Flüchtlinge in München:Homosexueller Frau droht Abschiebung nach Uganda

Flüchtlinge in München: Kyabangi Onyango wurde in Uganda bedroht, weil sie lesbisch ist. Ihr Marktstand wurde niedergebrannt.

Kyabangi Onyango wurde in Uganda bedroht, weil sie lesbisch ist. Ihr Marktstand wurde niedergebrannt.

(Foto: Catherina Hess)
  • Homosexualität ist in Uganda verboten. Es ist lebensgefährlich, sich dort dazu zu bekennen. Deshalb hat Kyabangi Onyango ihre Heimat verlassen und in Deutschland Asyl beantragt.
  • In Uganda sei ihre Freundin getötet und sie selbst bedroht worden, erzählt Onyango.
  • Doch die Behörden in Deutschland lehnten ihren Antrag ab. Die Behörden zweifelten an ihrer Glaubwürdigkeit.
  • Eine Expertin für Trauma-Behandlung in München reagiert entsetzt. Menschen, die Erlebnisse hinter sich hätten, wie Onyango sie berichtet, hätten oft Schwierigkeiten, stringent davon zu erzählen.

Von Ruth Eisenreich

Die Worte, die Kyabangi Onyango ins Gefängnis bringen könnten, klingen biblisch. "Fleischliche Kenntnis einer anderen Person gegen die Ordnung der Natur", Artikel 145a, Strafe: lebenslange Haft. "Versuch, widernatürliche Delikte zu begehen", Artikel 146, Strafe: sieben Jahre Haft.

Es sind Worte aus dem ugandischen Strafgesetzbuch, sie haben Onyango, 35, bunt gestreifter Pulli, Jeans, raspelkurze Haare, aus ihrem Land getrieben. Jetzt sitzt sie mit einigen anderen Frauen in der Bar der Münchner Lesbenberatung Letra, in jeder Hinsicht ziemlich weit entfernt von einem ugandischen Gericht.

Bier und Fritz-Cola auf den Tischen, Lounge-Musik. Onyango, deren echter Name zu ihrem Schutz nicht in der Zeitung stehen soll, begrüßt andere Frauen mit Umarmungen, "lange nicht gesehen", sagt sie auf Deutsch. Was hier passiert, das hätte Onyango sich früher nicht vorstellen können: Dass sich hier lesbische Frauen treffen, nicht heimlich, sondern ganz offen. Dass sie sich nicht schämen für ihre Liebe. Dass sie sich auf der Straße küssen, wenn sie wollen. Und dass sie dafür nicht verhaftet, nicht verprügelt, nicht vergewaltigt werden.

Ihr Asylantrag wurde in zweiter Instanz abgelehnt

In Onyangos Heimatland Uganda ist Homosexualität strafbar, Gewalt gegen Lesben und Schwule alltäglich. Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Bayerische Verwaltungsgericht wollen Onyango dorthin abschieben. Sie haben ihren Asylantrag abgelehnt, schon in zweiter Instanz.

Während vorne in der Letra-Bar die Musik lauter wird, versucht Onyango in einem Hinterzimmer ihre Geschichte zu erzählen. Nur selten lösen sich ihre Augen vom Kickertisch neben ihr, starren ins Nichts oder auf den Boden. Sie ist glücklich in München, sagt sie, presst die Lippen zusammen und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Ihre Hand spielt unentwegt mit einer der Stangen des Fußballtischs. Die Kicker an der Metallstange treten ins Nichts.

Onyango sagt, ihre Mutter und ihre Geschwister sprächen nicht mehr mit ihr, seit sie wüssten, dass sie lesbisch ist. Sie habe in Kampala als Hausmädchen gearbeitet und sich in eine Tochter ihrer Arbeitgeber verliebt, Winnie. "Manchmal denke ich an Winnie", sagt Onyango. Dann bricht die Erzählung ab.

Onyango sei nicht glaubwürdig - sie erzähle nicht stringent

Onyango tut sich schwer, stringent zu erzählen, das haben auch ihr Anwalt, ihre Betreuerinnen bei Letra und die Behörden festgestellt. Mit Hilfe der Behörden- und Gerichtsprotokolle lässt sich ihre Geschichte rekonstruieren: Winnie wurde 2007 auf offener Straße überfallen und getötet. Onyango selbst wurde bedroht, der Marktstand, den sie betrieb, niedergebrannt. In ihrer Nachbarschaft hingen Briefe des Gemeinderats, in denen sie geoutet wurde - Briefe, die dem BAMF in Kopie vorliegen. Mit Hilfe einer christlichen Kirche floh Onyango im August 2011 nach Deutschland.

Onyangos Anwalt und ihre Betreuerinnen können viele Gründe für ihre Schwierigkeiten beim Erzählen nennen. Sie ist in psychiatrischer Behandlung, schwere Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). "Seit dem letzten Urteil hat sich ihr psychischer Zustand rapide verschlechtert", sagt eine Letra-Mitarbeiterin.

Kaum jemandem fällt es leicht, einem wildfremden Beamten Details aus dem eigenen Sexualleben zu erzählen; umso schwerer muss es für Menschen aus Uganda sein, wo Homosexualität ein Tabu ist. Das BAMF aber legt Kyabangi Onyangos Schwierigkeiten, ihre Geschichte stringent zu erzählen, gegen sie aus. Sie sei nicht glaubwürdig, heißt es in ihrem negativen Asylbescheid vom Dezember 2013. Sie habe ihre Geschichte erfunden. Denn die Behörde definiert Glaubwürdigkeit als die Fähigkeit zum stringenten Erzählen.

Glaubhaft ist ihr zufolge, wer einen "schlüssigen Sachvortrag", eine "lückenlose Schilderung" abliefern kann. "Die wahrheitsgemäße Schilderung eines realen Vorganges ist erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum": So formuliert die Behörde in Onyangos Asylbescheid, so formuliert sie in einer Stellungnahme an die SZ.

Traumafolgestörungen bleiben oft unerkannt

Ulrike Schmidt ist entsetzt, wenn sie diesen Satz hört. Schmidt ist Leiterin der Trauma-Ambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie. Sie kennt sich aus mit Menschen, die Schlimmes erlebt haben, einen Krieg, eine Vergewaltigung, den Mord an einer geliebten Person. Viele entwickeln wie Onyango eine PTBS oder eine andere sogenannte Traumafolgestörung.

Ein typisches Symptom davon heißt Dissoziation. Sie tritt bei etwa 40 Prozent der Menschen mit Traumafolgestörung auf, sagt Schmidt: "Sie wirken entrückt oder abwesend, sie antworten nicht mehr, sie können eben gerade nicht stringent und detailreich erzählen." Eine Traumafolgestörung zu erkennen, sei für einen Laien fast unmöglich; sie vorzuspielen ebenfalls. Nimmt man die Glaubwürdigkeitsdefinition des BAMF zum Maßstab, werden also 40 Prozent der Flüchtlinge mit Traumafolgestörungen wie Onyango als Lügner eingestuft. Um zu erkennen, auf wen das zutrifft, müsste bei jeder Asyl-Anhörung ein Psychologe dabei sein, sagt Schmidt.

Onyangos Anwalt hat gegen den Asylbescheid geklagt. Das Bayerische Verwaltungsgericht wies die Klage ab - mit einer neuen Begründung. In seinem Urteil geht es nicht mehr so sehr um Onyangos Glaubwürdigkeit, sondern darum, dass Homosexuelle in Uganda nicht ernsthaft bedroht seien. Das Gericht hat im Fall Onyango eine Stellungnahme des Auswärtigen Amts eingeholt. "Zumindest seit der Unabhängigkeit Ugandas im Jahr 1962" habe es keine Verurteilungen wegen Artikel 145a gegeben, heißt es darin. Und die ugandische Regierung habe ja "in einer öffentlichen Erklärung festgestellt, dass es entgegen dem Wortlaut des Anti-Homosexuality Act nicht ihre Absicht sei, Homosexuelle als solche zu kriminalisieren".

Lebenslange Haft auf Homosexualität - nach Entschärfung des Gesetzes

Als das BAMF Kyabangi Onyangos Asylgesuch ablehnte, diskutierte Uganda gerade über dieses neue Gesetz. Seine Ursprungsversion, 2009 ins Parlament eingebracht, sah die Todesstrafe für "schwere Homosexualität" vor. Auf massiven internationalen Druck hin wurde das Gesetz etwas entschärft, die Todesstrafe durch lebenslange Haft ersetzt.

Aber auch die neue Version, im Dezember 2013 vom Parlament beschlossen und im Februar 2014 von Präsident Yoweri Museveni unterschrieben, sieht etwa für "Beihilfe zur Homosexualität" sowie für "Werbung für Homosexualität" bis zu sieben Jahre Haft vor. Im August 2014 erklärte das Verfassungsgericht das neue Gesetz für nichtig, allerdings nicht aus inhaltlichen, sondern aus formalen Gründen: Bei der Abstimmung im Parlament wurde das nötige Quorum nicht erreicht.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch berichten von Diskriminierung, Belästigungen, Drohungen, Erpressungen und willkürlichen Verhaftungen. Der Staat lasse Gewalt gegen Homosexuelle "größtenteils ungestraft". Zeigten Lesben und Schwule ein Verbrechen an, würden sie oft selbst eingesperrt, ein Grund für die Festnahme finde sich dann schon.

Ende 2010 gewann der Schwulen-Aktivist David Kato, ein Bekannter von Kyabangi Onyango, einen Prozess gegen eine ugandische Zeitung, die Namen, Adressen und Fotos von hundert angeblichen Homosexuellen veröffentlicht hatte. Die Titelseite: "100 Fotos von Ugandas Top-Homos geleakt", ein Foto von David Kato, ein Aufruf: "Hängt sie". Wenig später war Kato tot. Erschlagen mit einem Hammer.

Für Europäer unvorstellbar

Droht Lesben und Schwulen in Uganda wirklich keine Gefahr? Auch Florence Ochieng und Sharon Nambi kommen aus Uganda, auch sie heißen eigentlich anders, auch sie werden bei Letra betreut. Wer mit ihnen spricht, hört von Erlebnissen, die für Europäer fast unvorstellbar sind. Vielleicht urteilen die Behörden deswegen so streng: Weil nicht wahr sein kann, was man sich so schwer vorstellen kann.

Nambi sagt, ihre erste Freundin sei tot. Nambis Onkel habe sie in ihrem Auto erschießen und verbrennen lassen, danach bei Nambi angerufen: "Siehst du, was deiner sogenannten Freundin passiert ist? Das wird auch dir passieren." Ochieng sagt, sie sei in Uganda vergewaltigt worden. Ein kleines Mädchen tobt während des Gesprächs im Zimmer herum, brabbelt, trommelt auf den Tisch, klettert auf Ochiengs Schoß. Es ist ihre Tochter. Ochieng will nicht über sie reden.

Im Urteil des Verwaltungsgerichts im Fall Onyango steht: "Staatliche Stellen tolerieren keine Übergriffe nichtstaatlicher Akteure gegen Homosexuelle." Und: Die Polizei sei "zu ihrem Schutz Willens und in der Lage." Florence Ochiengs Vergewaltigung geschah in einem ugandischen Gefängnis. Der Täter, sagt sie, war Polizist.

71 Anträge

Das Urteil im Fall Onyango passt zur Statistik: In den Jahren 2013 und 2014 wurden insgesamt 71 Entscheidungen über Asylbewerber aus Uganda getroffen. Ein Schreiben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lässt darauf schließen, dass die meisten von ihnen wegen ihrer Homosexualität um Asyl ersucht hatten. In 26 der 71 Fälle vermerkt das BAMF eine "sonstige Verfahrenserledigung", das kann zum Beispiel heißen, dass das Verfahren eingestellt oder der Antrag zurückgezogen wurde oder dass ein anderer EU-Staat zuständig ist. Nur für 15 ugandische Asylbewerber gab es ein positives Urteil, etwa Flüchtlingsschutz oder ein Abschiebeverbot. 30 wurden abgelehnt.

Immerhin schlägt das BAMF in seinem Urteil nicht vor, dass Onyango ihre Homosexualität doch einfach verbergen solle: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2013 entschieden, dass Asylanträge nicht mit diesem Argument abgewiesen werden dürfen, in einer aktuellen Stellungnahme listet das BAMF aber als "Prüfkriterium" für das Asylverfahren immer noch die Frage auf, wie "sich der Antragsteller unter Berücksichtigung seiner sexuellen Identität im Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland verhalten" werde. rue

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: