Seine Eltern kennt er nicht. Geboren im Jahr 1941 in Breslau ist Joachim B., 80, als Vollwaise in einem Heim im Allgäu aufgewachsen. Er absolvierte nach der Schule eine Malerlehre und kam dann nach München, wo er weiter als Maler arbeitete. "Ich war öfters krank, ich habe immer wieder Magengeschwüre bekommen", erzählt er. Schließlich habe ihm der Malermeister, bei dem er beschäftigt war, gekündigt, und weil er in einer Personalwohnung lebte, verlor er gleichzeitig auch sein Zuhause. Arbeitslos und ohne Wohnsitz, "da begann ein Absturz", beschreibt Joachim B. seine damalige Situation. Und er beschönigt sie nicht.
Bei der Arbeitsvermittlung an der Großmarkthalle suchte er sich Gelegenheitsjobs, zeitweise lebte er in Männerwohnheimen. Und wurde krank, als er wieder einmal unversichert war. Heute bezieht er Grundsicherung im Alter, seine Wohnung, in der er seit 20 Jahren lebt, bekam er über das Wohnungsamt. Trotz aller Vorsicht infizierte er sich im April mit dem Corona-Virus. "Es ging los damit, dass ich keinen Appetit mehr hatte. Auf einmal konnte ich nichts mehr essen. Und dann konnte ich nicht mehr schlafen." In der Badewanne sei es ihm dann schlecht geworden, "da hat es mich umgehauen". Zunächst dachte er, es sei etwas mit dem Herz, er leidet schon seit 40 Jahren unter Rhythmusstörungen, dadurch habe er schon sämtliche Kliniken in München kennengelernt. Nach zwei Tagen im Krankenhaus war klar, er ist infiziert. Es dauerte keine Woche, dann wurde er verlegt. "Wie ich auf die Intensivstation kam, ist gerade eine Frau gestorben." Und er weiß noch, dass er sich gedacht habe, "das fängt schon gut an".
Einen ganzen Monat lang verbrachte er auf der Intensivstation. "Ich habe gedacht, mich haut es vom Stangerl." Er bekam Sauerstoff. Nicht viel hätte gefehlt, dass er maschinell beatmet hätte werden müssen. "So langsam geht es wieder, ich bin jetzt einigermaßen auf dem Damm." Nur die Herzrhythmusstörungen machen ihm mitunter zu schaffen, "manchmal rumpelt es schon ganz schön". Er müsse solide leben, zumal er auch Diabetiker ist. Lange laufen kann er nicht, "ich muss nach zehn Minuten stehen bleiben und mich abstützen wegen meinen Rückenproblemen". Seitdem er einen Rollator übernehmen konnte, der lange herrenlos im Hausflur stand, geht es wieder etwas besser, er ist mobiler geworden. "Irgendwie geniert man sich, einen Rollator zu benutzen, weil man sich dann alt fühlt", sagt Joachim B., aber er komme sich mit all den Tabletten, die er wegen seiner Erkrankungen einnehmen muss, ohnehin schon vor wie eine halbe Apotheke. Bei ihm ist neben einer Herzkranzgefäßverengung auch COPD, eine chronisch fortschreitende Lungenerkrankung, diagnostiziert. Als Maler habe er oft Nitrolacke spritzen und Bleiweiß herrichten müssen, eine hochgiftige, heute nur noch in Ausnahmefällen gebräuchliche Farbe.
Auch wenn er nach seiner Krankenhausentlassung "psychisch schlecht beinander" war, so hat er das überwunden. "Man muss ja zufrieden sein mit dem Leben, so lebt es sich leichter." Deshalb ist er auch überzeugt davon, dass alles getan werden muss, um die Pandemie zu Ende zu bringen. Als Genesener hat er sich impfen lassen, um seinen Beitrag zu leisten. Wünsche hat er keine, "es gibt Leute, die haben weniger als ich". Dabei könnte er fast eine komplette Wohnungseinrichtung gebrauchen. Ein Teil seiner Kleider hängt nach 20 Jahren noch in einem Kleider-Umzugskarton, weil der kleine Schrank nicht ausreicht. Eine Campingliege hat er zum Bett umfunktioniert, weil die Couch zusammengebrochen ist. Die Rückenbeschwerden aber werden auf diese Weise sicher nicht besser. Im Alltag, beim Einkaufen, helfen würde ihm auch ein Senioren-Elektromobil, das er schon mal ausprobieren konnte. "Das wäre nicht schlecht, das geht gut." Aber das ist viel zu teuer für ihn.