Gründung einer Annette Kolb-Gesellschaft:Eine Pazifistin, die als Vorbild dient

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Annette Kolb (1870–1967) war so unkonventionell wie unbeugsam. (Foto: Münchner Stadtbibliothek / Monacensia)

Annette Kolb schrieb nicht nur hervorragende Romane, sondern setzte sich auch zeitlebens für Pazifismus und Völkerverständigung ein. Gleich zweimal musste sie in ihrem Leben ins Exil gehen. In München will nun eine neue Gesellschaft das Interesse an ihren Werken und Ideen stärken.

Von Antje Weber, München

„Sie haben den Lohn für Ihre schöne Haltung weg“, schrieb die Schriftstellerin Annette Kolb im April 1933 so sarkastisch wie mitfühlend an ihren Kollegen Thomas Mann, der wie sie selbst gerade aus Deutschland ins Exil gegangen war. Kolb wusste sich mit ihm einig: „Deutschland ist heute eine Wüste und wir die es wirklich liebten sind heimatlos geworden.“ Sie konstatierte, dass „diese Hitlerei“ eine „enorme Anziehungskraft für alle Barbaren in der Welt und sämtliche Domestiken“ habe: „Aber unsereinen reibt doch dieser Mangel an Ehrgefühl der Deutschen (so vieler Millionen) die Seele wund.“

Annette Kolb (1870–1967) hatte nicht nur einen eigenwillig charmanten Schreibstil, sie hatte auch selbst eine „schöne Haltung“. Nicht erst die Nationalsozialisten, die ihre Bücher wie die so vieler anderer Schriftstellerinnen und Schriftsteller verbrannten, weckten ihren Widerstand. Bereits während des Ersten Weltkriegs machte sie sich mit pazifistischen Äußerungen bei der bayerischen Regierung so unbeliebt, dass sie mit Publikations- und Reiseverbot belegt wurde und zum ersten Mal ins Exil in die Schweiz ging. Nun wird diese unbeugsame, lebenslang engagierte Schriftstellerin endlich stärker in ihrer Heimatstadt gewürdigt, in die sie erst 1961 wieder endgültig zurückkehrte:  Anfang Februar hat sich in München eine Annette Kolb-Gesellschaft gegründet.

Dafür fanden sich Kolbs Urgroßnichte Cornelia Michél, Wissenschaftler aus München, Eichstätt, Innsbruck, Zürich und Athen und Studierende der Germanistik zusammen; Franz Herzog von Bayern hat den Ehrenvorsitz übernommen. Das Literaturhaus wird Sitz der Gesellschaft, die von der Arbeitsstelle für Literatur in Bayern der LMU unterstützt wird, sowie vom Literaturarchiv Monacensia: Hier liegt Kolbs Nachlass, der mehr als 150 Manuskripte, viele Fotografien und 1800 Briefe der Schriftstellerin umfasst, die über Jahrzehnte und Grenzen hinweg mit den bedeutendsten Kollegen ihrer Zeit, ob Gerhart Hauptmann, Rainer Maria Rilke, Romain Rolland, Hermann Hesse oder den Manns,  in einem regen Austausch stand.

Ziel der Gesellschaft ist es, wie die Monacensia mitteilt, Leben und Werk dieser Schriftstellerin, Pazifistin und deutsch-französischen Intellektuellen einem interessierten Publikum und dabei insbesondere jungen Menschen zugänglich zu machen. Annette Kolb bereicherte die Literatur des 20. Jahrhunderts mit Romanen wie „Das Exemplar“, „Daphne Herbst“ oder „Die Schaukel“ und zahlreichen Essays, die Gesellschaft will nun laut Satzung „für eine verstärkte Rezeption und Beschäftigung mit dem Werk“ sorgen. Jedes Jahr soll an Kolbs Geburtstag am 3. Februar eine Abendveranstaltung im Literaturhaus an sie erinnern, in Planung ist auch ein Annette Kolb-Literaturpreis. Die Öffentlichkeit wird im Herbst die ersten Ergebnisse der Hintergrundaktivitäten sehen: Für den 20. und 21. November ist in München eine Tagung zu Kolbs Netzwerken geplant, wie der LMU-Germanist Waldemar Fromm ergänzt.

Dabei sind interessante Einblicke zu erwarten. Denn, wie es in der Pressemitteilung heißt, „Kolbs intellektuelle Eigenständigkeit, ihr scharfsinniger Blick auf gesellschaftliche Konventionen, ihr unerschütterliches Engagement für Völkerverständigung und ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus machen sie zu einer Identifikationsfigur weit über ihre Zeit hinaus.“ Nicht zuletzt fand sie ja in ihren Briefen immer wieder deutliche Worte; wie schrieb sie zum Beispiel 1932 an den Schriftsteller Kurt Tucholsky, den sie lässig mit „Lieber Tucho“ anredete: „Die Farbe der Abgeklärtheit, mit welcher heute so viele ihr Gewissen bestreichen, ist in Wahrheit die der Verschmiertheit.“ Vorbilder wie Annette Kolb, die ganz und gar nicht abgeklärt war, sind wichtiger denn je.

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