Obgleich der Bedarf an Heim-Alternativen riesig ist, hat Sigrid Kallfass, Professorin für Pflegepädagogik an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, Zweifel daran, dass dieses Pflegemodell in Zukunft eine große Rolle spielen wird. Der Grund: Sie hält die Zielgruppe für sehr begrenzt. "Die Alten, die familienbegeistert sind, bleiben normalerweise bei ihren eigenen Kindern. Und die anderen ziehen das Heim einer fremden Familie vor." Andere Experten glauben ebenfalls, dass nur wenige Senioren den Mut aufbringen, sich noch einmal auf eine neue Familie einzulassen.
So hatte sich auch Hildegard Gröbner große Sorgen gemacht, dass ihr der Alltag mit vier quirligen Kindern bald zu viel sein würde. Diese Furcht war, wie sich inzwischen herausgestellt hat, unbegründet: Gröbner freut sich, wenn der Zweijährige ihr auf der Mundharmonika ein Ständchen spielt, obwohl das wahrlich noch nicht konzertreif klingt. Der Kleine darf sogar ab und zu vorne auf ihrem Gehwagen sitzen.
Vorstellungen und Ansprüche klären
Es ist kurz vor 13 Uhr, gleich wird die Fußpflegerin klingeln. Auch ihre Töchter besuchen sie so oft wie möglich in ihrem neuen Zuhause. Gröbners Angehörige stehen in engem Kontakt zur Familie Schmelzer, schon vor dem Umzug gab es lange Gespräche über die Vorstellungen und Ansprüche der beiden Familien. Das sei trotzdem nicht genug, findet Ingeborg Hermann-Gröbner: "Man muss sehr detailliert bereden, was zu den Aufgaben der Pflegefamilie gehört." Michaela Schmelzer stimmt ihr da zu.
Zum Beispiel hatten die Angehörigen mit den Schmelzers ausgemacht, dass der ambulante Pflegedienst auch für abends engagiert werden kann, falls sich der Zustand der alten Dame "wesentlich verschlechtert" - was das aber genau bedeutet, darüber hatte sich keiner Gedanken gemacht.
Im Moment geht es Hildegard Gröbner gesundheitlich nicht besonders gut, die Betreuung wird nun sehr viel anstrengender. "Wir hoffen aber, dass sie nicht ins Heim muss und einmal hier sterben kann", sagt Michaela Schmelzer. Mit den Angehörigen hat sie vereinbart, dass ein weiterer Umzug in Frage kommt, falls sie die Aufgabe nicht mehr bewältigen kann. Wann die Grenze erreicht wäre? Die 46-Jährige überlegt kurz. "Wenn ich merke, dass meine Familie oder meine Gesundheit drunter leidet." Sie stockt. "Aber wenn man so was macht, gibt man nicht so einfach auf."