Allach/Untermenzing:Zunächst geht es um die Eidechsen

Die Grünfläche zwischen Allacher Straße und Pfarrer-Grimm-Straße soll mit 27 Reihenhäusern bebaut werden. Über eine Klage der Anwohner ist noch nicht entschieden, die Münchenbau gestaltet aber bereits eine Ausgleichsfläche für die dort siedelnden geschützten Tierarten

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Die eigentlichen Bauarbeiten auf der Grünfläche an der Ganzenmüllerstraße entlang der Bahn sollen erst im Frühjahr beginnen. Was jetzt stattfindet, sind die Artenschutzmaßnahmen als Voraussetzung für die Bebauung des 8300 Quadratmeter großen ehemaligen Bahngrundstücks - einer als Biotop kartierten Grünfläche - zwischen Allacher Straße und Pfarrer-Grimm-Straße und Altlastenuntersuchungen. In den nächsten zwei Jahren sollen dort 27 Reihenhäuser mit insgesamt rund 2900 Quadratmetern Wohnfläche in drei Vier- und fünf Dreispännern, eine Kindertagesstätte und 34 Tiefgaragenstellplätze entstehen.

Allach/Untermenzing: Das einstige Bahngelände zwischen Gleisen und Ganzenmüllerstraße, hier in einer Aufnahme vom Juli 2019, wird in den kommenden zwei Jahren zum Wohngebiet.

Das einstige Bahngelände zwischen Gleisen und Ganzenmüllerstraße, hier in einer Aufnahme vom Juli 2019, wird in den kommenden zwei Jahren zum Wohngebiet.

(Foto: Robert Haas)

Die im Juli 2019 erteilte Baugenehmigung - damals gehörte das Grundstück noch der Johann Friedl und Eugen Haaf GmbH & Co. KG - hatte nicht nur bei Anwohnern Bestürzung ausgelöst. Sie hatte auch zu einer bisher noch unbeantworteten Anfrage der Rathausfraktion der Grünen/Rosa Liste an die Stadt über die Vorgänge geführt. Denn die Fläche ist seit 1998 als Biotop ausgewiesen, war von den Behörden aber nie als solches eingestuft oder ernstgenommen worden. Anwohner hatten nach eigenem Bekunden aus der Stadtverwaltung stets die Auskunft erhalten, das Areal sei kein Baugrundstück.

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Als Lebensraum für Zauneidechsen und andere Arten sind im Vorfeld der Bebauung Ausgleichsflächen an der Ganzenmüllerstraße angelegt.

(Foto: Kiefer/Imago)

Friedls Firma hatte es nach eigener Auskunft 2013 "als Baugrundstück von der Bahn" erworben, also noch fünf Jahre bevor Johann Friedl 2018 als Abgeordneter für die Freien Wähler in den bayerischen Landtag eingezogen war. Im Dezember 2019 haben Friedl und Haaf das Grundstück an die Münchenbau GmbH verkauft - mit Baurecht. Dass er nicht selbst bauen wolle, sei von Anfang an Absicht gewesen, sagte Friedl. Seine Firma entwickle und beplane Grundstücke und verkaufe sie dann meist in einzelnen Parzellen, sozusagen vom Plan weg. Nun habe sich ergeben, dass die Münchenbau das Areal komplett habe übernehmen wollen. Solche Pläne selbst umzusetzen, das könne eine relativ kleine Firma wie ihr Unternehmen in solchen Größenordnungen nicht bewältigen, sagt Friedl.

Mein Haus Bauprojekt

Münchenbau hat sich verpflichtet, vor der Errichtung der Reihenhäuser umfangreiche Artenschutzmaßnahmen umzusetzen.

(Foto: Münchenbau)

In Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde und als Teil der Baugenehmigung habe sich die Münchenbau verpflichtet, vor der Errichtung der Reihenhäuser umfangreiche Artenschutzmaßnahmen umzusetzen, teilt sie in einer Presseerklärung mit. Denn auf dem Gelände lebten geschützte bis streng geschützte Reptilien- und Insektenarten wie die Zauneidechse, die Blauflügelige Ödlandschrecke oder der Tagfalter Idas-Bläuling. In einem speziell für diese Arten erarbeiteten Pflege- und Entwicklungskonzept habe das Unternehmen eine sogenannte CEF (Continuous Ecological Functionality)-Maßnahmenfläche hergestellt. Dabei handele es sich um eine rund 2100 Quadratmeter große Ausgleichsfläche, auf der die drei geschützten Arten deutlich mehr Raum als vorher bekämen, indem ein angrenzender Wiesenstreifen gezielt nach deren spezifischen Lebensraumansprüchen umgestaltet werde. Vorsorglich habe die Münchenbau von den Münchner Landschaftsarchitekten Ohnes & Schwahn eine Simulation der Gebäudeschatten erarbeiten lassen, um nicht Bereiche für die Eiablage zu gefährden. Nach Fertigstellung der Fläche werde die Münchenbau 25 Jahre lang von einer Fachkraft in einem Monitoring die Umsetzung und deren Erfolg kontrollieren lassen. Die Kosten für das Biotop beliefen sich auf rund 100 000 Euro. Hinzu kämen jährliche Pflegeausgaben von 3000 Euro sowie die Aufwendungen für die Erfolgskontrolle, lässt Münchenbau-Gründer und Geschäftsführer Friedrich Neumann mitteilen. Doch die Maßnahmen seien richtig und wichtig.

Derweil ist seit dem Herbst eine Klage gegen die Stadt wegen Unzumutbarkeit, der Dichte des Projekts und seiner negativen Auswirkungen beim Verwaltungsgericht anhängig, die von fast zehn Anwohnern unterstützt wird. Sie haben auch ein eigenes Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben. "Die Zahlen des bisherigen Gutachtens sind an sich zwar richtig, aber die Schlussfolgerungen nicht valide", sagt Uwe Geuß als einer der Betroffenen. Mit der Klage selbst habe man etwas Pech gehabt und viel Zeit verloren, sagt er. Sie hätten sich eine neue Rechtsvertretung suchen müssen. Ihre bisherige Anwältin habe ihr Mandat niedergelegt, wegen eines Interessenkonflikts, weil die jetzige Eigentümerin des Grundstücks Münchenbau eine langjährige Mandantin ihrer Kanzlei sei. Die Mandatsaufgabe sei aber erst im Frühjahr, also Monate nach dem Kauf, erfolgt.

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