20 Jahre Corso Leopold am Wochenende:Geht doch!

20 Jahre Corso Leopold am Wochenende: Autofrei von der Münchner Freiheit bis zum Odeonsplatz: der erste Corso Leopold im Mai 1995.

Autofrei von der Münchner Freiheit bis zum Odeonsplatz: der erste Corso Leopold im Mai 1995.

(Foto: Benjamin David/oh)
  • Drei Männer, die in der Schwabinger Friedensinitiative aktiv waren, haben vor 20 Jahren erstmals den Corso Leopold organisiert und sperrten die Leopoldstraße für Autofahrer.
  • Heute werden Corso Leopold und Streetlife Festival am selben Wochenende organisiert. Zusammengenommen zählen die Straßenfeste zu den größten ihrer Art in Europa.

Von Thomas Anlauf

Die Leopoldstraße als Fußgängerzone? Eine Schnapsidee. Genau genommen war es sahnig-süßer Baileys, mit dem sich ein paar Schwabinger dieser Vision hingaben. Wolfgang Heuss, Thomas Pampuch und Ekkehard Pascoe saßen eines Abends während der Fußball-Weltmeisterschaft 1994 auf einer abgewetzten Couch in Schwabing mit einer Flasche irischen Creamlikörs vor sich, und Pampuch sinnierte schließlich: "Corso statt Berti!"

Die drei Herren waren in der Schwabinger Friedensinitiative aktiv und hatten nicht allzu viel am Hut mit Fußball, zumindest aber mit Bundestrainer Berti Vogts und seiner Nationalelf in jenen Tagen. Die machte im Sommer 1994 höchstens wegen des gestreckten Mittelfingers von Stefan Effenberg von sich reden - im Gegensatz zum WM-Sieg vier Jahre zuvor. Da hatten Tausende auf der Leopoldstraße die halbe Nacht den Titel gefeiert, für Autos war kein Durchkommen: Die Leopoldstraße war kurzerhand zur Fußgängerzone geworden. Die Schwabinger Intellektuellen ärgerte es damals gewaltig, dass die Leopoldstraße ausschließlich Feiermeile der Fußballfans sein sollte. Pascoe war damals bereits seit zwei Jahren im Schwabinger Bezirksausschuss und beantragte daraufhin mit Winfried Krämer, die Leopoldstraße zwei Tage lang in einen "Corso" zu verwandeln.

Eine Straße sperren, nur zum Flanieren?

Ein Jahr später, am 21. Mai 1995, flanierten Tausende von der Münchner Freiheit hinunter zum Odeonsplatz, mitten auf der Straße. Das Motto der "Corsaren", wie sich die Initiatoren der Fußgängerbewegung fortan nannten, lautete folgerichtig: "Geht doch!" An den Straßenschildern klebten noch lange nach der ungewöhnlichen Demonstration Sticker mit dem Sinnspruch.

20 Jahre Corso Leopold am Wochenende: Das Logo aus den Anfangstagen für den Corso Leoplold.

Das Logo aus den Anfangstagen für den Corso Leoplold.

Die Idee war in der Stadtpolitik auf erstaunlich wenig Widerstand gestoßen. Lediglich im Kreisverwaltungsreferat gab es Bedenken. "Was macht Ihr denn da auf der Leopoldstraße", wurde Thomas Pampuch dort gefragt. "Ja nix, flanieren halt", sagte der. "Ja wenn Ihr nix macht, dann können wir die Straße auch nicht sperren." So ging damals Behördenlogik und manchmal ist sie noch heute so. Aber es gab da auch noch Cornelius Mager, den heutigen Chef der Lokalbaukommission. Der arbeitete damals im Büro von Oberbürgermeister Christian Ude und war für die merkwürdige Kombination aus Verkehr und Kultur zuständig, erinnern sich die Corso-Gründungsmitglieder. Mager hatte es laut Pascoe kurz zuvor ermöglicht, dass für Michael Schuhmacher und seinen Formel-1-Wagen der Boulevard gesperrt wurde. Also gab es keinen Grund, die Straße nicht auch einmal für Fußgänger frei zu geben. "Und Ude hat eine riesige Wertschätzung für dieses Schwabinger Ding gehabt", sagt Pascoe.

Er sitzt nun, 20 Jahre später, auf seinem Schwabinger Balkon, neben ihm Thomas Pampuch, Benjamin David und Ulrike Bührlen, sie trinken heute guten Wein statt Baileys. "Die Stadt muss eigentlich stolz auf uns sein", sagt er. "Ich glaube, im Bewusstsein der Menschen hat sich verändert, dass die Straße nicht nur dem Auto gehört", meint Bührlen. Sie stieß gemeinsam mit David vor zehn Jahren zum Corso Leopold, seitdem sind die beiden Stadtraum-Aktivisten der Urbanauten für die Organisation des riesigen Festivals zuständig.

Mit dem Streetlife Festival kam der Erfolg

Dabei kamen beide ursprünglich von der anderen Seite des Fests: dem Streetlife Festival von Green City, das seit 2000 gleichzeitig zwischen Odeonsplatz und Georgenstraße hinter dem Siegestor gefeiert wird. Bührlen und David hatten sich in den Neunzigerjahren bei der Münchner Umweltorganisation Green City engagiert und 1995 die Idee, eine Sternradtour von 60 Orten aus dem Münchner Umland aus bis zum Odeonsplatz zu organisieren. Ein bisschen "größenwahnsinnig" nennt David das heute, die beiden waren zu dem Zeitpunkt gerade erst volljährig geworden. Doch es funktionierte: Zigtausende Radler folgten dem Aufruf und radelten zur Feldherrnhalle, während zur gleichen Zeit Tausende Spaziergänger mit kleinen Fähnchen und großen Plakaten von der Münchner Freiheit im Corso zum Treffpunkt liefen und dort ihren Erfolg feierten.

"Streetlife Festival" und "Corso Leopold" in München, 2014

Bunt und voll ist es beim Streetlife Festival und dem Corso Leopold. Hunderttausend Menschen kommen jedes Jahr auf Leopold- und Ludwigstraße.

(Foto: Catherina Hess)

Bis zum heutigen Corso Leopold und dem Streetlife Festival, das nun an zwei Wochenenden jährlich Hunderttausende Besucher anlockt, war es aber noch ein weiter Weg. "Wir hatten am Anfang ja nur einen Namen und eine Idee", sagt Grünen-Politiker Pascoe heute. "Und wir hatten die Leopoldstraße." Die Schwabinger Idealisten merkten schnell, dass viel Geld und Organisationsgeschick dazu gehört, den Corso Leopold am Laufen zu halten. Der ursprüngliche Gedanke der Corsaren war es, zwei Tage lang auf der Leopoldstraße ohne Autos spazieren zu können. "Aber es ist offenbar nicht durchsetzbar, in Deutschland einfach nur Straßen zu sperren", sagt Pampuch.

Die Veranstaltung muss sich rechnen

Als im Jahr 2000 die Umweltorganisation Green City ihr Streetlife Festival von der Brienner Straße auf die Ludwigstraße verlegen durfte, kam plötzlich Zug in die Sache. Der Corso wurde zum kleinen Bruder, die Umweltorganisation dominierte die Straße bis hinter das Siegestor. 2004 gründeten die Schwabinger Corsaren deshalb einen Verein, 2005 kamen Bührlen und David als professionelle Organisatoren an Bord. "Als eigener Verein hatten wir dann auch die Muskeln", die Schwabinger wurden selbstbewusster, wie Pascoe sagt. Nach einem Hickhack zwischen Green City und Corso Leopold einigten sich die beiden Organisationen schließlich darauf, die Festivals gleichzeitig, aber nicht unter wechselnder Federführung abzuhalten. Bis heute ist kurioserweise für das Streetlife Festival das Umweltreferat und für den Corso Leopold das Kulturreferat zuständig.

Zusammengenommen zählen die Straßenfeste zu den größten ihrer Art in Europa. Das muss professionell organisiert werden. Innerhalb weniger Stunden werden die Helfer an diesem Samstag die Leopold- und Ludwigstraße in eine Fußgängerzone verwandeln, die "Kunst und Wurst" verbindet, wie Michael Wladarsch mal gesagt hat, heute einer der Corso-Vorstände. Kommerz gehört offenbar dazu, um solche Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Das haben die Corsaren leidlich erfahren müssen, eigentlich wollten sie ja nur flanieren. Aber vielleicht gelingt ihnen irgendwann einmal auch diese Vision: ein autofreier Boulevard, ganz ohne Kommerz. Die Aufkleber von damals gibt es noch, darauf der Walking Man und zwei Worte: Geht doch.

Das Programm

20 Jahre Corso Leopold und 15 Jahre Streetlife Festival: Am Samstag und Sonntag wird der 2,3 Kilometer lange Boulevard zwischen Odeonsplatz und Münchner Freiheit wieder zur Feiermeile und Fußgängerzone für Hunderttausende Münchner. Am Samstag von 16 Uhr bis 2 Uhr früh und am Sonntag von 11 bis 20 Uhr gibt es zahlreiche Infostände und Kulinarisches, aber auch viel Kultur. Beim Corso Leopold tritt etwa der Beatbox-Europameister "Robeat" mit dem Jugendorchester der Bayerischen Philharmoniker auf unter dem Motto "Klang-Licht-Konzert - Ein synästhetisches Klanglaboratorium" (Samstag, 18 Uhr, Hauptbühne an der Münchner Freiheit). Im "Kreis der Religionen" begegnen sich Christen und Muslime direkt nördlich der Franz-Joseph-Straße (Samstag 16 bis Sonntag 20 Uhr). Ein Bündnis verschiedener Gruppen wird auf dem "Platz für Humanisten" diskutieren, philosophieren und musizieren (Samstag von 16 bis Sonntag um 20 Uhr, südlich der Hohenzollernstraße). "Guerilla Lighting" ist ein abendlicher Spaziergang durch Altschwabing mit LED-Lampen und Farbfiltern. Start ist am Samstag um 21 Uhr vor der Buchhandlung Lehmkuhl. Zwischen Georgenstraße und Odeonsplatz organisiert Green City das Streetlife. Erstmals wird eine 2000 Quadratmeter große Fläche komplett um das Siegestor begrünt. Vor der Feldherrnhalle findet für Hobbymannschaften der "M-Net Streetsoccer Cup" statt. Es gibt eine "Open Air Art Gallery" mit Siebdruckwerkstatt, Workshops und Straßenkunst. Die Hauptbühne befindet sich erstmals am Professor-Huber-Platz. Dort gibt es unter anderem am Samstag von 22.30 Uhr an eine "Silent Disco" mit Kopfhörern. Am Geschwister-Scholl-Platz ist für Kinder das Lilalu-Kinderland mit Akrobatik und Platz zum Toben. Informationen unter www.corso-leopold.de und www.streetlife-festival.de. anl

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