Alm im Werksviertel:Hühner, die von Schafen springen

Stadtalm Klimaprojekt

Im Werksviertel grasen Schafe, Hühner sollten aber ursprünglich nicht auf dem Dach picken.

(Foto: Catherina Hess)

Auf einem Dach im Werksviertel grasen Schafe und summen Bienen. Bei freilaufenden Hühnern hatte das Veterinäramt zunächst Bedenken, dass sie auf Passanten fallen könnten.

Von Thomas Anlauf

Der griechische Dichter Aischylos war wohl ein furchtloser Mensch. Der weitgereiste Poet kämpfte im Jahre 490 v. Chr. an der Seite Athens gegen die Perser, und zehn Jahre später war er an der Seeschlacht von Salamis beteiligt. Seine Kriegserfahrungen schrieb er im ältesten erhaltenen Drama der Weltgeschichte nieder: "Die Perser". Sein Leben hauchte Aischylos dennoch nicht auf einem Schlachtfeld aus, sondern auf einem schnöden Acker nahe dem sizilianischen Hafenort Gela. Er hatte die Prophezeiung erhalten, dass er von einem einstürzenden Haus erschlagen würde. Also schlief er in jener Schicksalsnacht auf offenem Feld. Da kam ein Adler geflogen, der sich gerade eine Schildkröte gekrallt hatte. Hoch stieg er in die Lüfte und ließ sein Opfer just über dem mondbeschienenen Schädel des Aischylos fallen. Kann schon mal passieren. Auch in München.

Heutzutage weiß man, dass manche Steinadler tatsächlich die schlechte Angewohnheit haben, eine Schildkröte aus 60 Metern Höhe abzuwerfen, um das gepanzerte Haus des Tieres zu knacken. Just so hoch liegt auch die sogenannte Stadtalm im Münchner Werksviertel über der Isar. Im sechsten Stock des Kreativturms Werk3 befindet sich am Flachdach eine saftige Wiese, auf der seit geraumer Zeit Walliser Schwarznasenschafe weiden. Es sind urgemütliche Viecher, obwohl sie mit ihren wuchtigen Hörnern und den dicken Fellmänteln imposante Erscheinungen sind. Nun wollten die Stadtalm-Senner neben den Schafen auch Bienen und Hühner ansiedeln, die dort einen traumhaften Tiefblick auf die Stadt hätten.

Acht Hühner gackerten bereits durchs frische Almgras, die Bienen summten, die Schafe blökten. Doch dann kam das Münchner Veterinäramt. Die Experten begutachteten die Alm und hatten vor allem die Hühner im Blick: Von einer Freiluft-Hühnerhaltung auf der 2500 Quadratmeter großen Dachalm werde "aus Tierschutzgründen und aus Sicherheitsgründen abgeraten", teilt das für Ordnung und Sicherheit zuständige Kreisverwaltungsreferat mit. Schließlich könnten die Hühner in einem Anflug von Übermut auf die Rücken der Schafe flattern und sich von dort aus todesmutig über den Sicherheitszaun der Dachterrasse in den Abgrund stürzen.

So ein tiefer Fall ist natürlich keinem freilaufenden Huhn zu wünschen. Die Hennen gibt es nach Absprache mit dem Veterinäramt trotzdem noch. Zum Brüten gehen sie brav in den Stall am Dach und verhalten sich laut Josef Glasl, Kommunikationsverantwortlicher im Werksviertel-Mitte, auch im Freien so, wie es sich für diese alte Hühnerrasse gehört. "Sie sind sehr groß und flugfaul", sagt Glasl. Nur die flatterhaften Wachteln wohnen in einer Voliere auf dem Dach.

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