Altersarmut:SPD will Zuschlag auf Grundsicherung erhöhen

Senioren

Seniorinnen in Bremen. Zwei von ihnen sind auf einen Rollator angewiesen.

(Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)
  • Die Armutsgrenze liegt in München wegen der hohen Mieten höher als an anderen Orten.
  • Weil die Grundsicherung in der Landeshauptstadt kaum zum Leben reicht, zahlt die Stadt schon seit Jahren einen monatlichen Zuschlag von 21 Euro.
  • Oberbürgermeister Dieter Reiter und die SPD-Stadtratsfraktion wollen den Zuschlag nun auf 100 Euro erhöhen.

Von Sven Loerzer

Kleine Renten, hohe Mieten: Mehr als 15 000 Münchner sind deswegen schon auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Was dann zum Leben bleibt, reicht gerade in einer Stadt mit hohen Lebenshaltungskosten kaum aus. Bereits seit zehn Jahren zahlt die Stadt einen Zuschlag, derzeit monatlich 21 Euro zu den 424 Euro Regelsatz (zuzüglich Miete) für Alleinstehende. Jetzt soll der München-Zuschlag auf 100 Euro steigen, fordern Oberbürgermeister Dieter Reiter und die SPD-Stadtratsfraktion. Sie wollen Druck machen, damit der Bund die bislang rechtlich stark eingeschränkte und von der Stadt längst ausgeschöpfte Möglichkeit zur freiwilligen Erhöhung lockert.

In München liegt die Armutsgrenze mit 1350 Euro im Monat höher als andernorts, Hauptursache dafür sind die hohen Mieten. Die Zahl alter Menschen, deren Rente nicht zum Leben reicht, steigt von Jahr zu Jahr deutlich an. So lange es die Gesundheit zulässt, versuchen viele, das schmale Budget durch einen Minijob aufzustocken. Kommen gesundheitliche Probleme hinzu, wird das Leben richtig bitter. Buchstäblich vom Mund absparen müssen sich arme Rentner das Geld, um eine neue Brille oder neue Haushaltsgeräte zu kaufen.

"Altersarmut trifft hier die Menschen besonders hart, weil in unserer wirtschaftlich erfolgreichen Stadt die Lebenshaltungskosten und die Mieten überdurchschnittlich hoch sind", erklärt Reiter. Schon jetzt dürften weit mehr als die 15 000 Menschen, die Grundsicherung erhalten, betroffen sein. "Die Dunkelziffer liegt sicher weit darüber, weil viele Menschen sich schämen, Unterstützung vom Staat beantragen zu müssen."

Um die Situation der Betroffenen zu verbessern, versucht die Stadt auf unterschiedlichen Ebenen zu helfen. Seit Januar bieten die Alten- und Servicezentren beispielsweise ein kostenloses Mittagessen für Menschen an, die unter der definierten Armutsgrenze von 1350 Euro im Monat leben. Unter dieser Grenze leben etwa 129 000 Münchner, die Sozialleistungen beziehen, um ihr Existenzminimum zu sichern. Ebensoviele Menschen lebten nur knapp oberhalb dieser Grenze, betont die SPD-Stadtratsfraktion, die deshalb weitere Hilfen zur Entlastung schaffen will. Auf ihren Antrag hin soll nun das Sozialreferat prüfen, ob und wie es rechtlich möglich ist, die vom Bund festgelegte Grundsicherung im Alter um 100 Euro auf insgesamt 524 Euro monatlich aufzustocken. "Das wäre eine spürbare Entlastung für die Betroffenen", betonte Oberbürgermeister Reiter beim Jahresempfang des Sozialverbands VdK.

Bislang kann die Stadt nur 21 Euro freiwillig bezahlen, sie gibt dafür knapp 2,2 Millionen Euro in diesem Jahr aus. Kann die Stadt 100 Euro durchsetzen, dann würde das rund 15 Millionen Euro pro Jahr kosten. "Wir wollen, dass die rechtlichen Hürden fallen", sagt der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christian Müller, um den Senioren zu ermöglich, "was ihnen der Bund verwehrt: Einen Regelsatz, von dem man auch in München menschenwürdig leben kann". Reiter bekräftigte, in einer Großstadt mit überdurchschnittlich steigenden Lebenshaltungs- und Wohnkosten müsste auch für die Sozialhilfeberechnung eine andere Grundlage gelten. Zusätzlich will die SPD-Stadtratsfraktion auch den Kreis derer, die über den München-Pass Vergünstigungen erhalten können, ausweiten.

Künftig sollen nicht nur Bezieher von Sozialleistungen den Ausweis bekommen, sondern auch alle Münchner, die ohne Anspruch auf Sozialleistungen an der Armutsgrenze leben. Von einer solchen Regelung könnten etwa 100 000 Menschen mehr als bisher profitieren und zum Beispiel dann ein deutlich günstigeres MVV-Ticket erwerben. Zudem sollten München-, Familien- und Ferien-Pass sowie Bildungs- und Teilhabepaket digital als Karte oder App zusammengeführt werden, um die Nutzung zu erleichtern. "Gerade die Menschen, die knapp oberhalb des Sozialleistungsniveaus sind, tun sich immer schwerer, in München zu leben", erklärte SPD-Stadträtin Anne Hübner. Die Stadt müsse deshalb bis an ihr Leistungslimit gehen: "Der Kampf gegen Armut und Ausgrenzung ist jeden Euro wert."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusArmut
:"Noch immer existieren zwei Welten in München"

Manche Eltern können ihren Kindern fast alle Wünsche ermöglichen, andere haben nichts. Caritas-Chef Norbert Huber spricht über Armut in einer reichen Stadt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: