Süddeutsche Zeitung

Allach/Maxvorstadt:Rauschende Nächte im Outback

Lesezeit: 2 min

Brigitta Liesabeths und ihre Freunde retten die "Weißen Feste": Weil die Max-Emanuel-Brauerei wegen Renovierung geschlossen ist, ziehen sie die legendäre Faschingsveranstaltung in der Schießstätte am Stadtrand auf

Von Anita Naujokat, Allach/Maxvorstadt

Die "Weißen Feste" in der Maxvorstadt, sie sind legendär, und aus München, das sonst nicht gerade als Faschingshochburg zählt, nicht wegzudenken. Gegründet von Künstlerkreisen feierten sie die Menschen seit 1967 freitags und samstags traditionell in der Max-Emanuel-Brauerei - 13 bis 14 Feste pro Faschingssaison. Ganz in Weiß wurden sie gehalten, weil, so die Überlieferung, Künstler und Studenten damals kein Geld für aufwendige Kostümierungen besaßen. Einzig am Faschingsdienstag war Schwarz Pflicht, aus "Trauer" über das Ende der närrischen Zeit.

Schwarz sehen mussten die Fans plötzlich für die ganze Saison: Nach dem Aus in der Max-Emanuel-Brauerei - sie soll renoviert werden - drohten die Feste zu versiegen. Wären da nicht Brigitta Liesabeths, Richard Kirmis und ein Team eingefleischter Anhänger. Innerhalb von drei Wochen haben sie es geschafft, drei ausverkaufte Weiße Feste mit drei verschiedenen Showacts zu organisieren, das erste diesen Freitag. Und als Rettungsanker erwies sich - wieder mal - die Allacher Schießstätte.

Dort hat schon die ebenso legendäre Schwabinger Musikbühne "Podium" mit Wirt Michael Vogel vor genau fast drei Jahren eine neue Heimat gefunden, als er nach 44 Jahren aus dem angestammten Domizil in Schwabing weichen musste. Er hatte auch das Altschwabinger Straßenfest ausgerichtet, auch das ist seitdem Geschichte.

Brigitta Liesabeths war seit zwölf Jahren jedes Jahr mit einer großen Gruppe auf den Weißen Festen. Als sie nach ihrem Skiurlaub zum Jahreswechsel von der Schließung der Max-Emanuel-Brauerei erfuhr, setzte sie sich sofort mit anderen Fans in Verbindung und sagte: "Wir müssen was tun." In Allach-Untermenzing wohnhaft, wusste sie: Da gibt es die Schießstätte, ein Wirtshaus mit eigener Küche, großem Festsaal mit Bühne und Biergarten. Sie ist sofort hingefahren und hat in Michael Vogel einen Befürworter gefunden.

Die weiße Dekoration machen sie und freiwillige Helfer in Eigenregie, die Tischdeko basteln sie von Hand, Kassen- und Garderobendienst standen über private Whatsapp-Gruppen innerhalb eines Tages. Zwei junge Nachwuchs-DJs sind auch gefunden, denen die Organisatoren eine Chance und Plattform bieten wollen, sich zu präsentieren. "Denn die Weißen Feste sollen ja weitergehen, also generationsübergreifend sein", sagt Liesabeths. Auch die Showacts der Tanzschulen und -gruppen sind über persönliche Kontakte zustande gekommen. Zudem wollten sie und ihre Mitstreiter eine Lanze brechen für den Stadtrand von München, "das Outback", wie Liesabeths sagt. "Es muss nicht immer die überfüllte Innenstadt sein."

Ganz persönlich habe sie an der ganzen Aktion aber am meisten gefreut zu sehen, dass es noch Enthusiasmus, Engagement, Teamgeist, Zusammenhalt und spontane Hilfsbereitschaft gebe. Einzige Krux für den Veranstaltungsort sei die schlechte öffentliche Verkehrsanbindung. Hierbei müssen die Münchner Verkehrsbetriebe dringend nachbessern, sagt Liesabeths. Die idyllisch gelegene Allacher Schießstätte verfüge zwar über einen großen Parkplatz, in der Nacht aber sei der Stadtbezirk quasi von der Innenstadt abgehängt. Am Wochenende fahre die letzte S-Bahn stadteinwärts um 1.16 Uhr, die nächste erst wieder um 4.56 Uhr. Dazwischen sei man auf Taxis angewiesen. Und nicht jeder habe ein Auto und wenn, dürfe man als Fahrer nichts trinken.

Die schlechte Nachricht für alle Noch-Fans, die jetzt schon nach weißen Klamotten kramen wollen: Alle drei Weißen Feste mit jeweils 200 Karten sind tatsächlich restlos ausverkauft, ebenfalls innerhalb von drei Wochen, und es gibt Wartelisten. Und mehr Termine waren wegen des dichten Veranstaltungskalenders in der Allacher Schießstätte in der Kürze der Zeit nicht mehr drin.

Geht es nach Brigitta Liesabeths, soll es nicht bei dieser einen Rettungsaktion für die Weißen Feste bleiben. "Wir würden gerne weitermachen, aber in welcher Größenordnung und in welchem Maße wissen wir noch nicht." Letztlich könnte auch noch ein Gewinn für den Stadtbezirk herausspringen. Denn selbst wenn die Weißen Feste nach der Renovierung und der Pächter-Ausschreibung wieder in die Max-Emanuel-Brauerei zurückkehren können, ist es für Brigitta Liesabeths vorstellbar, eigene Weiße Feste in Allach zu etablieren, für den Stadtbezirk und das gesamte Umfeld wie Aubing, Lochhausen und die Nachbargemeinde Karlsfeld.

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SZ vom 07.02.2020
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