Süddeutsche Zeitung

Am Rand der Sicherheitskonferenz:Politischer Besuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau

  • US-Vizepräsident Mike Pence hat am Rand der Sicherheitskonferenz in München die KZ-Gedenkstätte Dachau besucht.
  • Zweieinhalb Stunden nimmt er sich Zeit, besonders das Gespräch mit dem Holocaust-Überlebenden Abba Naor hat es ihm angetan.
  • Naor äußert eine große Bitte an Pence: Er solle in Israel Frieden schließen und auf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einwirken.

Von Daniela Gorgs, Dachau

Der Nebel hängt noch über Dachau, als US-Vizepräsident Mike Pence am Sonntagvormittag zum Abschluss seiner Deutschlandreise die KZ-Gedenkstätte besucht. Der Politiker kommt privat, zusammen mit seiner Frau Karen und seiner ältesten Tochter Charlotte. Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller, begrüßt die Familie und einen Tross von Bodyguards am Jourhaus, dem historischen Eingang des ehemaligen Konzentrationslagers.

Seine Rede über die Geschichte dieses Ortes endet mit einer eindringlichen Bitte an den Vizepräsidenten, er möge sich in besonderer Weise dafür einsetzen, dass "unsere Welt wieder friedlicher" werde. Er möge helfen, dass nie mehr wieder unschuldige Menschen Hass, Leid und Mord ausgesetzt sind. "Wir hoffen auf Sie." Mike Pence drückt ihm im Anschluss lange die Hand.

Im Gespräch mit dem US-Vizepräsidenten unterstreicht Freller die historische Bedeutung, die von Dachau ausgehe: In Deutschland zeige wohl kein anderer Ort besser auf, wie wichtig das couragierte Eintreten der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg gegen Nazi-Deutschland war. Freller zeigt sich positiv überrascht von dem Besucher, der "informiert und interessiert" zu dem Gedenkort gekommen sei und sich zweieinhalb Stunden Zeit nimmt, um sich das Grauen erläutern zu lassen, das Dachau schreckliche Berühmtheit gebracht hat. Ohne Zeitdruck besichtigt der US-Vize Museum, Baracken und Krematorium und zeigt dabei große Anteilnahme.

Mike Pence war im Jahr 1967, zwei Jahre nach der Eröffnung der Gedenkstätte, schon einmal privat hier gewesen. Von der heutigen Gestaltung dieses Gedenkortes zeigt er sich sehr beeindruckt. Bei Freller erkundigt er sich nach den Besucherzahlen und staunt, dass auch viele Schulen täglich diesen Lernort besichtigen. Der Holocaust-Überlebende Abba Naor und Gedenkstätten-Leiterin Gabriele Hammermann führen die Familie durch das Museum, über den Appellplatz, in eine rekonstruierte Baracke, zum Krematorium, zur jüdischen Gedenkstätte und den Kapellen. Immer wieder greift Mike Pence nach der Hand von Abba Naor, 89, und bittet ihn zu erzählen, wie es damals war, im Lager zu leben.

Und weil Abba Naor ein Erzähler ist, schildert er dem Vizepräsidenten, was dieser wissen will. Er erklärt das System der Dachauer Außenlager, berichtet vom Leben in der Gefangenschaft und wie er für die Nazis schuften musste. Der Rundgang mit der Familie sei sehr ungezwungen gewesen, so dass auch Abba Naor es wagt, ebenfalls eine Bitte an den Vizepräsidenten zu richten. "Ich habe ihm gesagt, er soll in Israel Frieden schließen und auf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einwirken. "Er hat genickt", berichtet Abba Naor.

Hand in Hand gehen Mike Pence und seine Frau Karen den Weg hinunter zum internationalen Mahnmal, wo sie einen Kranz für die NS-Opfer niederlegen. Begleitet von der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, besucht die Familie Pence die jüdische Gedenkstätte. Im Anschluss nimmt sie an einem Gottesdienst in der evangelischen Kirche der Gedenkstätte teil. Die Gottesdienstbesucher, die wie gewohnt zum Gottesdienst kommen, nehmen die Durchsuchung ihrer Mäntel und Taschen gelassen hin und feiern dann eine Stunde im kleinen Kreis den Gottesdienst, den Kirchenrat Björn Mensing und Diakon Klaus Schultz auf Englisch und Deutsch halten.

Am Ende seines Besuches begrüßt der Vizepräsident einen weiteren Überlebenden, Ernst Grube, der seine Kindheit im KZ Theresienstadt in Tschechien verbracht hatte. "Theresienstadt?", fragt Karen Pence interessiert und plaudert kurz mit Grube. In der Gedenkstätte Theresienstadt ist die Familie Pence auch schon gewesen. Aus Sicht der Polizei ist der Rundgang mit Mike Pence völlig komplikationslos abgelaufen. Nicht allen jedoch gefällt der Besuch. Vor dem Gelände halten etwa 30 Dachauer Bürger eine Mahnwache ab. Wie die Veranstalter mitteilen, haben sie ein Zeichen der Solidarität mit jenen setzen wollen, die von der neuen US-Regierung diskriminiert werden.

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SZ vom 20.02.2017/imei
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