Almauftrieb im Käferzelt:Heiß begehrtes Gedrängel

Beim Almauftrieb im Käferzelt hocken stille Unternehmensbosse neben Nachwuchs-Promis, die um Aufmerksamkeit buhlen. Was sie alle eint, sind die Trachten-Outfits - teils in schrillen Varianten.

Von Philipp Crone

Auf den ersten Blick ist es nicht ersichtlich, wo der Reiz dieser Veranstaltung liegen soll. Es sieht am Sonntagabend im ersten Stock des Käferzelts aus wie Chaos in Reinform. Am Eingang steht der Ex-Fußballtorwart Jens Lehmann und zieht gerade noch den Kopf zurück, als die Kellnerin mit einem späten "Vorsicht!" das Tablett mit einem Bräter voller Frühmastenten auf Kieferhöhe an ihm vorbeiwuchtet. Sie läuft im Gang geradewegs auf die nächsten Gäste zu, die noch unentschlossen in den Raum schauen.

Überall Abzweigungen zu Dutzenden von hölzernen Sitzbänken eingefassten Tischen, alle dekoriert mit silbernen Ballons, darauf überquellende Brotzeitbrettl, die von den ersten Gästen zwischen zwei Masskruganstößen bearbeitet werden. Im schummrigen Hüttenlicht huschen Fotografen hin und her und ducken sich vor der Kellnerin mit der Ente. Zwei blonde Frauen auf High-Heels knicken beim nächsten "Vorsicht!" vor Schreck zur Seite und müssen sich an Michael Ballacks Rücken abstützen, sodass der am Tisch seine Breze wesentlich tiefer als geplant in den Obazdn tunkt.

Nix passiert, Ballack lächelt, die Damen auch und rücken die Falten ihrer goldenen Glitzerschürzen wieder zurecht. Hach, wie aufregend. Der Ballack hat uns zugelächelt!

Die Ente ist derweil an Claudia Effenberg vorbeigerauscht, die mit einem lauten "Boah, ham' wir nen geilen Tisch" (einen direkt am Gang, wo die Fotografen vorbeikommen) beinahe ihre rechte Hand in den Bräter tunkt. Der Ex-Skifahrer Frank Wörndl hat derweil gar keinen Blick fürs Essen, ein Freund von ihm hat sein Einlassband verschusselt und steht jetzt draußen im Regen statt drinnen im Gedränge.

Die Band spielt "Atemlos", es riecht nach Leder und süßen Damendüften. Und warum schauen nun die Gäste alle so zufrieden, mitten im dunstigen Durcheinander und eingepfercht auf engstem Raum? Christine Neubauer, die an so einem Abend natürlich nicht fehlen darf, schüttelt ihr silbernes Dirndl, in dem sie aussieht wie eine Eisprinzessin, und sagt: "Wir sind wie Kühe, und lassen uns hier hochtreiben." Sie nickt, um sich selbst recht zu geben und lächelt fröhlich in den Raum.

Wörndl, der grummelig dreinblickende frühere Slalom-Weltmeister, ist zum ersten Mal bei diesem Society-Spektakel. "Um 15 Uhr war ich beim Paramount-Empfang hier oben. Danach mussten alle raus, damit man kurz darauf wieder Hunderte andere Gäste reindrücken kann." Neben ihm legt sich Neubauer für ein Foto mal kurz fast quer über einen Tisch. Wörndl schüttelt den Kopf, was so viel heißt wie: Irgendwie beängstigend irre, aber auch faszinierend.

Schauspieler Ralf Möller ("Gladiator") passt kaum zwischen Bank und Tisch, aber verkündet: "Das ist das beste Fest der Welt." Er grüßt den ebenso wuchtigen Gastronomen Hugo Bachmaier, dessen Ludwig II.-Buttons auf seiner blauen Samtweste glitzern, mit derart ausholenden Armbewegungen, dass zwei Frauen im Spitzendirndl den sich herzenden Hünen schnell ausweichen müssen, um keine Ohrfeige abzukriegen.

Es ist hier aber auch wirklich kaum Platz. Hasan Salihamidzic, ehemaliger Bayern-Spieler, schlängelt sich vergnügt durch den verstopften Gang: "Chaos? Ach, ich ess' und trink' was und hau wieder ab." Die Profis kennen das Getümmel, und haben es lieb gewonnen. Andere lassen sich einfach von den kleinen Posier-Einlagen mancher Gäste berieseln.

Bernhard Schadeberg zum Beispiel. Der 48-Jährige sitzt am Tisch mit Ex-Skispringer Sven Hannawald und beobachtet. Schadeberg kommt aus Krombach in der Nähe von Köln. "Das ist natürlich schon eine Art Karneval hier", sagt er. "Und doch anders, in diesem wunderschönen Raum mit diesen wunderschönen Menschen." So schwärmt der Geschäftsführer von Deutschlands größter Brauerei, "fast fünf Mal so groß wie Augustiner".

Ein junger Mann läuft vorbei, gefolgt von einem Hünen, der es mit Möller aufnehmen könnte, und grüßt Hannawald. "Wer war das?" Kay One, der Rapper, der eigentlich Kenneth Glöckler heißt. Er stoppt für ein kurzes Radio-Interview. "Bier ist nicht so meins, ich trink' lieber Wodka." Dann ist er ja hier richtig. Wörndl hat es mittlerweile durch den Mittelgang zu Möller gespült, Michael Mittermaier neben Michael Ballack, und Micaela Schäfer ist angekommen. Schäfer ist dafür bekannt, sich bei jeder Gelegenheit auszuziehen, aber an diesem Abend trägt sie nur ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift: Nacktschnecke.

Als alle Enten an den Tischen sind, wird es kurz ruhiger, bis Haindlings "Bayern, des samma mia" erklingt. Was sind das jetzt für Bayern, die es genießen, dicht gedrängt zusammen zu Abend zu essen? Die Antwort lautet: Erst die Enge macht den Abend so besonders. Denn man kann sich dadurch ein bisschen so fühlen, als sei alles eine Einheit. Jeder ist für einen Abend ein bisschen Sportler, Schauspieler, Brauereichef, Gastronom, Bachelor-Gewinner, Kabarettist oder Spielerfrau. Dafür lassen sich die Gäste auf dieser hölzernen Hüttenbühne seit vielen Jahren gerne zusammentreiben.

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