Konzert im HerkulessaalStatt Trump zu kritisieren, lässt András Schiff die Musik sprechen

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András Schiff an einem anderen Flügel in einer Archiv-Aufnahme.
András Schiff an einem anderen Flügel in einer Archiv-Aufnahme. (Foto: Lukas Beck)

Zuletzt protestierte András Schiff gegen die Kulturpolitik des US-Präsidenten und sagte eine USA-Tournee ab. Beim Konzert in München schweigt er und feiert die Klangkultur des Klaviers.

Kritik von Paul Schäufele

Man weiß nie, was passieren wird, wenn Sir András auf die Bühne tritt, leise, mild lächelnd, wie ein Bibliothekar, der sich in seiner Sammlung umsieht. Wird er etwas über seine Entscheidung sagen, aus Kritik an Donald Trump nicht mehr in den USA aufzutreten? Oder den historischen Flügel vorstellen, der die Bühne des Münchner Herkulessaals beherrscht? Letztlich wird er weder das eine noch das andere tun und die Musik für sich sprechen lassen, wunderbare Musik auf einem Instrument, das nur András Schiff so spielen kann.

Robert Schumanns Konzertstück Opus 92 als klingende Brise, durchgeführt mit einer Tonkultur, die bei aller Zartheit nicht vergisst, dass der Ton auch einen Kern haben muss. Jede von Schiffs sanften Eigenheiten, wie die plötzlichen Rückschritte ins Piano, werden dabei eingebaut in eine Dramaturgie der Kontraste. So entsteht etwa im Allegro-Teil des Stücks ein Dialog zwischen rechter und linker Hand, in dem Schiff auch die Qualitäten des um die Mitte des 19. Jahrhunderts gebauten Instruments demonstriert.

Der große Blüthner-Flügel klingt nicht nur luftiger als moderne Konzertflügel, er verfügt auch über differenzierte klangfarbliche Register. Im Zusammenspiel mit dem vom Klavier aus geleiteten Orchestra of the Age of Enlightenment, das ebenfalls auf historischen Instrumenten spielt, wirkt dieser Schumann wie aus einem Guss. Dass Schiff als Dirigent nicht die solideste Schlagtechnik hat, ist zu verschmerzen. Das englische Ensemble kann die vier Sätze aus Mendelssohns Sommernachtstraum-Musik im Schlaf spielen, da führt es nur zu kleineren Koordinationsschwächen, wenn Schiff die Einsätze verwischt.

In Schumanns Klavierkonzert ist er in seinem Metier und fügt dem beliebtesten aller romantischen Klavierkonzerte etwas Eigenes hinzu. Denn er überblickt die Partitur in ihrer Fülle und gestaltet die innigen Dialoge mit einzelnen Orchesterinstrumenten ebenso lebendig wie die nach innen gekehrte As-Dur-Episode des Kopfsatzes. Dabei wählt er flotte Tempi, die es ihm dennoch erlauben, konsequent auch die in Mittel- und Basslage versteckten Melodien vor allem im schillernden Finale zu zeigen. Großer Beifall, den Schiff wiederum lächelnd entgegennimmt. Er dankt mit einer hinreißend charakteristischen Schumann-Arabeske und Mendelssohns Hebriden-Ouvertüre. Ovationen für den Vollblut-Musiker und seinen Einsatz, die pianistische Kultur mit unerhörten Klangfarben zu bereichern.

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