Allach/Untermenzing:Irrtum mit fatalen Folgen

Abgeholzte Bäume Allach entlang der ICE Strecke

Trauriger Anblick: Von den Bäumen sind nur noch Stümpfe geblieben.

(Foto: Florian Peljak)

Niemand fühlte sich für Bäume und Sträucher an der Ludwigsfelder Straße zuständig, jetzt musste gerodet werden

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Die Anwohner waren in Aufruhr, der immer noch nachhallt: Einige Allee- und acht andere Bäume, darunter eine Eberesche, ein Ahorn und mehrere Obstbäume, sind im Karree zwischen der Ludwigsfelder Straße, der Peter-Müller- und Spiegelbergstraße und der Ostseite der Bahnunterführung abgeholzt worden. Die Anwohner sprachen in mehreren Sitzungen des Bezirkausschusses von einer "Radikalmaßnahme" und einem "Schildbürgerstreich".

Die Bäume waren im Zuge des Ausbaus der ICE-Strecke München-Ingolstadt vor mehr als zehn Jahren als ökologischer Ausgleich für das Kreuzungsbauwerk der Unterführung angepflanzt worden. Für die Anrainer bedeuteten sie neben schönem Grün auch einen guten Emissions- und Sichtschutz, zudem habe das Wurzelwerk des Bewuchses im Lauf der Zeit die Bahnböschung befestigt und weitere Erdrutsche verhindert. Außerdem ärgern sich die Betroffenen, dass sie mit keinem Wort über die Abholzaktion informiert worden sind.

Der Bezirksausschuss stand zunächst auch vor einem Rätsel. Nun aber ist klar, dass die Bäume einem länger zurückliegenden Irrtum der Bahn zum Opfer gefallen sind. Wie die im Planungsreferat angesiedelte Untere Naturschutzbehörde mitteilte, waren Herstellung und Pflege der Ausgleichsfläche vertraglich zwischen der Deutschen Bahn Projektbau und der Stadt geregelt. Allerdings habe die Bahn nach Ablauf der anfänglichen Pflegezeit die Hege eingestellt, sodass die festgesetzten naturschutzfachlichen Ziele verfehlt worden seien. Sie hätten nur noch mit einer Neuanlage der Fläche oder erheblichen Nachbesserungsmaßnahmen in nicht mehr vertretbarem Aufwand erreicht werden können. Laut Planungsreferatssprecher Thorsten Vogel hatte die Bahn die Pflege nach zwei Jahren eingestellt - so lange dauert es, bis Bäumchen und Sträucher einigermaßen verwurzelt sind -, weil sie irrtümlich angenommen hatte, dass danach das Baureferat zuständig sei. Bis der Fehler bemerkt wurde und man sich gegenseitig ins Benehmen gesetzt hatte, war das Grundstück "verkommen", sagt Vogel.

Die jahrelang unterlassene Pflege hatte Folgen: Sträucher starben ab, völlig neue Arten wuchsen, Laub verrottete auf dem Boden, Gras verfilzte. So beschreibt die Untere Naturschutzbehörde den Zustand. Dadurch war der Boden mit Nährstoffen getränkt, auf dem sich Brennnesseln und andere schnellwüchsige hohe Pflanzen ausbreiteten. Entwickelt werden sollte aber Magerrasen, der den Austausch von Tieren und Pflanzen zwischen den noch vorhandenen wertvollen Magerrasenbeständen in der Allacher Steppenheide im Osten mit südlich und nördlich gelegenen Lebensräumen ermöglicht. Zudem sei die Stelle eine der wenigen, die geeignet sei, die beim Bahnausbau verloren gegangenen trockenen, mageren und offenen Gebiete zu ersetzen. Deren Neuschaffung habe die Regierung von Oberbayern seinerzeit im Planfeststellungsbescheid zum Streckenausbau eigens festgesetzt.

Jetzt muss wieder der Oberboden abgetragen werden, danach wird erneut Streugut aus geschützten Flächen der Steppenheide ausgebracht. Weil eine von Bäumen beschattete Magerwiese ihre Funktion nicht erfüllen kann und sie die Pflege für die Stadt erheblich erschweren und verteuern würde, mussten auch einige Bäume und Sträucher weichen. Die Kosten übernehme die Bahn, sagt Vogel. Danach sei das städtische Baureferat zuständig.

Die Anwohner tröstet das alles nur wenig. "Da werden Obstbäume abgesägt und dafür sollen jetzt Magerrasen und Bienen kommen", entrüstet sich eine Frau. "Wer will denn schon Magerrasen?", fragt ein Mann, "wir wollen es feucht, damit mehr Regen kommt."

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