Am Neujahrsmorgen:Tod an der Ampel

22-jähriger Unfallfahrer nimmt Berufung gegen Hafturteil zurück

Wenn sie allein ist, sei sie nicht mehr die "starke Frau", deren Familie nichts von ihrem Schmerz merken soll, sagt Hoa S. (Name geändert). Sie gehe dann in das Zimmer ihrer Tochter und "weine alleine". Hoa S., 57, hat am Neujahrsmorgen 2016 ihre Tochter verloren. Die 17-Jährige wurde an der Kreuzung Münchner Straße/Alte Münchner Straße in Unterföhring getötet. Es war gegen 5 Uhr. Die 17-Jährige kam von einer Silvesterparty. Nach dem Abitur habe ihre Tochter vorgehabt, in die USA zu gehen und dort Mode-Design zu lernen, berichtet ihre Mutter am Dienstag vor der 18. Strafkammer am Landgericht München I. Gleich links von Hoa S. sitzt Dominik B. auf der Anklagebank. Er atmet schwer und hält sich mitunter die linke Hand vor die Augen. Er wird beschuldigt, die 17-jährige Schülerin fahrlässig getötet zu haben.

Auch Dominik B., 22, war an Silvester auf einer Party in Unterföhring gewesen, wo genau, weiß er angeblich nicht mehr. Er sei zu betrunken gewesen. Trotzdem hatte er sich am frühen Morgen an das Steuer seines BMW gesetzt und ist losgefahren. An der Kreuzung Münchner/Alte Münchner Straße hielt er bei Rot an. Als er Grün hatte, ließ er Zeugen zufolge den Motor seines BMW aufheulen. Die Straße war nass. Dominik B. gab zu viel Gas. Dadurch brach das Heck seines Wagens nach rechts aus. Der BMW wurde nach links geschleudert und schlitterte auf die Gegenfahrbahn. Dort prallte er mit der Fahrzeugfront gegen einen Ampelmast. Genau an der Stelle, an der die Schülerin stand. Der Mast brach um. Die 17-Jährige wurde von herabfallenden Teilen so schwer am Kopf getroffen, dass sie noch an der Unfallstelle starb.

Ein Jahr und neun Monate Haft hatte das Amtsgericht München gegen Dominik H. in erster Instanz verhängt. Gegen diese Entscheidung legte der 22-Jährige am Dienstag Berufung ein. Ebenso die Staatsanwaltschaft. Sie hatte vor dem Amtsgericht drei Jahre Haft gefordert.

Dominik B. sagte, wie auch schon im erster Verfahren, dass er "nur einzelne Bilder" in Erinnerung habe. Was von Mitternacht an geschehen sei, wisse er nicht mehr. Eigentlich habe er bei seinem Freund, wo die Feier stattfand, schlafen wollen. Es habe aber Streit gegeben. Deshalb habe er sich in sein Auto gesetzt, sagte B., der bei seiner Vernehmung völlig abwesend wirkt. Sein Gesicht ist gerötet. Die Hände hat er gefaltet. Nach dem Unfall hatte sich der 22-Jährige freiwillig in das Isar-Amper-Klinikum nach Haar bringen lassen. Am Nachmittag des 1. Januars sei er auf einer Terrasse gesessen und habe "versucht an das Ganze zu denken".

Auf der Silvesterparty hätten alle Gäste sicherheitshalber ihre Autoschlüssel abgegeben. Als er die Party verlassen habe, sei er von anderen Gästen gewarnt worden, er sei doch zu betrunken, um Auto fahren zu können, so B. Das wisse er vom Hörensagen. Doch er soll gesagt haben, er wolle nur seine Bettsachen aus seinem Wagen holen. Das Gericht hatte nur von einem Zeugen, der mit auf der Party dabei war, die Adresse. Dominik B. hatte sie am Dienstag eher beiläufig genannt. Wenn dieser Zeuge bestätigen könne, dass er sich unter einem Vorwand seinen Autoschlüssel habe geben lassen, in Wirklichkeit aber den Entschluss gefasst hatte, wegzufahren, dann gehe das Verfahren mit Blick auf das Strafmaß für ihn "schlechter aus", warnte Richterin Renate Baßler den Angeklagten. Dominik B. beriet sich daraufhin mit seinem Verteidiger vor dem Gerichtssaal. Als er wieder hereinkam, nahm er seine Berufung zurück. Auch die Staatsanwaltschaft stimmte dem zu. Vielleicht helfe ihm die Haft, mit der Tat zurecht zukommen, sagte die Vorsitzende zu Dominik B.

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