Altschwabing:Schräge Forderung

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Legende mit Lampe: Gisela Dialer- Jonas bei einer Feier 2011. (Foto: Rumpf)

Stadtteilpolitiker wollen die berühmte Laterne der "Schwabinger Gisela" auf dem Wedekindplatz aufstellen

Von Stefan Mühleisen, Altschwabing

Schon klar: Gefeiert und gesungen wird im Herzen Schwabings immer noch. Doch die gepflegte und mondäne Maßlosigkeit des einstigen Künstlerviertels rund um den Wedekindplatz ist Vergangenheit - und Legende. Eine dieser Legenden der verruchten Schwabinger Zeit ist Gisela Dialer-Jonas, die "Schwabinger Gisela". Eine Persönlichkeit, die mit viel Grandezza und noch mehr Lebenslust von 1952 an ihr Lokal "Bei Gisela" in der Occamstraße 8 führte; ein ebenso berühmter wie verruchter Nachtclub, in dem sich internationaler Jetset in einer Zeit traf, als die Wörter "verrucht" und "Jetset" noch ausreichten, um die Phantasie anzuregen.

Die Schwabinger Gisela sang bevorzugt schlüpfrige Chansons mit ihrer rauchigen Stimme - und zwar neben einer windschiefen Laterne, die ihrerseits durch das Lied "Schwabinger Laterne" berühmt wurde. Diese Laterne gibt es noch, sie ist sogar sehr gut erhalten. Und Schwabinger Politiker wollen jetzt, dass die Stadt diese schiefe Leuchte am Wedekindplatz aufstellt.

"Die Laterne ist ein Symbol für das einst schräge Künstlerviertel, für das ungebändigte und anarchische Schwabing", sagt Ekkehard Pascoe, der für die Grünen im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann sitzt und die Laternen-Initiative ins Rollen gebracht hat. Die krumme Straßenlampe verwahrt einer seiner Freunde, der seinerseits ein Weggefährte der Schwabinger Gisela war und ein ganz und gar unverbogenes Schwabinger Original ist: Wolfgang Roucka. In dessen Galerie an der Feilitzschstraße fand im Januar 2014 - ein halbes Jahr vor ihrem Tod - eine angemessen ausschweifende Feier zum 85. Geburtstag der Gisela statt. Christian Ude, damals noch Oberbürgermeister, hielt die Festrede, der seinerseits Träger des Kunstpreises "Schwabinger Laterne" ist, den wiederum Roucka gestiftet hat. Wie der Preis aussieht? Na klar: eine kleine verbogene Leuchte in Miniaturformat.

Bei einem Schwätzchen in der Galerie standen Pascoe und Roucka kürzlich neben dem großen Original. Und sie beschlossen: Das kuriose Relikt soll einen ehrenvollen Platz bekommen, in Sichtweite des berühmten Lokals, das heute Vereinsheim heißt: auf dem Wedekindplatz. Der Zeitpunkt ist gut gewählt. Denn die Feilitzschstraße und der Wedekindplatz werden derzeit saniert und umgestaltet.

Dennoch: Nicht alle Politiker im Stadtbezirk sind begeistert von der Idee. Gremiumsvorsitzender Werner Lederer-Piloty (SPD) sprach der eigenwilligen Laterne den künstlerischen Wert ab - "gleich null" sei der. Es entspann sich eine kleine Debatte, die der schrägen Form der Laterne durchaus gerecht wurde. Kunst, so stellte Pascoe klar, sei nicht das, was er, Lederer-Piloty, zur Kunst erkläre. Er warb zudem für seine Idee, dass "auf Zuruf" ein Lied der Schwabinger Gisela aus der Laterne ertönen möge. Ein kollektives "Ooohhhh" zeigte an, dass das keine Mehrheit finden würde. Lederer-Piloty insistierte: "Dieser skurrile Winzling hat auf dem Platz nichts zu suchen." Andere Gremiumsmitglieder rühmten dagegen die skurrile Gestalt und sorgten sich darum, ob die Lampe nicht Schaden nehmen könne. Es sei wohl besser, eine Kopie aufzustellen.

Diese Sorge äußerte auch Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), seit Jahren auch einfaches Bezirksausschussmitglied. "Ich will dieses Anliegen mehr als unterstützen", kündigte er an. Die Laterne sei ein Symbol für die Schwabing der Nachkriegszeit: "Es ist nur die Frage, ob das Objekt das aushält." Am Ende setzten sich die Laternen-Fans mit knapper Mehrheit durch. Man darf auf die Haltung der Stadt zu dem schrägen Ding gespannt sein . Womöglich wird es heißen: Na ja, verbogen ist es doch schon.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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