Altenpflege:Münchens Pflegeheime könnten noch teurer werden

Rollstuhlfahrerin im Pflegeheim, 2016

Besonders Menschen mit Rollator und im Rollstuhl brauchen mehr Platz.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Der Freistaat Bayern hat schon vor Jahren mit einer Verordnung die Standards in Pflegeheimen erhöht.
  • Ein Umbau in Münchner Heimen führt nicht nur zu mehr Kosten, sondern könnte auch Engpässe in der Versorgung verursachen.
  • Manchmal geht es nur um Kleinigkeiten, die im Ermessensspielraum der Einrichtungen liegen sollten.

Von Sven Loerzer

Größere Räume, mehr Einzelzimmer: Der Freistaat schreibt den Pflegeheimen höhere Baustandards vor. Doch das dürfte die Pflegesätze in älteren Häusern deutlich in die Höhe treiben, um die nötigen Umbauten zu finanzieren, prophezeit die Arbeiterwohlfahrt (Awo). Und zwar um bis zu 380 Euro monatlich pro Platz, wie sie anhand eines Beispiels ausgerechnet hat.

Außerdem sei die Versorgungssicherheit gefährdet, sagt Awo-Geschäftsführer Christoph Frey. So gebe es im Hasenbergl derzeit ohnehin immer wieder Engpässe bei den Pflegeplätzen. Die Situation würde sich noch verschärfen, wenn die Awo ihr Haus an der Stösserstraße für einen Umbau in Teilen stilllegen müsste.

Vor fünf Jahren ist die Ausführungsverordnung zum Pflege- und Wohnqualitätsgesetz in Kraft getreten; sie hat eine Reihe höherer Anforderungen festgelegt, die in vielen bestehenden Häusern nicht erfüllt sind. So sollen die Heime nun über einen angemessenen Anteil an Plätzen in Einzelzimmern verfügen. Das Pflegeministerium geht dabei grundsätzlich von 75 Prozent aus, bei älteren Einrichtungen sollten zunächst 55 Prozent ausreichen; doch inzwischen halte das Ministerium auch bei diesen 75 Prozent für angemessen, teilte die Heimaufsicht dem städtischen Sozialreferat inzwischen mit.

Die Awo verfügt im Stadtgebiet in sieben Heimen über knapp 800 Pflegeplätze - das ist etwa ein Zehntel des Angebots in München. Der Anteil an Einzelzimmerplätzen liegt laut Awo derzeit bei rund 40 Prozent. Ihn auf 55 Prozent zu erhöhen, würde sie insgesamt 78 Plätze kosten. Die verschärften Vorgaben hätten "tief greifende wirtschaftliche Auswirkungen", sagt deshalb auch der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, Norbert Huber.

Derzeit verhandelt die Heimaufsicht nach eigenen Angaben mit Trägern von elf Heimen. Bei sechs Häusern zeichne sich ab, dass es zu einer "gewissen Reduzierung der Platzzahlen" kommen müsse, um die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern. Der Anteil der Einzelwohnplätze liege dort bei 20 bis 30 Prozent, in einem Fall sogar unter zehn Prozent. Ende August läuft die Angleichungsfrist von fünf Jahren aus. Die Heimaufsicht kann die Frist aber auf bis zu 25 Jahre verlängern, wenn es technisch oder denkmalschutzrechtlich nicht möglich ist, die neuen Standards zu erfüllen, oder wenn dies wirtschaftlich nicht zumutbar wäre.

Stadtrat befasst sich mit der Problematik

Auch die Forderung, dass ein Viertel der Zimmer und Bäder rollstuhlgerecht sein muss, macht den Trägern Probleme. Huber stellt besonders diese Vorgabe auch in Frage, denn die Bewohner würden immer kränker und pflegebedürftiger, wenn sie ins Heim kommen. Die Fähigkeit, selbst mit dem Rollstuhl zu manövrieren, nehme ab - dann aber brächten auch größere Wendekreise wenig. Diejenigen Träger, die über viele alte und anzupassende Heime verfügen, könnten durch die nötigen Umbauten wirtschaftlich überfordert werden, warnt Huber. Gleichzeitig würde das Platzangebot zurückgehen, was besonders in Gebieten mit wenigen Pflegeeinrichtungen wie dem Münchner Norden fatal wäre.

Größer als in manch älteren Häusern üblich sind auch die in der Verordnung vorgeschriebenen Mindestflächen von 14 Quadratmetern für Einzelzimmer und 20 Quadratmetern für Doppelzimmer. Da gehe es oft nur um einen halben Quadratmeter, sagt Awo-Chef Frey. Er setzt deshalb darauf, dass die Heimaufsicht ihren Ermessensspielraum mit Augenmaß nutzt. "Ich hoffe, dass es bei der konstruktiven Linie bleibt. Man muss anschauen, was für die Bewohner wirklich ein Gewinn an Qualität und wichtig ist", meint Frey. Denn letztlich müssten die Investitionskosten auf die Bewohner umgelegt werden. Sprich: Die Plätze würden teurer.

Der Stadtrat hat sich der Problematik inzwischen angenommen. Für den sozialpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Christian Müller, steht außer Frage, dass bauliche Qualitätsverbesserungen wichtig sind. "Unverständlich ist, dass sich der Freistaat im Gegensatz zur Stadt, die Investitionskostenzuschüsse zahlt, nicht an der Finanzierung der erforderlichen Maßnahmen beteiligt." Und auch Frey sagt, eigentlich müsse das Bestellerprinzip gelten: "Wer anschafft, sollte auch mitzahlen."

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