Süddeutsche Zeitung

Allach/Untermenzing:Die Tücken der Technik

Lesezeit: 2 min

Bei der Einfahrt in die Tiefgarage des Einkaufzentrums "Evers" wird das Autokennzeichen mit einer Kamera erfasst. Doch mit dem schrankenlosen Parksystem kommen nicht alle Kunden klar - gerade was die Bezahlung ohne Ticket betrifft

Von Mira Brünner, Allach/Untermenzing

"Altersdiskriminierung" und "Kostenfalle" - so haben Bürger das nagelneue, schrankenlose Parksystem der Tiefgarage des Einkaufszentrums "Evers" schon bezeichnet. Laut Werner Nouffer, Geschäftsführender Gesellschafter des Betreibers von der Parken & Management GmbH sind das jedoch Einzelfälle: "Mehr als 98 Prozent der Kunden kommen mit dem System klar." Beim Lokaltermin zeigte sich nun allerdings deutlich, dass das System seine Tücken hat und alles andere als intuitiv verständlich ist.

Denn während der ausführlichen Erklärung des Bezahlvorganges am Park-Automat durch die beiden Vertreter der Parken & Management GmbH kommt es immer wieder zu Unterbrechungen. Eine Kundin fragt, ob sie nun vor oder nach dem Einkaufen zahlen müsse. Eine andere bezeichnet das System als "kompliziert" und erzählt, dass sie einmal für eine ganze Woche habe bezahlen müssen, obwohl sie nur kurz einkaufen gewesen sei. Am Ende habe sie den Betrag aber erstattet bekommen. Ein Mann bittet um Hilfe. "Wo sind Sie sonst?", fragt er, bevor er zurück zu seinem Auto geht. "Die ersten drei Wochen nach der Eröffnung hatten wir Personal hier", räumt Anton Jais, Regionalleiter der Parken & Management GmbH, ein. Aktuell kann bei Problemen eine Hotline angerufen werden, die auf dem Automaten vermerkt ist. Einen Ansprechpartner an Ort und Stelle gebe es normalerweise nicht.

Neuartig ist in der Tiefgarage nicht nur die schrankenlose Ein- und Ausfahrt, sondern auch das Bezahlen ohne Parkticket. Dafür wird an den Einfahrten das Nummernschild mit einer Kamera erfasst. Nach dem Einkauf müssen die Kunden dann ihr Kennzeichen auf dem Display der Parkautomaten eingeben und das aufgenommene Bild ihres Nummernschildes bestätigen, um den Zahlungsvorgang zu starten. Auf die Parktickets verzichten die Betreiber bewusst - aus Umweltgründen, weil so eine Menge Müll vermieden werden kann. "Wir haben den Nachteil, dass wir die Ersten sind, die das in Deutschland machen. Da müssen sich die Leute erst daran gewöhnen", sagt der Geschäftsführende Gesellschafter, Nouffer.

Auch die Beschilderung im Parkhaus finden Nutzer unzureichend. So finden sich lediglich Schilder, die den Aufgang zum Edeka anzeigen, nicht aber zu anderen Geschäften oder zur S-Bahn. Jais verweist dazu deutlich auf die Verantwortung des Einkaufszentrums: "Wie man ins Einkaufszentrum kommt, ist nicht unsere Aufgabe." Die Beschilderung im Parkhaus selbst mit Hinweisen zur Kostenpflichtigkeit trotz fehlender Schranke und zum Finden der Ausgänge betrachtet er als vollkommen ausreichend. Auch dass neben den Automaten mit Touchscreen keine Desinfektionsmöglichkeiten angeboten würden, sei kein Problem. Diese gebe es schließlich im Einkaufszentrum. Ihre Automaten selbst reinigt und desinfiziert die Firma dreimal die Woche.

Aktuell betreibt die Parken und Management GmbH nach eigener Aussage 20 Parkhäuser in Deutschland, acht davon mit schranken- und ticketloser Technik. Doch ungeachtet der fehlenden Schranken - ist das System wirklich barrierefrei? Die Displays der Automaten sind vergleichsweise hoch angebracht, der Automat am Ausgang Hintermeierstraße ist zudem auf einer Bordsteinerhöhung platziert. Sind die Automaten auch für Rollstuhlfahrer geeignet? Werner Nouffer sagt: "Wir haben extra niedrigere Automaten, aber nicht hier. Da denken wir mal drüber nach, bisher gab es da aber keine Beschwerden."

Zum Schluss des Pressetermins kommt noch eine weitere Kundin. Sie habe eine Rechnung in Höhe von 45 Euro bekommen, weil sie nicht gezahlt habe und wolle die Chance nutzen, sich gleich zu beschweren. Nouffer und Jais reagieren nachsichtig. Sie notieren das Kennzeichen der Frau und versprechen, sich darum zu kümmern. Ob dieses kulante Verhalten auch ein wenig an der Anwesenheit der Reporterin liegt?

Diskriminieren wollen die Parkhaus-Betreiber mit ihrem System jedenfalls niemanden, das versichern sie - weder Jung noch Alt. Stattdessen sehen sie darin das Parken der Zukunft: "Das System wird sich in Deutschland durchsetzen."

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SZ vom 24.02.2021
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