Süddeutsche Zeitung

Amoklauf am OEZ:Drei Familien, drei tote Kinder

Sie haben bei dem Amoklauf in München jeweils ein Kind verloren - und wünschen sich nun eine Beerdigung in ihrer Heimat im Kosovo. Das Rote Kreuz bittet um Spenden.

Von Katharina Blum

"Armela - Unsere geliebte Tochter, Schwester, Freundin und in erster Linie ein geliebter Mensch ist heute durch den Amoklauf in München ums Leben gekommen. Wir lieben dich, Engel ❤️

Armela - Vajza, motra dhe shoqja jon e dashur ndrroj jet. Faleminderit per shpresat dhe ndihmen dhe mbeshtetjen. Gjithmone ne Zemer ❤️"

Zwei Herzchen in einer Traueranzeige auf Facebook, die in deutscher und albanischer Sprache verfasst ist. Der Münchner Arbnor S. trauert um "die Person, die mir am meisten am Herzen lag", wie er dem Bayerischen Rundfunk erzählt hat. Er trauert um seine Schwester Armela.

In den Tagen nach dem Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum beschäftigen sich viele Menschen mit dem Täter, dem Münchner Schüler David S., der am Freitagabend neun Menschen und sich selbst tötete. Warum hat er das getan? Warum interessierte er sich so für Amokläufe, besonders für den in Winnenden? Seine Waffe soll er sich im Darknet bestellt haben, eine reaktivierte Theaterwaffe.

Arbnor S. sagt, ihm sei das egal. Ihm geht es um die Opfer. Das waren fast ausschließlich junge Menschen: Drei waren 14 Jahre alt, zwei 15 Jahre alt, weitere Todesopfer waren 17, 19 und 20 Jahre, eine Tote war 45 Jahre alt.

Großes Leid fügte David S. drei Familien aus dem Kosovo zu, die jeweils ein Kind verloren. Darunter die von Arbnor S. Hier offenbare sich "die ganze Tragik des Münchner Amoklaufes", schreibt das Münchner Rote Kreuz in einem Spendenaufruf.

Die drei Familien wünschen sich nach Angaben der Hilfsorganisation nun, dass die Getöteten in der Heimat begraben werden. Dieser Wunsch scheitere aber daran, dass "die Überführungskosten die finanziellen Möglichkeiten der Familien bei Weitem überfordern". Das Bayerische Rote Kreuz sammelt deshalb nun Spenden.

Auch die Facebook-Seite "Kosova News" sucht nach Unterstützern, mit deren Hilfe Dijamant Z. nach Hause in den Kosovo überführt werden kann. Auch der 20-Jährige ist ein Opfer des Amoklaufes. Sein Vater Naim Z. brachte am Samstag ein Foto zum OEZ, zusammen mit einem Strauß roter Rosen. Es ist das Bild eines jungen Mannes, der freundlich in die Kamera lächelt.

Mit einem Freund hatte sich Dijamant Z., der eine Ausbildung am Flughafen absolvierte, am OEZ verabredet, gemeinsam saßen sie draußen, tranken eine Limo, wie der Vater der Welt erzählte. Bis David S. kam. "Sein Freund ist weggelaufen, meinen Sohn hat er getötet", sagt der Vater. Um vier Uhr morgens sollen ihm Polizisten die schreckliche Nachricht überbracht haben.

Um diese Zeit war Arbnor S. noch immer auf der Suche nach seiner Schwester Armela. Freunde hatten ihn am Freitagabend bei WhatsApp und per SMS davor gewarnt, ins Einkaufszentrum zu fahren. Doch er wusste, dass seine kleine Schwester dort war - und hatte panische Angst, wie er dem Bayerischen Rundfunk erzählte. Also fuhr Arbnor S. hin, suchte sie, in den Straßen, in allen Krankenhäusern. Als er um Mitternacht immer noch nichts über ihren Verbleib wusste, bat er bei Facebook um Hilfe.

"Da wusste ich, was Sache ist"

"Hey Leute", schrieb er dort. "Meine Schwester ARMELA war heute im OEZ. Seit dem Amoklauf haben wir nichts von ihr gehört. Wir wissen nur dass sie sich bis jetzt in keinem Krankenhaus / Kinderklinik befindet. (...) Wenn ihr irgendwelche Informationen habt oder helfen könnt bitte ich euch uns zu helfen. Bitte teilt das für Sie. Ich danke euch."

Um sechs Uhr morgens erhielt Arbnor S. auf dem Polizeirevier in Moosach die vermeintlich positive Nachricht: Seine Schwester stehe nicht auf der Todesliste. Fünf Minuten später dann der Anruf vom Vater, er solle nach Hause kommen, weil "die jetzt da sind". Als er vor dem Haus stand, erzählt Arbnor S. im Beitrag des BR, hörte er, wie oben seine Mutter schrie. "Da wusste ich, was Sache ist."

Seit Sonntagmorgen ziert Arbnor S.' Facebook-Profilbild ein schwarzer Hintergrund mit weißer Schrift: 16.05.2002 - 22.07.2016.

Spendenaktion des BRK

BRK-Kreisverband Muenchen

Kreissparkasse

BIC: BYLADEM1KMS IBAN: DE82702501500000088880

oder Konto: 88 880 BLZ: 702 501 50

Stichwort: Amoklauf München

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