Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht München:84-Jährige darf nicht in Raten zahlen

  • Ein Teleshoppingsender verwehrte einer 84-Jährigen wegen ihres Alters das Recht auf Ratenzahlung.
  • Die Frau klagte nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und verlangte Schmerzensgeld.
  • Doch das Landgericht gab dem Sender recht.

Von Stephan Handel

Gelegentlich schafft die Rechtsprechung Sätze von ewiger Schönheit. Diesen zum Beispiel: "Dass das Leben zwangsläufig mit dem Tode endet, darf das Gericht als bekanntes Faktum voraussetzen." Die Urteilsbegründung, in der dieser Satz steht, war für die Klägerin allerdings gar nicht so lustig - sie hat ihren Prozess nämlich verloren.

Die Sache wurde vor dem Münchner Amtsgericht verhandelt, weil die Beklagte hier ihren Firmensitz hat: ein Teleshoppingsender mit Online-Shop, also sozusagen die multimediale Version des Quelle-Katalogs. Dort hatte die Klägerin Gefallen an einigen Schmuckstücken gefunden und wollte diese bestellen.

Der Kaufinteressent kann bei der Bestellung zwischen verschiedenen Bezahlformen wählen: Rechnung, Bankeinzug, Nachnahme, Kreditkarte oder Teilzahlung in Raten. Letzteres wählte die Schmuckliebhaberin aus. Das Unternehmen aber wies die Bestellung zurück - mit der Begründung, dass die Frau 84 Jahre alt sei und somit die interne Altersgrenze für die Kreditvergabe überschreite.

Das wollte die Frau sich nicht gefallen lassen und klagte: 3000 Euro Schmerzensgeld verlangte sie nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die Zurückweisung sei "zutiefst persönlichkeitsverletzend und menschenverachtend". Die Argumentation des Unternehmens, so die Klägerin, beinhalte einen Zirkelschluss: Sie stelle ab auf die statistische Lebenserwartung und auf das daraus angebliche entstehende Risiko für das Unternehmen. Dadurch werde aber gerade das Merkmal, wegen dem die Klägerin geschützt werden solle - ihr Alter - zu ihrem Nachteil ausgelegt.

Bei der Verteidigung des Unternehmens kam der Begriff des Massengeschäfts ins Spiel: Dieser bedeutet, dass die Person des Käufers dem Verkäufer relativ egal ist, so zum Beispiel beim Einkauf im Supermarkt. Bei solchen Massengeschäften verbietet das AGG die Diskriminierung - zum Beispiel - wegen des Alters. Die gewünschte Teilzahlung sei jedoch gerade kein Massengeschäft, argumentierte die Firma. Es komme dabei sehr wohl auf das Ansehen der Einzelperson an, beileibe nicht würden einfach nur pauschal alle Menschen ab einem gewissen Alter ausgeschlossen.

Vielmehr werde neben Alter und Adresse des potenziellen Kunden auch dessen Bonität geprüft. Und außerdem: Für die unterschiedliche Behandlung von jüngeren und älteren Kunden gebe es ja einen sachlichen Grund, nämlich eben das Sterberisiko bei höherem Lebensalter - dagegen hatte die Klägerin schon argumentiert, dass ja auch jüngere Leute sterben könnten.

Der zuständige Amtsrichter ging in seinem Urteil auf das Problem Massengeschäft gar nicht ein. Er schrieb nach dem wunderbaren Eingangssatz, dass ein Teilzahlungsgeschäft der Natur nach eine auf einen längeren Zeitraum angelegte geschäftliche Beziehung ist. Dabei spreche für ältere Personen, dass sie grundsätzlich als solvente Schuldner gelten könnten, weil ja eine Rente ein gesichertes Einkommen ist, das zum Beispiel nicht dem Risiko der Arbeitslosigkeit unterliegt.

Aber, so der Richter weiter: "Es ist aber nun einmal so, dass mit gesteigertem Alter auch das Risiko des Ablebens ansteigt." In diesem Fall würden die Forderungen des Kreditgebers auf den Nachlass übergehen - und das erhöhe sein wirtschaftliches Risiko erheblich. Zum einen gehe die Sicherheit der regelmäßigen Rentenzahlungen verloren.

Zum zweiten müsse er zunächst die eventuellen Erben ausfindig machen, um mit seinen Forderungen an sie heranzutreten. Und dabei sei ja gar nicht sicher, ob die Erben überhaupt greifbar sein würden - wenn sie etwa nicht in Deutschland wohnen, würde es voraussichtlich kompliziert werden, eine Vollstreckung in die Wege zu leiten. Diese Unwägbarkeiten rechtfertigten laut Urteil die Ablehnung der Kreditvergabe an die Klägerin. Das Landgericht kam in der Berufung zum gleichen Ergebnis. Das Urteil ist rechtskräftig. (AZ: 171 C 28560/15)

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SZ vom 17.03.2018
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