Altstadt/Lehel:Ballermann in der City

In der Bürgerversammlung für die Altstadt gibt es erneut Klagen über Belästigungen wegen der Partymeile. Und die Polizei berichtet, dass sich die Zahl der Delikte wie Raub und Körperverletzung deutlich erhöht hat

Von Alfred Dürr, Altstadt/Lehel

Nehmen Brutalität und Rücksichtslosigkeit im Zentrum der Stadt überhand? Der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) für die Altstadt und das Lehel, Wolfgang Neumer (CSU), beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. In der Bürgerversammlung für den Stadtbezirk am Donnerstagabend zeichnete der Lokalpolitiker ein recht düsteres Bild von der Situation in der Müllerstraße mit ihren zahlreichen Gastronomiebetrieben. Seit Jahren gibt es Klagen der Anwohner über die Belästigungen durch die Partyszene in der Nacht. "Es ist nicht besser geworden", sagte Neumer.

Lärm, Gewalt gegen Anwohner, keinerlei Nachtruhe - das kennzeichnet für den BA-Vorsitzenden die Situation: "Bei schönem Wetter wird die Müllerstraße zum Ballermann, aus den Autolautsprechern dröhnt Disco-Musik, auf den Trambahngleisen liegen die Scherben von zertrümmerten Flaschen." Trotz der Bemühungen vieler Wirte, für mehr Ruhe und Ordnung zu sorgen, gebe es keine großen Erfolge. Der Bezirksausschuss erwäge, sich nun für längere Sperrzeiten einzusetzen.

Streetworker auf der Feiermeile

Seit Jahren gibt es Klagen der Anwohner über die Belästigungen durch die Partyszene in der Nacht. In der Bürgerversammlung wurde mehr Ruhe und Ordnung vor Clubs und anderen Gastronomiebetrieben gefordert.

(Foto: Lukas Barth)

Neumers Bericht löste am Rand der Bürgerversammlung starken Unmut unter anderen Lokalpolitikern aus. Peter Pinck und Wolfgang Püschel (beide SPD) empörten sich über die "Falschaussagen". Neumer habe eine parteipolitisch motivierte Privatmeinung von sich gegeben. Der BA habe sich keineswegs über eine Sperrzeitverlängerung für die Müllerstraße verständigt. Wirte, Behördenvertreter und die Bezirksausschüsse arbeiteten weiter daran, die Lage in der Müllerstraße zu beruhigen. Auf der BA-Vollversammlung am kommenden Dienstag, 19. Juni, 19 Uhr, Erkerbar im Hofbräuhaus, will die SPD Neumers Stellungnahme und die Probleme auf der Partymeile zum Thema machen.

Speziell auf das Thema Müllerstraße ging Christian Weis, der Chef der Altstadt-Polizeiinspektion, nicht ein. Allerdings bereitet es ihm Sorge, dass sich die Zahl der Delikte in den Bereichen Raub, Körperverletzung und Bedrohung in der Altstadt deutlich erhöht hat: "Vor allem Streitereien vor Clubs, Discos oder anderen Vergnügungsstätten arten in Schlägereien aus." Die Autorität der Polizei würde dann oft von den beteiligten Personen gar nicht mehr respektiert. In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien bereits neun Beamte bei solchen Einsätzen verletzt worden - "so viele waren es 2017 insgesamt." Weis berichtete der Versammlung auch von einem neuen Trend bei der Geldbeschaffung. Personen kühlen in den Brunnen der Innenstadt Getränkeflaschen und bieten sie Passanten, vor allem Touristen, zum Kauf an. "Dagegen gehen wir vor", sagte der Polizeidirektor.

Altstadt/Lehel: So mancher Bürger würde aus der Maximilianstraße gerne eine Tempo-30-Zone machen.

So mancher Bürger würde aus der Maximilianstraße gerne eine Tempo-30-Zone machen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Belästigungen, Bedrohungen, Rücksichtslosigkeiten - wenn auch in deutlich abgeschwächter Form - spielten in den Redebeiträgen der Bürger ebenfalls eine Rolle. Da gab es Klagen über zu viel Autoverkehr in der Innenstadt, über zu wenige Parkplätze, viele zu lange dauernde Baustellen, über Konflikte zwischen Autos, Fußgängern, Radfahrern und Rikschas. Mehr Tempo-30-Zonen und stärkere Polizeikontrollen wurden beantragt. Außerdem hat ein Bürger über lange Zeit beobachtet, dass auf dem Taxi-Standplatz an der Hermann-Sack-Straße bei der Sendlinger Straße niemals ein Taxi hält: "Da hätte man schon gleich vier weitere Parkplätze für Anwohner."

Weil es aus Kostengründen bei Behindertenparkplätzen keine zusätzlichen Bodenmarkierungen mit dem Rollstuhlsymbol mehr gibt, würden diese speziell ausgewiesenen Stellflächen ständig von unberechtigt dort parkenden Fahrzeugen blockiert, sagte eine Frau. In einem Fall habe der Ehemann einer Gehbehinderten zur Selbsthilfe gegriffen und das Rollstuhlsymbol einfach auf den Asphalt gesprüht: "Seither ist das Problem behoben."

Ein Teilnehmer der Versammlung forderte von der Verwaltung mehr Rücksichtnahme auf die demokratischen Rechte der Bürger. Der bisherige Ablauf der Bürgerversammlungen "mit den immer gleichen Anträgen" brauche eine zeitgemäße Reform - mit lebendigen Debatten, "zum Beispiel über die zunehmende Verwahrlosung des öffentlichen Raums etwa durch Kulturstrände oder den Fischmarkt". Informationen zu den Themen könnten im Vorfeld aufs Smartphone geliefert werden, und eine Redezeitbeschränkung sollte dann ganz abgeschafft werden.

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