Allianz-Arena:Zur Ausnüchterung in die Katakomben

Eine Rundfahrt eröffnet neue Blickwinkel - nicht nur aufs Stadion. So bietet die neue Arena neben teuren Logen auch Gefängniszellen.

Von Dominik Hutter

Drei Plätze sind schon besetzt. Klappsitze im Unterrang, derzeit noch mit einer Plane geschützt - und das Spielfeld wirkt so nah, als hätte man ein ins Auge integriertes Teleobjektiv verwendet. Klar, der Kran ist nicht Ballack und die blauen Container können eine schöne Mittellinie nicht ersetzen.

Aber das Stadion sieht schon sehr nach Stadion aus, und da kann man ja schon einmal Probesitzen. Unter den Tribünen, so berichtet Bauleiter Jürgen Muth gerade, könnte ein großes Krankenhaus seinen Flächenbedarf stillen. Und Zellen für 50 Randalierer gibt es auch.

Man staunt unter den weißen Helmen. Wie weit alles schon ist. Wie ungewöhnlich die Fassaden-Kissen aussehen. Und welches Glück man hat, das alles schon einmal anschauen zu können. Denn auf der Baustelle der Allianz-Arena geben sich die Besucher nicht eben die Klinke in die Hand. "Wir bieten eigentlich keine Führungen an", sagt Muth.

Da bedarf es schon der Stadtbaurätin, die alle paar Monate eine busfüllende Gruppe von Interessierten zur Architektur-Rundfahrt einlädt. Die Teilnehmer dürfen dann die große Esplanade entlangpromenieren und dabei erfahren, dass man über der größten zusammenhängenden Parkplatzanlage Europas unterwegs ist, dass die versenkten Verkaufsstände "Kassen-Canyons" heißen und dass mehr als tausend Autos direkt im Stadion parken können. Eine gewisse Prominenz ihrer Besitzer vorausgesetzt.

Raum für VIPs - auch an fußballfreien Tagen

Apropos VIPs: Die 106 verglasten Logen, die zwischen dem mittleren und dem oberen Rang einmal ums ganze Rund herum angeordnet sind, waren schon nach sechs Wochen komplett verkauft - überwiegend an Firmen. Eigentlich ein Grund zum Aufatmen für den ach so darbenden Wirtschaftsstandort Deutschland. Die auch an fußballfreien Tagen und sogar in den dazugehörigen Nächten nutzbaren Privat-Abteile kosten immerhin zwischen 95.000 und 240.000 Euro pro Jahr. Die Mindest-Mietzeit beträgt fünf Jahre.

Stadtbaurätin Christiane Thalgott genießt derweil die Aussicht auf die neue München-Nord-Silhouette: die schlanken und mit bis zu 123 Meter Höhe nicht Kronawitter-kompatiblen "Highlight-Towers" am Ende der Nürnberger Autobahn, Uptown am Georg-Brauchle-Ring und der schon seit 1968 frech die Frauenkirche überragende Olympiaturm. Dass viele der neuen Bürohäuser leer stehen, hält Thalgott nicht für dramatisch.

Im Gegenteil - dadurch biete sich die Chance, jahrzehntelange Zweckentfremdung zu beenden. Motto: Büros raus aus den Altbauwohnungen, die dann wieder zum Wohnen genutzt werden könnten. Die Gelegenheit sei gut. "Wohn- und Gewerbemieten nähern sich an." Ausblick zwei auf die "Highlight-Towers" gibt es dann in der etwas entrückten Atmosphäre des Petuelparks.

Während die gläsernen Riesen den Blick gen Osten bestimmen, erklärt Landschaftsarchitekt Jürgen Bertram Details "seines" Parks. Eines hat erst im kommenden Winter Premiere: Bei Kälte beginnt die Stiefel-Skulptur an der Leopoldstraße zu dampfen.

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