Süddeutsche Zeitung

München:Stadt investiert knapp 85 Millionen Euro in den Altstadtringtunnel

  • Der Altstadtringtunnel ist marode und entspricht nicht mehr den heutigen Sicherheitsvorschriften.
  • Unterirdisch soll er bis zum Jahr 2023 saniert werden, oberirdisch die Straßenführung für Autos und Fußgänger verbessert werden.
  • In den kommenden fünf Jahren ist das Areal damit eine von zahlreichen Großbaustellen in der Innenstadt.

Von Dominik Hutter

Viele Freunde hat sie nicht: die Röhre, die man "heute sicher nicht mehr als Neubau beschließen würde", wie Grünen-Stadtrat Herbert Danner anmerkt. "Schön wäre es, wenn wir den Altstadtringtunnel nicht bräuchten", findet auch Baureferentin Rosemarie Hingerl. Nur, und das steckt in ihrer Aussage gleich mit drin: München kommt ohne das von 1967 bis 1972 errichtete Betonloch nicht aus.

Weil sonst das Chaos losbräche. 60 000 Autos rollen täglich an Prinzregentenstraße und Oskar-von-Miller-Ring in die Tiefe. Sie würden sich zu den 35 000 Autos gesellen, die an der Oberfläche die Kreuzung zur Ludwigstraße passieren. Das wäre dann in etwa so, als würde in Sichtweite des Odeonsplatzes der Mittlere Ring vorbeiführen.

Diese Vorstellung behagt niemandem im Münchner Rathaus. Und so gab der Stadtrat am Dienstag die 84,7 Millionen Euro frei, die für Sanierung und Verschönerung des Altstadtringtunnels benötigt werden. Aussitzen kann man die Arbeiten nicht mehr. Denn die Röhre verstößt gegen moderne Sicherheitsstandards, sie ist zum Risikofaktor geworden. Wird nicht rasch gehandelt, so warnt Tiefbau-Chef Ralf Wulf, müsste sie "relativ kurzfristig für den Verkehr geschlossen werden".

Die Arbeiten sind so teuer, weil Hingerl gleich noch etwas miterledigen will: Es gilt, die "Wunde im Stadtraum" - die überdimensionierte Westrampe am Oskar-von-Miller-Ring - zumindest ein wenig zu heilen. Und damit auch ein Defizit zu beseitigen, das vor allem Ortsunkundige verwirrt: Es ist unmöglich, von der Ludwigstraße auf den westlichen Altstadtring abzubiegen - weil das Hindernis Tunnelrampe fast bis zur Gabelsbergerstraße reicht. Die Autos müssen sich deshalb durch die Brienner Straße quälen.

Das soll künftig anders werden: Die Rampe wird steiler gemacht und damit verkürzt. Dann können die von der Ludwigstraße kommenden Autos an der Kreuzung zur Gabelsbergerstraße in den Altstadtring einfädeln. Zusätzlich steht die Umsetzung der seit Jahrzehnten diskutierten "Alternative 5" an. Hinter diesem planerischen Begriff, der aus einem alten Wettbewerb stammt, verbirgt sich die Aufhebung der Einbahnregelungen in der Gabelsberger-, Theresien- und südlichen Türkenstraße.

Künftig werden Fußgänger auch oberirdisch queren können

Was bedeutet, dass man künftig vom Altstadtring aus wahlweise in die Gabelsberger- oder Türkenstraße fahren kann, um die Maxvorstadt zu erreichen. Fußgänger sollen die Asphaltwüste künftig oberirdisch queren: Die Unterführung wird geschlossen, stattdessen gibt es Übergänge mit Ampeln - einen über den Oskar-von-Miller-Ring, einen über die Gabelsbergerstraße. Das erleichtert den Marsch von der Altstadt zum Pinakothekenviertel. Ob es ihn auch verschönert, ist umstritten.

Im Tunnel selbst werden unter anderem die Lüftung, die Brandmeldeanlage, die Notrufeinrichtungen und die Beleuchtung erneuert. Die wichtigste Veränderung ist der Einbau einer Mittelwand. Bislang sind die Fahrspuren nur durch einen Bordstein getrennt, die Röhre wirkt deshalb sehr großzügig. Im Brandfall entspricht dies nicht mehr der gültigen Norm: Gibt es eine Mittelwand, bleibt zumindest die Hälfte der Röhre rauchfrei und kann als Fluchtweg sowie Zufahrt für die Rettungskräfte dienen.

Damit die Trennungsmauer ihre volle Wirkung erreicht, muss sie auch auf die Ein- und Ausfahrtsrampen ausgedehnt werden. Mit der Folge, dass in Fahrtrichtung Friedensengel eine Spur wegfällt - die Wand braucht Platz. Die Behörden gehen aber davon aus, dass die verbleibende Fahrbahn ausreicht. Die Mittelwand hat noch einen weiteren Effekt: Sie soll die Tunneldecke mitstützen. Spannbetonkonstruktionen wie die im Altstadtring stehen seit längerem unter verschärfter Beobachtung. Zwar vermeldet das Baureferat: Keine Probleme, die nächsten 25 Jahre passt noch alles. Für die Zeit danach aber soll alles schon vorbereitet sein.

Die ersten Arbeiten beginnen schon bald

Gebaut wird voraussichtlich von Juli 2018 bis Mitte 2023, also parallel zu den Großbaustellen am Sendlinger-Tor-Platz, Thomas-Wimmer-Ring und Marienhof. Kleinere Vorarbeiten an einer Fuge am Oskar-von-Miller-Ring stehen bereits in diesem Jahr an. Für Autofahrer bietet die Tunnelkur das volle Programm: Die Röhre wird zeitweise komplett gesperrt, zeitweise fallen Spuren weg. An der Oberfläche entstehen für mehrere Jahre provisorische Fahrbahnen, damit an der Ampel zur Ludwigstraße nicht das ganz große Chaos ausbricht. Dennoch wird sich der Riesenstau nicht vermeiden lassen. Während der Tunnel-Vollsperrung rechnet das Baureferat mit "erheblichen Kapazitätsengpässen mit bis zu 60 Prozent Leistungsverlust".

Die Grünen nutzten am Dienstag die Gelegenheit, den Stadtrat an einen kürzlich erfolgten Beschluss zu erinnern: eine entschlossene Verkehrswende bis 2025. Dies sei nur glaubwürdig, wenn weitere Fahrspuren zugunsten von Radlern und Fußgängern wegfallen, forderte Danner. Die Stadtratsmehrheit folgte jedoch der Expertise des Kreisverwaltungsreferat. Die lautet: an dieser Stelle unmöglich.

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SZ vom 22.02.2017/vewo
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