Fair Trade:Münchens Mängel bei der Nachhaltigkeit

Lesezeit: 2 min

  • München ist eine von weltweit 1700 Städten, die das Fair-Trade-Siegel tragen.
  • Natursteine, Lebensmittel und Sportbälle werden dort immer häufiger nachhaltig produziert.
  • Mängel gibt es bei Arbeitskleidung und im IT-Bereich.

Von Silke Lode

Wer schon einmal an einer Sitzung des Münchner Stadtrats teilgenommen hat, der hat sich vielleicht über die zwei Körbe gewundert, in denen verschiedene Brezn angeboten werden. Die einen sind Bio, die anderen nicht - soweit gibt es Zugeständnisse an die Geschmäcker. Bei Kaffee und Tee ist die Stadt aber strikt, da gibt es nur Produkte, die das Fair-Trade-Siegel tragen. Das Angebot ist mehr als ein Symbol: Im Rahmen einer Kampagne zur Förderung des fairen Handels hat München sich verpflichtet, bei allen Sitzungen nur Kaffee mit dem entsprechenden Siegel auszuschenken.

Wenn ein Ort dieses und noch einige weitere Kriterien erfüllt, darf er sich "Fair Trade Stadt" nennen. "Meist läuft in den Kommunen schon viel", sagt Lisa Herrmann, die in Deutschland die Kampagne leitet. "Unser Ziel ist es, die Akteure aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft an einen Tisch zu bringen und so den fairen Handel zu fördern." 1700 Städte weltweit tragen inzwischen den Titel.

Spiel ohne Regeln

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(Foto: Getty Images)

Die Stadt sieht zunächst kaum jemand als Spielzeug-Großeinkäufer - dabei kümmert sie sich um Spielzeug für Hunderte von Kindern in ihren Tagesstätten. Es gibt zwar Bestrebungen, Spielzeug aus fairem Handel zu kaufen - allerdings gibt es nach wie vor kein Siegel und kein ausreichendes Angebot an zertifizierter Ware. Wer in München möglichst fair einkaufen will, kann sich auf www.muenchen-fair.de informieren.

Zertifizierte Blumen

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(Foto: imago/Raimund Müller)

Wenn die Stadt Blumenschmuck braucht, steuert der eigene Gartenbau etwa die Hälfte des Bedarfs bei. Was viele Käufer nicht wissen: Blumen stammen oft aus Südamerika oder Afrika, nicht immer sind die Produktionsbedingungen gut. Die Stadt betont, dass ihre Zukäufe großteils aus Anbaugebieten in Europa stammen. Nur ein ganz kleiner Teil, insbesondere Rosen, stamme aus außereuropäischen Ländern - in diesem Fall wird auf Ware geachtet, die ein Zertifikat aus fairem Handel hat.

Grabsteine aus Kinderhand

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Viele Grabsteine hätte die Stadt gerne auf ihrer schwarzen Liste: Schon seit 2007 sollten auf den Friedhöfen nur Grabsteine aufgestellt werden dürfen, die nachweislich ohne Kinderarbeit hergestellt wurden. Der Passus in der Friedhofssatzung musste nach einem Gerichtsurteil aber gestrichen werden. Alt-OB Christian Ude hatte sich daraufhin beim Bayerischen Städtetag für eine Gesetzesänderung eingesetzt. Mit Erfolg: Noch in dieser Legislaturperiode ist eine Novelle des Bestattungsgesetzes geplant, Ausschluss von Grabmalen aus Kinderarbeit inklusive.

Keine weiße Weste

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(Foto: Imago)

Seit 2014 hat die Stadt verschiedene Anläufe unternommen, Arbeitskleidung aus nachhaltiger Produktion zu kaufen. Das Pilotprojekt Blaumänner brachte Ernüchterung, die Ausschreibung war nur erfolgreich, weil einige Bieter nicht in Afrika, Asien oder Lateinamerika fertigen lassen. Nicht einmal weiße Öko-T-Shirts für Küchenpersonal kann die Stadt besorgen. Da ist Raphael Thalhammer vom Nord-Süd-Forum doch erstaunt: "Bei T-Shirts dürfte es keine Probleme geben."

Eine Runde Sache

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

An 350 Münchner Schulen wird mit zehn verschiedenen Ballarten Sport getrieben. Die genähten Fuß- und Handbälle stammen seit 2013 aus fairem Handel. 2014 wurden gut 500 Bälle gekauft - eine relativ geringe Zahl. Um den Markt wirklich zu verändern, wäre eine deutlich größere Nachfrage nötig. Der frühere Bürgermeister Hep Monatzeder hofft deshalb, dass auch die großen Sportvereine bald auf faire Bälle setzen. "An den Münchner Schulen wurden die Bälle getestet - wir waren zufrieden", sagt er. Texte: lod

München ist seit drei Jahren dabei, aber über soziale und ethische Aspekte beim Einkauf macht sich die Stadt schon länger Gedanken. Im Jahr 2002 hat der Stadtrat trotz allerhand rechtlicher Bedenken entschieden, keine Produkte mehr aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu kaufen. Wenn möglich, sollen auch andere Arbeitsnormen garantiert werden. Das klingt gut, in der Praxis stolpert die Stadt aber über die unterschiedlichsten Hindernisse.

Diesen Mittwoch stellt die Verwaltung dem Stadtrat eine Zwischenbilanz vor. Darin sind einige Erfolge dokumentiert, bei Natursteinen zum Beispiel, bei Lebensmitteln oder Sportbällen. Andere Projekte haben ernüchternde Ergebnisse gebracht, so zum Beispiel die Versuche, für Mitarbeiter in Kliniken, beim Gartenbau oder der Müllabfuhr Arbeitskleidung aus nachhaltiger Produktion zu kaufen. So hat bei einer Ausschreibung für Blaumänner kein einziger Bieter Waren mit einem entsprechenden Zertifikat eingereicht.

Neuerungen im EU-Recht

Das Nord-Süd-Forum, das sich seit vielen Jahren mit dem Thema befasst, verweist zwar auf Beispiele aus Dortmund oder Würzburg, wo es gelungen ist, faire Arbeitskleidung zu organisieren. Kritik an der Stadt möchte Raphael Thalhammer vom Nord-Süd-Forum aber nicht üben: "Es gibt einfach zu wenige Anbieter", sagt er. "Leider geht es nur in kleinen Schritten vorwärts, weil auf Firmen, die Arbeitskleidung herstellen, bis vor kurzem nur wenig Druck ausgeübt wurde."

Noch weniger bewegt sich im Computer- und IT-Bereich, dort sind die Handelsketten so lang, dass laut dem Bericht der Stadt die Anbieter die Einhaltung sozialer Kriterien nicht überprüfen können. Grünen-Stadtrat Hep Monatzeder, der das Thema früher als Bürgermeister betreut hat, ist dennoch optimistisch: "Es gibt eine Neuerung im EU-Recht, die es erlaubt, soziale, umweltbezogene oder innovative Kriterien mit in Vergaben aufzunehmen."

Damit ist zumindest eine der Hürden beseitigt. Nicht nur das Nord-Süd-Forum beobachtet aber genau, ob sich nicht eine andere aufgebaut hat: Schließlich hat der faire Handel mit dem Machtverlust der Grünen im Rathaus wichtige Fürsprecher verloren. Monatzeder macht sich da weniger Sorgen: "Das Thema ist beim Direktorium gut aufgehoben." Zumal nach wie vor verschiedene Stellen in der Verwaltung an der nachhaltigen Beschaffung arbeiten würden.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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