Süddeutsche Zeitung

Allach/Untermenzing:Der Stadtbezirk fühlt sich vernachlässigt

Die gut besuchte Bürgerversammlung erhebt den Vorwurf, dass im milliardenschweren Schulbauprogramm kein Geld für Allach-Untermenzing vorgesehen ist. Und auch ein Verkehrskonzept wird schmerzlich vermisst

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) ist offensichtlich ehrlich überrascht. Und das gleich vom ersten Antrag in der Bürgerversammlung für den Stadtbezirk Allach-Untermenzing, ungewohnt unter der Kuppel des Zirkus Crone, noch bevor es zum erwartbaren Thema um die künftige Schulplanung im Münchner Nordwesten zur Sache geht. Der marode Zustand der städtischen Grundschule an der Pfarrer-Grimm-Straße halte schon viel zu lange an, kritisiert Verena Rommel-Scholz. Sie spricht von einer Schere zwischen Bestand und Neubauten: Da legt die Stadt mit 6,5 Milliarden Euro das bundes- wenn nicht europaweit größte Schulbauprogramm vor, aber der Bestand werde seit Jahren vernachlässigt. Und der lang anhaltende Beifall der rund 220 Bürgerinnen und Bürger in der von Dietl geleiteten Versammlung gibt ihr recht. Michael Rosch geht im nächsten Antrag einen Schritt weiter: Kein einziger Euro aus dem milliardenschweren Schulbauprogramm sei für Allach-Untermenzing eingeplant, dabei herrsche schon heute ein großer Mangel an weiterführenden Schulen. "Das ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel", sagt er. "Man hat keine Ahnung, wo die eigenen Kinder zur Schule gehen sollen. Wir fragen uns, warum die Realitäten nicht gesehen werden." Anders als der jüngste Vorschlag aus dem Planungsreferat, das einzige Gymnasium im Stadtbezirk auf Jahre vom Schulzentrum in einen Neubau an den Dreilingsweg in Obermenzing auszulagern, um die Carl-Spitzweg-Realschule und die Grundschule zu erweitern, fordert er, Gymnasium und Stadtbücherei am jetzigen Standort zu erhalten, die Carl-Spitzweg-Realschule auf dem Gelände des SV Untermenzing zu bauen und den Sportverein auf der "Erdbeerwiese" anzusiedeln.

Rommel-Scholz und Rosch gehören der Bürgerinitiative (BI) USUS ("Unser Stadtteil - Unsere Schulen. Für wohnortnahe Bildung in Allach-Untermenzing") an. Erst im Juli gegründet, verfügt sie bereits über fast 330 Mitglieder und Unterstützer. Keine Frage, der Stadtteil fühlt sich vernachlässigt, wie die Resonanz der Versammelten auf die Anliegen zeigte.

Aber nicht nur bei Bildung und Betreuung: Er wohne jetzt seit zehn Jahren im Stadtbezirk und habe noch keine einzige verkehrsstrukturelle Maßnahme der Stadt gesehen, monierte ein Mann. Die verkehrstechnische Entwicklung gehe nicht Hand in Hand mit der stark wachsenden Bebauung. Die Eversbuschstraße, wichtigste Nord-Süd-Achse aber im Ausmaß einer alten Dorfstraße, sei ebenso wie die Ludwigsfelder Straße nicht erweiterbar. "Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Es ist ein Armutszeugnis, was städteplanerisch bisher stattgefunden hat." Eine Frau fordert im Hinblick auf das Kirschgelände mit künftig bis zu 1300 neuen Wohnungen und das frei werdende Gelände nach dem Umzug der Maschinenbaugruppe Krauss-Maffei, ohne Verkehrskonzept keine Baugenehmigungen zu erteilen oder Bebauungspläne zu entwickeln. Wobei auch die benachbarte Panzerteststrecke von Krauss-Maffei Wegmann in einem der 16 Anträge und drei Anfragen eine Rolle spielte. Diese dürfe immissionsschutzrechtlich nur unter Auflagen genehmigt werden, damit sie künftige Wohnungen und Schulen auf dem angrenzenden Areal nicht be- oder verhindere, lautete eine Forderung, die nur eine Gegenstimme erhielt. Die Entscheidung über die Teststrecke steht wegen eines Petitionsverfahrens noch aus.

Kleineren Verkehrsanliegen wie der schwierigen Sichtbeziehung vom Pasinger Heuweg zur Mühlangerstraße will das Mobilitätsreferat schnell nachkommen. Schwieriger wird es bei mittleren Problemen wie der angespannten Parksituation in der Gerberau. Die Erhöhung der Parkplatz-Zahl am S-Bahnhof Karlsfeld auf 400 sei "etwas ins Stocken geraten", da das Gelände der Bahn gehöre, sagte der Vertreter des Referats. Für die großen Dinge wie ein Verkehrskonzept verwies er auf die zweite Stammstrecke und den Ausbau der A 99, der den Durchgangsverkehr auf der Eversbuschstraße weiter stabilisiere.

Bürgermeisterin Dietl aber bot sofort einen Ortstermin mit der BI an. Was sie über den Zustand der Grundschule gehört habe, sei inakzeptabel und habe sie überrascht. Vom Bildungsreferat war in der Bürgerversammlung niemand zugegen. Alles andere müsse gemeinsam angegangen werden, sagte Dietl. Die Obermenzinger hätten da nämlich eine gegenteilige Auffassung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5364552
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.07.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.