Das Münchner Amtsgericht sorgt sich um die Sicherheit seiner Gerichtsvollzieher. Rund 124.000 Mal überbrachten die Justizbeamten im vergangenen Jahr Vollstreckungsaufträge. Mit einem Minus von 3,2 Prozent waren das zwar etwas weniger als im Vorjahr, doch immer häufiger kommt es zu verbalen Ausfällen und sogar gewalttätigen Übergriffen von Schuldnern auf die Beamten. "Sie werden beleidigt, bespuckt, tätlich angegriffen oder bedroht", sagte der Präsident des Amtsgerichts, Gerhard Zierl, bei der Jahrespressekonferenz. "Sie bekommen den ganzen Frust ab."
Die Leitende Gerichtsvollzieherin Gerlinde Nieder schreibt mittlerweile wöchentlich im Auftrag ihrer Mitarbeiter Anzeigen gegen aggressive Schuldner. "Früher zuckten die Bürger zusammen, wenn ein Gerichtsvollzieher mit einer Akte vor der Tür stand", so Nieder. Heute reagierten die säumigen Zahler entweder aggressiv oder gar nicht mehr. Sie ignorierten sämtliche Schreiben des Gerichts oder ließen die Beamten einfach vor der Haustüre stehen, ohne zu öffnen.
Diese Erfahrungen machen die Gerichtsvollzieher immer häufiger nicht nur in sozial schwachen, sondern auch in den sogenannten gutbürgerlichen Gegenden, wo Schuldner ihre Briefkästen voll unbezahlter Rechnungen einfach überquellen lassen.
In problematischen Fällen holen sich die Gerichtsvollzieher schon vorab Unterstützung bei der Polizei. Denn es kann auch zu gefährlichen Situationen kommen. Vor sechs Jahren versuchte in München ein Schuldner, einen Gerichtsvollzieher umzubringen. Er stach mit einem Messer auf ihn ein. Der Beamte blieb dauerhaft dienstunfähig. Der Täter wurde festgenommen. Mittlerweile bietet das Münchner Amtsgericht, dessen Gerichtsvollzieher auch für die Landkreise Fürstenfeldbruck, Ebersberg und Dachau zuständig sind, Notwehr- und Selbstverteidigungskurse für seine Außendienstmitarbeiter an.
Werte in Höhe von 36,6 Millionen Euro
2012 trieben die Münchner Gerichtsvollzieher bei säumigen Zahlern Werte in Höhe von 36,6 Millionen Euro ein. Von der Hi-Fi-Anlage bis zur tonnenschweren Baumaschine reicht das Spektrum der gepfändeten Gegenstände, die das Amtsgericht nach einer Zwei-Monats-Frist öffentlich versteigert.
53.500 Schuldner leisteten den Offenbarungseid, etwa 2500-mal mussten Gerichtsvollzieher Zwangsräumungsbescheide gegen säumige Mieter vollstrecken. In 427 Fällen wurden Immobilien zwangsversteigert, wobei der Erlös mit rund 75 Millionen Euro fast acht Millionen Euro über dem Verkehrswert lag.
Diese Zahl spiegelt die angespannte Wohnraumsituation in der Landeshauptstadt wider. Die meisten Häuser und Wohnungen gingen jeweils schon im ersten Versteigerungsdurchlauf weg. Es gab keine einzige Immobilie, für die sich keine Käufer fanden. Der Run auf "Betongold" durch historische niedrige Zinsen sei ungebrochen, sagt Mirja Kapfer vom Insolvenz- und Vollstreckungsgericht.
Als Gründe für Überschuldung zählt Gerlinde Nieder vermeintlich günstige Konsumentenkredite, Handyverträge oder Verträge für Fitnesscenter auf. Auch hohe Arztrechnungen stellten für viele Münchner zunehmend ein Problem dar. "Da werden gesundheitsförderliche Leistungen angepriesen, die der Patient vielleicht gar nicht braucht und selbst bezahlen muss", sagt Nieder. Vielfach bemerken das die Patienten erst, wenn sie die Rechnung bekommen und die Krankenkasse die Kostenübernahme verweigert.