Amtsgericht:Wenn die Reise zum Frachttransport wird

Von Stephan Handel

Was es nicht alles gibt! Unter anderem Fachanwälte für dieses und für jenes - und sogar für Frachtrecht. Einen solchen hätte eventuell eine Familie aus Iserlohn brauchen können, die gegen einen Reiseveranstalter geklagt hatte - sie hatte eine Fahrt mit dem Autoreisezug gebucht, dieser hatte sich erheblich verspätet. Mit der Klage auf Schadensersatz jedoch scheiterte die Familie vor dem Amtsgericht. Der Grund: Eine Reise mit dem Autoreisezug ist keine Reise im Sinne des Reiserechts.

Mann, Frau und Tochter wollten im Juli 2015 von Villach in Österreich mit dem Zug nach Edirne in der Türkei fahren, das Auto sozusagen Huckpack dabei - 1710 Euro kostete der Spaß. Auf der Fahrt wurden zahlreiche Autos aufgebrochen und Sachen daraus gestohlen. Als das aufflog, wurde der Zug angehalten. Zwölf Stunden brauchte die Polizei, um alle Diebstähle aufzunehmen. Wegen der dadurch entstandenen Verspätung verlangte die Familie eine Minderung des Fahrtpreises um 50 Prozent, außerdem 600 Euro wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit. Als der Reiseveranstalter nicht zahlen wollte, verklagte die Familie ihn auf 1455 Euro.

Der Münchner Amtsrichter war jedoch überhaupt nicht dieser Meinung; er wies die Klage ab. Denn der zugrunde liegende Vertrag sei kein Reisevertrag, für den dann die ausgeklügelten - und verbraucherfreundlichen - Regeln des Reiserechts gelten würden. Vielmehr hätte Kunde und Unternehmen nicht mehr als einen Beförderungsvertrag geschlossen. In Juristendeutsch: "Bei reinen Beförderungsverträgen wie dem streitgegenständlichen fehlt es am Charakter einer Veranstaltung, bei der der Unternehmer in eigener Verantwortung einen über die Beförderung hinausgehenden Gesamterfolg schuldet."

Das heißt: Der Veranstalter verkauft nur den Transport und ist für das Gelingen der damit verbundenen Reise nicht verantwortlich. Zudem war beim Vertragsabschluss auf die Beförderungsbedingungen hingewiesen worden; darin enthalten ist ein Paragraf, der die Haftung des Anbieters bei unvorhersehbaren Ereignissen, auch Diebstahl, ausschließt. Schadensersatz komme ebenfalls nicht in Betracht: Nutzlose aufgewendete Urlaubszeit, fester Begriff im Reiserecht, sei ein immaterieller Schaden, der im Frachtrecht nicht vorgesehen sei. Die Verspätung sei nur dann ein Mangel, wenn es darauf ankomme, wann die Leistung, also die Beförderung, erbracht werde. Das sei aber normalerweise nicht der Fall, weil die Beförderungsleistung nicht schlechter werde, wenn sie sich verzögere. Das Urteil ist rechtskräftig. (Az: 132 C 9692/16)

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