Süddeutsche Zeitung

Alternativen für ein besseres S-Bahn-Netz:So müsste niemand in die Röhre schauen

Der zweite Stammstreckentunnel für die Münchner S-Bahn steht vor dem Aus - das Geld reicht nicht. Doch es gibt dennoch Alternativen für ein besseres S-Bahn-Netz. Ein Überblick.

Dominik Hutter und Christian Krügel

Am Tag danach sind alle irgendwie um Schadensbegrenzung bemüht. Weder Bund, noch Freistaat, noch Bahn wollen offen vom Ende des zweiten Stammstreckentunnels für die Münchner S-Bahn sprechen. Zum Beispiel Klaus-Dieter Scheurle, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium: Aus Sicht des Bundes liefen die Gespräche mit Staatsregierung, Stadt und Bahn "konstruktiv und zielorientiert", damit bis Ende des Jahres ein einvernehmliches Gesamtkonzept stehe, teilte er in Berlin mit. Wie das "einvernehmliche Konzept" aussehen könnte, ließ Scheurle freilich offen.

Deshalb wird auch der Ruf nach Alternativen zum großen Tunnelprojekt nicht so schnell verstummen - auch wenn die S-Bahn München GmbH davon nichts wissen will. Einzige Auskunft eines Bahnsprechers zur Frage nach einem Plan B: "Aus- und Neubau von Schieneninfrastruktur wird maßgeblich von Bund und Ländern finanziert und obliegt insofern auch deren Verantwortung." Auf gut Deutsch: Die Politik ist schuld am Schlamassel und soll sich erst mal selbst Gedanken machen.

Tatsächlich beschäftigte sich der Landtag ja auch schon mit Alternativen zum Tunnel. Am 19. Mai hatte sich das Parlament mit einem Antrag der Grünen befasst, in dem Fraktionschef Martin Runge gleich mehrere Maßnahmen für den S-Bahn-Ausbau gefordert hatte. Außer den Grünen stimmten aber nur die Freien Wähler dafür. Sind solche Alternativen aber überhaupt realistisch? Und was bringen sie? Und: Kann der Tunnel vielleicht doch noch finanziert werden?

Doch noch Geld für den Tunnel

Vielleicht ist doch noch etwas zu retten: Wenn der Bund seinen Förderanteil nicht allzu weit herunterschraubt, könnte der Freistaat die Lücke aus dem eigenen Haushalt schließen, Ganz unrealistisch ist das nicht, gewisse Zweifel sind aber trotzdem angebracht: Denn der Freistaat schwimmt nicht im Geld. Zudem müssen sich die Landespolitiker dann wohl Fragen aus anderen Landesteilen stellen, warum eine derart hohe Summe den Münchnern spendiert wird und entsprechend anderswo fehlt. Denkbar wäre auch das Anzapfen anderer Verkehrstöpfe des Bundes. Der CSU-Landtagsabgeordnete Markus Blume bringt dafür das "Bundesschienenwegeausbaugesetz" ins Spiel. Dafür allerdings müsste die zweite Röhre auch für Regionalzüge geeignet sein - was wohl eine Umplanung erfordern würde.

Klar ist: Die Stadt München will nicht in die Bresche springen, und sie könnte wohl auch gar nicht. Denn für die S-Bahn ist der Freistaat zuständig. Die Kommune könnte sich theoretisch bei einigen Gestaltungsdetails oder beim Lärmschutz beteiligen - so wie Ismaning und Unterföhring ihre Tunnelbahnhöfe selbst bezahlt haben. Ein Beitrag in wirklich nennenswerter Höhe für die zweite Stammstrecke ließe sich aber wohl nicht beisteuern. Zumal die Stadt grade erst ein neues Sparprogramm aufgelegt hat.

Besserer Takt, mehr Züge

Der wichtigste Effekt einer zweiten Röhre wäre es gewesen, mehr Züge durch die Innenstadt fahren zu lassen, also die Takte zu verdichten. Dies klappt nun nicht mehr flächendeckend, aber punktuell lässt sich noch etwas machen: So enden derzeit zwei von Westen kommende Linien am Ostbahnhof. Würde man diese Züge einfach weiterfahren lassen, so ein Vorschlag der grünen Stadträtin Sabine Nallinger, hätte man schon den Verkehr auf zwei Ostästen verdichtet.

Viele Außenstrecken können allerdings keinen zusätzlichen Verkehr mehr aufnehmen, sie müssten erst ausgebaut werden. Als besonders dringlich gilt dabei die S 4-Strecke gen Geltendorf. Da die bestehende Stammstrecke keine weiteren S-Bahnen mehr verkraftet, müssten die Verstärkerzüge notfalls schon in Pasing, am Ost- oder auch oberirdisch am Hauptbahnhof enden.

Möglicherweise lässt sich auf einigen Außenstrecken noch etwas durch den Einbau eines neuen Signalsystems verbessern. Seit die Stammstrecke mit der sogenannten Linienzugbeeinflussung (LZB) ausgestattet ist, können die Züge dort dichter fahren. Das System ist allerdings alles andere als ein Schnäppchen. Für zusätzliche Fahrten müssten auch zusätzliche S-Bahnen angeschafft werden - dies verschlingt ebenfalls Millionen.

Neue Ausweichstrecken

Besonders ärgerlich für die Fahrgäste sind die vielen Störfälle, die sich im Nadelöhr Stammstrecke rasch auf sämtliche Linien ausbreiten. Hilfreich wäre der schon seit vielen Jahren diskutierte Ausbau der Sendlinger Spange, also der Trasse Laim-Heimeranplatz-Harras. Zudem könnte man einige Engpässe im S-Bahn-Netz beheben, etwa durch einen Umbau des heillos überlasteten Ostbahnhofs oder den viergleisigen Ausbau des Laimer Bahnhofs. Für Pendler interessant könnte ein neuer Regionalbahnhof auf Höhe Poccistraße sein. Der ist allerdings vergleichsweise teuer.

Bau der U 5 nach Pasing

Die wohl attraktivste Ausweichroute für die S-Bahn-Stammstrecke böte eine bis Pasing verlängerte U 5. Diese Röhre müsste allerdings die Stadt finanzieren, die dafür wiederum Zuschüsse beim Bund beantragen müsste. Dieses Geld käme allerdings aus dem selben Topf, mit dem jetzt schon die zweite Röhre nicht mehr finanziert werden kann. Dennoch: Billiger als der S-Bahn-Tunnel wäre eine verlängerte U 5 allemal. Und: Außer bei den Grünen gibt es auch in der Münchner CSU große Sympathien für dieses Projekt.

Südring

Die Trasse über Poccistraße und Kolumbusplatz zum Ostbahnhof könnte nun wieder interessant werden - allerdings wohl eher als zusätzliche S-Bahn-Linie und nicht mehr als zweite Stammstrecke. Nachteil: Für einen Ausbau des Südrings müsste ein komplett neues Planungs- und Genehmigungsverfahren anlaufen. Was viele Jahre dauern kann. Zudem hat der Südring bei der vergleichenden Untersuchung mit der zweiten Röhre wirtschaftlich so schlecht abgeschnitten, dass eine Förderung mit Bundesgeld ausgeschlossen ist. Man müsste also erst eine neue "Light"-Version mit einem sehr maßvollen Ausbau erfinden.

Verbessertes Störfallmanagement

Es steigert zwar nicht die Leistung der S-Bahn, hilft aber zumindest den Pendlern: Laut Nallinger könnte ein verbessertes Störfallmanagement bei der S-Bahn einiges bringen. Überarbeitete Konzepte, so die Verkehrsplanerin, könnten dazu beitragen, Pannen besser zu bewältigen - und vor allem nach Ende der Störung den Fahrplan wieder in den Griff zu bekommen.

Die Technische Universität München hat vor einigen Jahren schon einmal ein computergestütztes Störfallmanagement ausgearbeitet, das aber bis heute nicht verwendet wird. Es setzt Mut bei den Verantwortlichen der Bahn voraus: Denn gelegentlich müssten S-Bahnen außerplanmäßig - und vermutlich gegen den Willen der Fahrgäste - vorzeitig auf den Außenstrecken wenden, um die Zugfolge in der Innenstadt wieder ins Lot zu bringen.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2011/sonn
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