sommerfeld, Chef der Münchner Staatsanwaltschaft, bestätigte den Fund von Fleisch, dessen offizielles Haltbarkeitsdatum abgelaufen sei - was aber nicht automatisch auf Gammelfleisch schließen lasse. Dies kläre sich erst nach den Analysen.

Der Geschäftsführer des Fleischgroßhandels gab sich auf SZ-Nachfrage zunächst unwissend. Dann bestätigte er die Kontrollen und das Versiegeln, Gammelfleischvorwürfe wies er aber als "grundsätzlich falsch und an den Haaren herbeigezogen" zurück. In dem untersuchten Raum hätten sich zudem nur zwei bis drei Tonnen Waren befunden.

Am Donnerstag sei er wieder geöffnet worden, die Kontrolleure hätten ihm sogar erlaubt, Waren daraus in den Handel zu bringen. Dass dieser Raum bislang nicht kontrolliert worden sei, erklärt der Firmenchef damit, dass er nach dem Umzug der Firma im März in die Zenettistraße von den Prüfern "übersehen" worden sei. Reinhard Oberhauser vom Schlachthof zeigte sich überrascht über den Verdacht, die Firma habe "einen guten Ruf".

"Ein Lapsus"

Die Vorgeschichte der Kontrolle wirft kein gutes Licht auf den behördlichen Umgang mit Hinweisen auf mutmaßliches Gammelfleisch. Der anonyme Informant hatte sich am Sonntag mit detaillierten Angaben per E-Mail zunächst ans Bayerische Verbraucherschutzministerium gewandt. Von dort erhielt er am Montagmorgen die Antwort, dass Zuschriften ohne Absenderangaben "grundsätzlich nicht bearbeitet werden" sollten, begründet mit der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats.

Und das, obwohl im Betreff der E-Mail stand: "Gammelfleisch". Erst als das Schreiben am Dienstag beim KVR landete, wurden die Behörden aktiv - aber nicht die freistaatlichen. Laut Habl seien es die städtischen Kontrolleure gewesen, welche die Tierärzte des Staatlichen Veterinäramtes informiert und zur Kontrolle mitgenommen hätten.

Eine Sprecherin von Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf zeigte sich zunächst erstaunt, dass sich der Tippgeber ans Ministerium gewandt habe. Schließlich habe man beim LGL eine Hotline für anonyme Hinweise eingerichtet (Telefon: 09131/764-108). Später räumte Ministeriums-Sprecher Roland Eichhorn ein, dass die E-Mail "durchgefluscht" sei: "Wir haben es übersehen. Ein Lapsus."

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