Am Hart:Das große Hallen-Hopping

Langer Unterricht, kurze Freizeit, hartes Training: Dem Hockey zuliebe nehmen Schülerinnen und Schüler in den Sportleistungsklassen des Gymnasiums München-Nord Entbehrungen in Kauf - mit großem Erfolg

Von Elena Eggert, Am Hart

Wenn Moritz Rappel morgens vor der Sporthalle auf seine Klassenkameraden wartet, steht neben ihm ein Koffer, in dem er fast selbst Platz hätte. Das Ungetüm auf Rollen ist gefüllt mit der persönlichen Hockeyausrüstung des 14-Jährigen: Brust-, Arm- und Handschutz, Schienen für die Beine, gepolsterte Hosen und ein Helm. Moritz schützt fast jeden Zentimeter seines Körpers und das ist auch nötig, denn er muss die harten Hockeybälle aufhalten können. Moritz ist Torhüter der Schulhockeymannschaft des Gymnasiums München-Nord, und während der reguläre Unterricht um 8.10 Uhr beginnt, laufen Moritz und seine Mitschüler aus der Leistungssportklasse durch die Sporthalle, üben Pässe und schießen Tore. Bereits seit der ersten Klasse spielt Moritz Hockey. Früher war auch Fußball ein Hobby des Achtklässlers, aber das habe ihn irgendwann nicht mehr interessiert, erklärt er.

Am Hart: Pässe üben, Tore schießen heißt es hier.

Pässe üben, Tore schießen heißt es hier.

(Foto: Catherina Hess)

Drei- bis viermal die Woche pendeln die Schüler und Trainer der "Eliteschule des Sports" quer durch das Stadtgebiet: von der Halle des ESV-München in Laim über die Allacher-Halle im Nord-Westen und die Werner-von-Linde-Halle im Olympiapark bis hin zur Halle des ESV-Freiham, die dem Gymnasium noch am nächsten ist. Besonders attraktiv ist diese Halle für ein Team, das auf Landes- und Bundesebene spielt, aber nicht. Die Größe der Halle lässt zu wünschen übrig, und auch die Zeit ist knapp bemessen. Das morgendliche Training dauert 90 Minuten und keine Minute länger, denn die Seniorensportgruppe, die als nächstes die Halle belegt, ist immer pünktlich. Der Transfer zurück zur Schule ist zeitaufwendig und nur mit Sammeltaxis möglich.

Am Hart: Auch beim Training sind die Mädchen des Hockey-Teams konzentriert bei der Sache.

Auch beim Training sind die Mädchen des Hockey-Teams konzentriert bei der Sache.

(Foto: Catherina Hess)

Erst nach dem Schultraining beginnen die 25 Hockeyspielerinnen und -Spieler des Gymnasiums München-Nord ihren eigentlichen Schultag. Der Unterricht zieht sich damit länger in den Nachmittag. "Mittags bin ich schon immer sehr müde", erzählt Lukas Garmstätter. Auch er spielt bereits seit der Grundschule Hockey und besucht die Leistungssportklasse der neunten Jahrgangsstufe. Im Sommer 2018 ist Lukas eigens für seinen Sport auf das Gymnasium gewechselt. Denn die Leistungssportklasse bietet ein leistungsorientiertes Training für verschiedene Sportarten, wie Fußball, Judo, Schwimmen oder eben Hockey.

Am Hart: In der Halle des ESV Freimann wird fleißig trainiert.

In der Halle des ESV Freimann wird fleißig trainiert.

(Foto: Catherina Hess)

Der längere Schultag, das frühe Aufstehen und das intensive Training waren anfangs eine große Umstellung für Lukas. "Die Schüler müssen erst lernen, sich zu organisieren", bestätigt Hermann Ellenbeck vom Bayerischen Hockeyverband, der die Jungen und Mädchen trainiert. Auch die schulischen Leistungen dürfen nicht zu kurz kommen. "Die Schulleitung kommt uns aber auch entgegen", sagt Lukas. Seine Hausaufgaben erledigt er während der zusätzlichen "Studienzeit", und unangemeldete Tests gibt es nicht.

Am Hart: Das harte Trainig zahlt sich häufig aus.

Das harte Trainig zahlt sich häufig aus.

(Foto: Catherina Hess)

Entgegen mancher Erwartungen sind die Hockeyteams des Gymnasiums sehr erfolgreich. Im September vergangenen Jahres waren die Schülerinnen und Schüler in Berlin. Mit weiß-blauer Flagge liefen sie im Olympiastadion ein und vertraten den Freistaat bei den Wettkämpfen "Jugend trainiert für Olympia". Das Team der Jungen setzte sich dabei gegen die Teams der anderen Bundesländer durch und belegte den ersten Platz. Zudem wurde die Mannschaft Anfang dieses Jahres von Bayerns Kultusminister Michael Piazolo zu einer von Bayerns besten Schulsportmannschaft ernannt. Das Team der Mädchen belegte den siebten Platz.

Allein dem Training in der Schule haben die jungen Sportler ihren Erfolg nicht zu verdanken. Hinter ihrem Können steckt harte Arbeit. Nachmittags trainieren die Jugendlichen noch drei bis viermal pro Woche in ihren Vereinen. Und auch das Wochenende widmen sie dem Sport. "Ich hätte das in dem Alter nicht gekonnt", gibt Sibylle Behringer zu. Die Lehrerin hat selbst lange Hockey gespielt und gehört zum Betreuerteam. Auch Lukas bestätigt, dass der Druck hoch ist. "Wer aus dem Kader fliegt, muss auch die Leistungssportklasse verlassen", sagt Behringer. Das klingt hart, aber Landestrainer Hermann Ellenbeck spricht nur von einem "formalen Druck". Da es immer mehr Bewerbungen als freie Plätze gibt, kann sich Ellenbeck die Spieler aussuchen. "Ich nehme keinen Schüler, bei dem ich mir nicht sicher wäre, dass er den Anforderungen gerecht wird", erklärt der Trainer. Und tatsächlich haben die Schüler mehr Angst davor, durch eine Verletzung längere Zeit auszufallen und dann die gewünschte Leistung nicht mehr bringen zu können. "Zum Glück", sagt Ellenbeck, "haben wir diesen Fall aber noch nie gehabt." Trotz des Druckes sind sich Lukas und seine Klassenkameraden einig: "Es macht einfach Spaß". Und ein Leben ohne den Sport könne er sich nicht mehr vorstellen.

Benita Hipp kann diesen Satz nur bestätigen. Zusammen mit zwei anderen Mädchen und 16 Jungen geht sie in die neunte Klasse. Dass die Mädchen in der Leistungssportklasse in der Minderheit sind, findet Benita aber nicht schlimm, eher sogar lustiger. Auch Benita hat eigens für das Hockeytraining die Schule gewechselt. Das Interesse am Sport begann für sie mit dem Kinderfilm "Hanni und Nanni". Denn in der deutschen Verfilmung der Bücher von Enid Blyton sind die Zwillingsschwestern eifrige Hockeyspielerinnen. Benita war begeistert und meldete sich zum Vereinstraining an. Das war vor sechs Jahren.

Ihre engsten Freunde sehen die Schüler jeden Tag, in ihrer Klasse und beim Vereinstraining. Freunde außerhalb des Sports sind rar. Neben dem Training bleibt aber auch nicht viel Zeit für Unternehmungen mit Freunden. Wozu auch, fragt sich Benita. "In meiner Freizeit ruhe ich mich lieber aus", erklärt die 14-Jährige. Verständlich, denn der Tag endet für die Schülerinnen und Schüler erst am Abend nach dem Vereinstraining, wenn dann nicht noch Hausaufgaben anstehen.

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