Amateurderby in München:Blaue gegen Rote, Rote gegen Blaue

Regionalliga-Derby TSV 1860 München II - FC Bayern München II, 2013

Regionalliga-Derby 2013: Berittene Polizisten versuchen, die rivalisierenden Fangruppen rund um das Stadion zu trennen.

(Foto: Claus Schunk)

Mehr als 12 000 Zuschauer in einem ausverkauften Grünwalder Stadion - und Hunderte gewaltbereite Fans: Das Viertliga-Derby zwischen den Amateurmannschaften von TSV 1860 und FC Bayern München stellt Polizei und Anwohner vor Probleme.

Von Florian Fuchs, Christoph Leischwitz und Tilman Schröter

Wer Alois Kellinger so ansieht, könnte meinen, dass dieser Mann vor Ärger eigentlich nicht zurückschreckt. Massiger Körper, Schnauzbart, Hausmeister von Beruf. Mit so einem Kerl legen sich halbstarke Fußballfans lieber nicht an. Und doch wird es am heutigen Dienstag Kellinger sein, der flüchtet. Der Mann betreut von Berufs wegen den Wohnblock an der Ecke Grünwalder Straße und Tegernseer Landstraße, direkt gegenüber vom Grünwalder Stadion. Gerade mäht er den Rasen, als die Sprache auf das Derby zwischen den Amateuren des TSV 1860 und des FC Bayern München am Dienstagabend kommt, unterbricht er seine Arbeit kurz. "Mit Sport hat das alles nichts mehr zu tun", schimpft er. "Letztes Jahr haben die hier Böller rumgeworfen oder in die Küchenlüftungen gesteckt. Teilweise wurde in die Wohnanlagen gepinkelt." Kellinger hat deshalb die Schnauze voll von Fußball: Dienstagabend haut er ab, in seinen Schrebergarten.

Auch andere genervte Anwohner wollen es dem Hausmeister gleichtun: In Giesing wird schon lange vor dem Anstoß um 19.45 Uhr wieder Ausnahmezustand herrschen. Blaue gegen Rote, Rote gegen Blaue, für die Anhänger der Münchner Stadtrivalen ist das kleine Derby der zweiten Mannschaften so etwas wie eine Ersatzdroge, wo die Profis der Vereine doch seit langem in verschiedenen Ligen spielen - und direkte Duelle damit entfallen. Während sich die meisten Anhänger auf das mit 12 260 Zuschauern ausverkaufte Spiel freuen, weil sie das Grünwalder Stadion dem von ihnen verachteten Kommerztempel Allianz-Arena vorziehen und die "echte Fußballstimmung" genießen wollen, nutzen einige gewaltbereite Ultras die Partie seit Jahren als Plattform für ihre Auswüchse. Die Polizei und die Vereine stufen das Viertligaspiel, das diesmal sogar live im Sportfernsehen übertragen wird, als Risikopartie ein - und haben die Strategie nach Kritik an den vergangenen Derbys angepasst.

Bei der Partie im November 2013 etwa bewarfen erst Löwenfans den Bus der Bayernspieler mit Bierflaschen. Im Stadion brannten dann Dutzende bengalische Feuer ab, nach dem 2:1-Sieg der Löwen kam es kurz vor Mitternacht noch zu einer Massenschlägerei an der Trambahn-Haltestelle Fraunhoferstraße: 50 Rote gegen 30 Blaue. Am Eingang an der Westkurve herrschten vor der Partie chaotische Zustände. Die Polizei ließ hinterher verlauten, dass Ultras Absperrungen überspringen wollten, um unerlaubte Gegenstände ins Stadion zu bringen. Fanvertreter kritisierten, dass nur zwei Tore geöffnet waren, die Einlasskontrollen deshalb zu langsam vonstattengingen und fast eine Massenpanik ausgebrochen wäre.

Wolfgang Wenger erinnert sich an die Szenen aus dem November noch gut, der Sprecher der Münchner Polizei sitzt in seinem Büro und betrachtet den mehrere Seiten dicken Einsatzbefehl, den das Präsidium für die Partie ausgearbeitet hat. 400 Polizisten werden diesmal im Einsatz sein. Zum Vergleich: Bei einer normalen Partie des FC Bayern in der Allianz-Arena reichen auch schon mal 250 Beamte aus. "Man muss sich mal vergegenwärtigen, was eine Viertligapartie für uns an Aufwand bedeutet", sagt Wenger und schüttelt den Kopf. Für die Polizei ist die Partie auch deshalb so schwierig zu betreuen, weil das Stadion mitten in der Stadt liegt, direkt neben dem Mittleren Ring. "Absperrungen, Fantrennung, das ist alles viel leichter in der Allianz-Arena, da haben wir eine riesige Esplanade vor dem Stadion. Rund um das Grünwalder ist alles eng." Eine Diskussion um eine Beteiligung der Vereine an den Kosten, wie sie gerade für die Bundesliga geführt wird, will die Polizei in München aber trotz des Aufwands nicht lostreten. "Die öffentliche Sicherheit ist Aufgabe der Polizei", sagt Wenger.

Extra Einlässe für Familien

Amateurderby in München: Berittene Polizisten versuchen 2013 bei einem Derby, die rivalisierenden Fangruppen rund um das Stadion auseinanderzuhalten.

Berittene Polizisten versuchen 2013 bei einem Derby, die rivalisierenden Fangruppen rund um das Stadion auseinanderzuhalten.

(Foto: Claus Schunk)

Um Szenen wie vor der Westkurve im vergangenen Jahr zu verhindern, wird es in Absprache mit der Polizei nun 17 Stellen für Einlasskontrollen geben. "Wir werden sogar extra Einlässe für Familien haben, um noch mehr Sicherheit zu bieten", kündigt Wenger an. "Es ist aber halt nicht so, dass nur friedliche Fans kommen und sich friedlich anstellen." Auch 1860 stockt offenbar auf: Um gefährliches Gedränge an den Eingängen zu verhindern und das Einschmuggeln von Feuerwerkskörpern zu erschweren, heißt es aus dem Umfeld, sollen diesmal bis zu 150 Ordner mehr im Einsatz sein als beim Derby der vergangenen Saison - demnach wären es insgesamt etwa 380. Der Verein hat an diesem Dienstag das Heimrecht. In der jüngeren Vergangenheit mussten die Löwen immer wieder empfindliche Strafen zahlen, weil Fans gegen Sicherheitsauflagen verstoßen hatten.

Überhaupt herrscht bei allen Beteiligten die Meinung vor, dass ein 1860-Heimspiel mehr Gefahr birgt als ein Bayern-Heimspiel. Ein Grund dafür ist offenbar recht simpel: "Es sind mehr Sechzig-Fans als Bayern-Fans im Stadion", sagt ein Organisator, der mit beiden Fanlagern seine Erfahrungen gemacht hat. Seiner Ansicht nach hätten die Fanbeauftragten beim FC Bayern ihre Leute besser im Griff. Doch Sechzig-Fans sind nicht generell gewaltbereiter, bei ihnen steht nur weniger auf dem Spiel. Sollte zum Beispiel gegen einen Bayern-Fan ein generelles Stadionverbot ausgesprochen werden, hätte er wegen der personalisierten Jahreskarten kaum noch eine Chance, ein Spiel der Profis in der Fröttmaninger Arena zu sehen. Sollte hingegen ein Sechzig-Fan mit einem Stadionverbot bedacht werden, lässt er sich einen Bart wachsen und kauft sich für ein Zweitliga-Heimspiel einfach eine Tageskarte.

Die Polizei rechnet mit ein paar Hundert gewaltbereiten Anhängern pro Verein. Wahrscheinlich werden einige Ultras auch wieder vor dem Anstoß durch die Stadt ziehen, die genauen Pläne halten sie vor den Sicherheitsbehörden geheim. Beim vergangenen Mal trafen sich 500 Bayernfans am Nockherberg und marschierten mit Fackeln zum Grünwalder Stadion. 300 Löwen-Anhänger versammelten sich am Wettersteinplatz, um dann zum Spielort zu pilgern. Um unschöne Szenen zu vermeiden, haben am Montag die "Freunde des Sechz'ger Stadions" an die Fans appelliert, friedlich zu bleiben. Die Vertreter des Zusammenschlusses kämpfen um den Erhalt des Standorts - und warnen, dass Politiker und Sicherheitsbehörden sonst gute Argumente an der Hand hätten, um solche Spiele künftig ganz zu verbieten. Einige Anwohner würden sich sicherlich freuen.

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