Amok-Drohung:"Ein Spaß, der keiner ist"

Nach dem Amoklauf in Winnenden nimmt die Polizei auch in München zwei jugendliche Trittbrettfahrer fest.

Christina Warta und Monika Maier-Albang

Im Schulzentrum an der Peslmüllerstraße in Pasing kam es am Freitagmittag zu einem großen Polizeieinsatz: Ein Trittbrettfahrer hatte nach dem Amoklauf in Winnenden in einem Brief angekündigt, ähnliches in seiner alten Schule verüben zu wollen.

Amok-Drohung: Ein Einschussloch in der Nähe des Autohauses, in dem der Amokläufer Tim K. am Mittwoch zwei Menschen erschossen hat - Jugendliche drohten nun mit N

Ein Einschussloch in der Nähe des Autohauses, in dem der Amokläufer Tim K. am Mittwoch zwei Menschen erschossen hat - Jugendliche drohten nun mit N

(Foto: Foto: ddp)

Für die Polizei sind Nachahmer solcher Taten ein bekanntes Problem. Meist ist es schlicht Geltungsdrang, der Trittbrettfahrer dazu treibt, sich auf Kosten anderer einen üblen Scherz zu erlauben, sagt Hans Peter Schmalzl, stellvertretender Leiter des Zentralen Psychologischen Dienstes der Bayerischen Polizei.

"Vom Ruhm etwas mitnehmen"

Manche Jugendliche seien von dem Medienrummel um den Amoklauf fasziniert und wollten nun von dem vermeintlichen "Ruhm" und dem tatsächlichen Aufsehen, das der Täter erregt, "etwas für sich mitnehmen". Je mehr über eine Trittbrett-Aktion berichtet wird, umso größer ist allerdings die Gefahr, dass sich an den einen Trittbrettfahrer der nächste Nachahmer anhängt. Eine Spirale, die es in ähnlicher Form auch bei Suizid-Fällen gibt, weshalb viele Zeitungen dazu übergegangen sind, über Suizide gar nicht mehr zu berichten.

Andere Trittbrettfahrer handelten einfach gedankenlos, sagt Schmalzl. "Sie verstehen das als Spaß und wollen einen Streich spielen." Ein Streich, der für den Jugendlichen teuer werden kann. Denn die Polizei versucht, die Kosten für den Einsatz einzutreiben. Und egal, wie die Motivlage eines Trittbrettfahrers aussieht: Die scherzhafte Drohung wertet der Gesetzgeber als Straftat. "Schließlich verbreitet hier jemand Angst und Schrecken", sagt Schmalzl.

Eine solche Drohung kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden. 2007 hat das Münchner Amtsgericht einen 23-Jährigen, der einen Amoklauf an einer nicht näher bestimmten Realschule angekündigt hatte, zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Außerdem musste er die Kosten für den Einsatz von 1500 Polizisten an 38 Realschulen übernehmen: Der Einsatz kostete 1,8 Millionen Euro.

Der Münchner Trittbrettfahrer vom Freitag hatte angekündigt, er wolle an seine alte Schule gehen, "um dort zu grillen". Weil im Schulzentrum außerdem ein Schüler jemanden mit dunkler Mütze und einem silberfarbenen Gegenstand sah und ein anderer Schüler im Umfeld der Schule eine Patrone fand, durchsuchte die Polizei alle Räume, die Schüler wurden anschließend nach Hause geschickt. Als Briefeschreiber nahm die Polizei zwei 16 Jahre alte Jungen fest, die sich, so Polizeisprecher Wolfgang Wenger, einen Spaß machen wollten.

Polizei schnell vor Ort

Die beiden 16-Jährigen hatten in ihrem Brief dieselben Worte gewählt, die auch nach dem Amoklauf von Winnenden in einem gefälschten Chat-Beitrag im Internet aufgetaucht waren. "Die Kooperation zwischen Schule und Polizei hat gut funktioniert, wir waren schnell vor Ort", so Wenger. Über Lautsprecher wurden die Lehrer aufgefordert, die Türen der Klassenzimmer abzuschließen. Gegen 11.30 Uhr durchsuchte die Polizei die Grund- und die Hauptschule sowie das Gymnasium, die zum Schulzentrum gehören. Sie fand aber keinen Verdächtigen. "Es gab auch keine Evakuierung", sagt Wenger.

Anschließend wurde der Unterricht für beendet erklärt und die geschockten Schüler nach Hause geschickt. Vor den weiträumigen Absperrungen warteten bereits besorgte Eltern, die von der Polizeiaktion erfahren hatten. Die Briefeschreiber stammen aus München, einer von ihnen wohnt außerhalb des Elternhauses und wird pädagogisch betreut. Die Polizei vernahm die Jugendlichen noch am Nachmittag und fand keine Anhaltspunkte dafür, dass sie tatsächlich einen Amoklauf geplant hatten. "Die beiden haben es als Spaß begriffen", erklärte Wenger, "jetzt erst wurde ihnen bewusst, dass es keiner ist."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: