Juho Saarinen weicht mit dem rechten Bein zurück, beugt es, dreht die rechte Schulter nach hinten, zieht den abgewinkelten rechten Arm nach unten zurück, bevor er ihn, "bamm", nach vorne schnellen lässt. Die Dolmetscherin am Fuß der Bühne hätte den Bewegungsablauf des Finnen gar nicht zu übersetzen brauchen. "Ich gebärde David als Steinschleuder." Der Großteil des Publikums in der ehemaligen Karmeliterkirche ist der Gebärdensprache mächtig, und für die Hörenden am Bühnenrand ist das Bild ebenfalls eindeutig. Saarinen eröffnet mit seiner Psalm-Performance am Samstag eine ungewöhnliche Ausstellung: "Expedition Bibel - Entdeckungsreise mit allen Sinnen", heißt sie und gefeiert wird dabei auch eine bundesweite Premiere: Erstmals werden die wichtigsten biblischen Text-Stellen der katholischen Sonntags-Evangelien, die in einem dreijährigen Zyklus gebündelt sind, in Gebärdensprache übersetzt und ins Internet gestellt.
"Wir vom Ordinariat der Erzdiözese München und Freising haben dafür einen sehr hohen fünfstelligen Betrag in die Hand genommen", erläutert später Anne Kunstmann, die den Bereich Menschen mit Behinderung leitet. "325 gebärdete" Evangelien sind das Ergebnis auf 1100 Minuten Videofilm, vier Jahre Arbeit. "Zäh und visionär" habe ihre Kollegin Angelika Sterr von der Gehörgeschädigten-Seelsorge es initiiert und vorangetrieben. Sterr hat auch die Bibel-Schau selbst konzipiert und mit dem Vorzeige-Projekt eröffnet.
Bis aus Trier und Bamberg sind am Wochenende Gruppen angereist, um das Ergebnis am Promenadeplatz zu feiern. Gebannt hängen viele der Gäste an den Händen von Kilian Knörzer, dem tauben Dolmetscher, als der auf der Bühne und später in einem Workshop, simultan für Hörende übersetzt, von der Herausforderung berichtet, die Bibelstellen in Gebärdensprache zu übersetzen. "Es gibt ja viele Bibel-Übersetzungen, wir haben alle verglichen und die genommen, die eine besonders visuelle Sprache haben, weil die ähnlich ist wie die Gebärdensprache." Sterr war es wichtig, dass die Umsetzung von einem "Muttersprachler" kommt, "weil er viel mehr Gefühl dafür hat". Zu finden sind die 300 Videos unter www.erzbistum-muenchen.de/Bibel-in-DGS.
Die Ausstellung an der Karmeliterstraße 2, die bis 5. Februar dauert, spricht auch weitere Sinne an: In einem Duft-Zelt lassen sich Gerüche aus biblischen Zeiten riechen, von Myrrhe bis "Tragakant", Hölzer, die in der Heiligen Schrift Erwähnung finden, soll man erfühlen, es gibt begleitende Vorträge und Workshops bei denen etwa biblische Speisen gekocht werden (Anmeldung und Programm unter www.erzbistum-muenchen.de/expeditionbibel).
Juho Saarinen arbeitet seit sieben Jahren bei der evangelischen Gehörlosenseelsorge in München. Als er seine Psalm-Performance beendet, brandet Beifall auf: Sämtliche Hände im Publikum fliegen nach oben und drehen sich begeistert nach links und rechts.