Ampelschaltung in München:Alles im roten Bereich

Rote Fahrradampel

Durch die richtige Ampelschaltung soll der Verkehrsfluss optimiert werden. Doch was selbst für Autofahrer nur eingeschränkt funktioniert, macht erst recht Fahrradfahrern das Leben schwer.

(Foto: Imago Stock&People)

Wer durch München radelt, steht gefühlt an jeder Ampel. Ein Test des Bund Naturschutz zeigt: Das Gefühl trügt nicht. Die "grüne Welle", die schon für die Autofahrer nur bedingt funktioniert, macht Radlern das Leben schwer.

Von Marco Völklein

Martin Hänsel ist oft mit dem Fahrrad unterwegs. Bei fast jedem Wetter radelt er von Pasing aus jeden Morgen in die Innenstadt und am Abend wieder zurück. Auch zu Terminen fährt der stellvertretende Geschäftsführer des Münchner Bund Naturschutz (BN) in der Regel mit dem Rad. Dabei allerdings ärgert er sich über zwei Dinge, die vielen anderen Radfahrern ebenfalls Frust bereiten: zu schmale Radwege - und zu viele rote Ampeln. "Gefühlt stehe ich an jeder zweiten Ampel", sagt der Umweltschützer. "Von einer grünen Welle", sagt Hänsel, "können Radler in München nur träumen."

Dass sein Gefühl nicht täuscht, zeigt nun eine Untersuchung, die Hänsel und einige Mitstreiter vom BN in den vergangenen Wochen vorgenommen haben. Insgesamt vier Mitarbeiter waren damit beschäftigt, vier verschiedene Routen, die aus der Innenstadt heraus in die Stadtviertel führen, mehrmals abzufahren. Dabei sollten die Probanden versuchen, sich möglichst mit einer vorher festgelegten "Wunschgeschwindigkeit" auf dem Tacho durchs Verkehrsgewühl zu schlängeln - mal mit 15 Stundenkilometer, mal mit Tempo 20, auf einigen Strecken sogar mit Tempo 25.

Damit wollten die BN-Tester alle Nutzer abbilden, vom Genuss- über den Durchschnittsradler bis hin zum sportlichen Radpendler oder dem Besitzer eines Fahrrads mit Elektro-Unterstützung. Das Ergebnis ist eindeutig: "Auf allen Routen und bei allen Geschwindigkeiten liegt die tatsächliche Durchschnittsgeschwindigkeit erheblich unter dem angestrebten Tempo", sagt Hänsel. Und das liegt an den roten Ampeln.

So bremsten auf der Route von der Innenstadt über die Ludwig- und die Leopoldstraße Richtung Alte Heide rote Ampeln die Radler immer wieder aus. Mit Tempo 20 mussten sie allein auf der Leopoldstraße im Schnitt an sechs Ampeln halten, mit Tempo 15 an vier. Vor allem aber fiel den Testern auf, dass ein Radler sein Wunschtempo von 20 Stundenkilometern so gut wie nie erreichen kann.

Grund dafür ist aus Sicht des BN, dass auf dieser Strecke schlicht zu viel los ist - und das "obwohl die Radwege gut ausgebaut und verhältnismäßig breit sind", wie Hänsel findet. "Für das Aufkommen an Radfahrern sind sie aber immer noch zu schmal dimensioniert." Schon allein aus Sicherheitsgründen sei ein zügigeres Fahren dort nicht möglich. Der Tempo-15-Radler dagegen erreiche zwar seine Wunschgeschwindigkeit und komme relativ flüssig voran, sagt Hänsel. "Wären da nicht die Ampeln."

Ähnlich sieht es auf den anderen getesteten Routen aus: Auf der Fahrt durch die Lindwurmstraße und weiter Richtung Harras mussten die Tester (egal, ob sie ein Wunschtempo von 15 oder 20 Stundenkilometern anstrebten) praktisch an jeder Ampel halten. Und vom Rotkreuzplatz durch die Nymphenburger Straße und die Brienner Straße bis zum Odeonsplatz kamen beide Tempo-Gruppen auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von lediglich 12,5 Stundenkilometern. "Das sagt alles", findet Hänsel. In der Lindwurmstraße hemmten zudem "zahlreiche gefährliche Situationen, etwa durch Fußgänger oder Lieferanten" das rasche Vorankommen.

Zehn von zwölf Ampeln zeigen rot

Spitzenreiter bei den roten Ampeln übrigens war eine Strecke vom Fasangarten kommend über Balanstraße und Rosenheimer Straße zum Isartor. Dort zeigten im Schnitt zehn der zwölf Anlagen (also 83 Prozent) rot, wenn die Tester heranfuhren - und auch das war unabhängig von der Wunschgeschwindigkeit.

Wenn es nach Hänsel ginge, dann müsste die Stadt möglichst rasch und am besten flächendeckend die "grüne Welle" für Radler einführen, am besten bei Tempo 20. So wie es Kopenhagen vor Jahren bereits gemacht hat und Berlin seit kurzem auf einer 700 Meter langen Teststrecke in einer kleinen Nebenstraße zumindest ausprobiert. Zudem könnten Tüftler eine Smartphone-App entwickeln, um den Radlern ein flüssigeres Vorankommen zu ermöglichen. Eine grüne Welle für Radler dürfte aber auf Widerstand vieler Autofahrer sowie zahlreicher Politiker im Stadtrat stoßen: Denn die beklagen sich bereits seit Jahren darüber, dass die grüne Welle für den Kfz-Verkehr schon nicht funktioniere.

Um dennoch den Radverkehr zu fördern, regen BN-Mann Hänsel und seine Mitstreiter den Bau von "Radschnellwegen" an. Auf diesen breiten Trassen könnten schnellere Radler dann die langsameren Fahrer gefahrlos überholen - und sich so zumindest ein bisschen ihrer "Wunschgeschwindigkeit" annähern. Ähnlich argumentiert seit Jahren der Radfahrerklub ADFC, der solche Radschnellwege nicht nur entlang der innerstädtischen Hauptrouten ausweisen möchte, sondern solche Schnellwege insbesondere auch ins Münchner Umland hinaus ausbauen will. Die Grünen hatten im Kommunalwahlkampf explizit mit dem Bau solcher "Radler-Autobahnen" geworben. Ob dies allerdings in der nun angestrebten Dreier-Koalition im Münchner Rathaus zusammen mit SPD und CSU kommen wird, ist derzeit noch offen.

Kombination von Rad- und Fußgängerampeln?

Ganz wichtig aus Sicht des Bund Naturschutz ist zudem ein Rückbau der sogenannten "Kombi-Ampeln" an den wichtigsten Radrouten. Vor Jahren hatte die Stadt eine Offensive gestartet und an zahlreichen Ampelanlagen die kleinen Radfahrerampeln an den Masten entfernt. Stattdessen wurden die Fußgängerampeln mit Kombi-Gläsern ausgestattet. Seither zeigt die Ampel Rot und Grün für Fußgänger und Radler gemeinsam an. Das wiederum benachteilige die Radfahrer, sagt Hänsel: Denn geschaltet würden die Kombi-Ampeln nach den Fußgänger-Richtlinien. Und das bedeutet: Weil Fußgänger mehr Zeit benötigen, um eine Straße zu überqueren, schaltet die Ampel früher wieder auf Rot als sie dies alleine als Radlerampel tun würde.

Am Ende müssten sich die Radler so über "extrem kurze Grünphasen ärgern", meint Hänsel. Und: Weil kein gelbes Zwischensignal mehr für die Radfahrer angezeigt wird, komme es immer wieder zu gefährlichen Situationen - etwa weil die Ampel plötzlich auf Rot springt und ein Radler - in zügiger Fahrt unterwegs - dann entscheidet, besser doch noch über die Kreuzung zu rollen als eine gefährliche Vollbremsung hinzulegen.

Außerdem fordert der BN, Tempo 30 auch auf größeren Straßen in der Innenstadt auszuweiten. "Wo Radfahrer und Autos zusammentreffen, gleicht Tempo 30 die Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer aneinander an", argumentiert Hänsel. "Das trägt zu einer deutlichen Steigerung der Sicherheit der Radfahrer bei." Bislang allerdings hatten sich vor allem SPD, CSU, FDP und Freie Wähler im Stadtrat stets gegen solche Pläne gestemmt. Vor allem SPD-Räte befürchten, dass bei einer Änderung die Autofahrer von den Hauptstraßen in die Wohngebiete ausweichen werden, in denen bereits Tempo 30 gilt.

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