Süddeutsche Zeitung

Altstadt:Schwerer Abschied

Das kleine, blaue Info-Häuschen der "Aktion Münchner Fahrgäste" im Stachus-Untergeschoss wird abgebaut

Von Marco Völklein, Altstadt

"Große Trauer" habe ihn erfasst, sagt Andreas Nagel von der "Aktion Münchner Fahrgäste". Schließlich stecke "ganz viel Herzblut" in dem kleinen, blauen Info-Häuschen, das die Vereinigung im zweiten Untergeschoss unter dem Stachus betreibt. Seit 19 Jahren sind Ehrenamtliche dort anzutreffen, stehen für Fragen und Auskünfte zur Verfügung, verkaufen Tickets. Doch bald ist es damit vorbei: Am Montag, 22. Februar, wird der Info- Kiosk abgebaut.

Der Bereich des S-Bahn-Abgangs, auf dem das Häuschen steht, gehört der Deutschen Bahn (DB), der Rest des Stachus-Untergeschosses untersteht den Stadtwerken. Die Bahn will nach Auskunft eines Sprechers ihren Bereich in den kommenden Monaten komplett umgestalten und zusätzliche Läden einrichten, deshalb muss der Info-Kiosk weichen. Das ehemalige "Passimeterhäuschen", so der Fachausdruck, steht dort seit 1972. Ein Passimeter, so die Berufsbezeichnung, kontrollierte die Fahrkarten beim Betreten oder Verlassen von abgesperrten Bereichen, mitunter verkaufte er auch Tickets. In den Anfangsjahren der S-Bahn wurde das Häuschen genau dafür genutzt.

Vor 19 Jahren übernahm Nagel mit seiner Truppe die Bude und belebte sie wieder. 16 Stunden pro Woche hätten die Freiwilligen zuletzt den Info-Kiosk besetzt, sagt Nagel - immer von Donnerstag bis Sonntag jeweils für mehrere Stunden. Etwas mehr als ein halbes Dutzend Ehrenamtliche hätten dort zuletzt ihre Dienste geschoben. Vielen Touristen hätten sie weitergeholfen, aber auch als Ansprechpartner für andere Fahrgäste gedient. Viele Fragen und Probleme, die sich beispielsweise um das Tarifsystem des MVV drehten, "sind in unserem Info-Kiosk aufgeschlagen", sagt Nagel, "er hat uns somit auch als Frühwarnsystem gedient." Bei Großstörungen beispielsweise bei der S-Bahn habe man die Passagiere gleich oben am Abgang zur S-Bahn abgefangen und sie rübergeschickt zur U-Bahn.

Nagel und seine Mitstreiter suchen nun nach einer neuen Bleibe. Vorübergehend werden sie in einem ähnlichen Häuschen unter dem Isartor unterkommen, für etwa zwei Monate. Wie es dann weitergeht, kann er noch nicht sagen. Man befände sich "in freundschaftlichen Gesprächen" mit Vertretern der DB, sagt Nagel, um irgendwo anders in der Münchner Innenstadt einen dauerhaften Anlaufpunkt für die Fahrgäste zu bieten. Der DB-Sprecher erklärt, man habe Nagel bereits eine Möglichkeit am Marienplatz angeboten.

Das blaue Passimeterhäuschen vom Stachus indes möchte Nagel möglichst für die Nachwelt erhalten. "Das ist doch eine schöne Erinnerung und ein Relikt aus den Anfangsjahren der Münchner S-Bahn." Deshalb habe er es dem Verkehrszentrum des Deutschen Museums auf der Schwanthalerhöhe angeboten. Ein Museumssprecher erklärt, die Leitung des Zentrums überlege noch, ob sie das Angebot annehme. "Eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen."

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Quelle:
SZ vom 20.02.2016
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