Alkoholverbot in der S-Bahn:Volle Fahrt vorausch

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Trotz der guten Erfahrungen in U-Bahn, Bus und Tram hat sich die S-Bahn lange gegen ein Alkoholverbot gesträubt. Im Dezember ist es nun doch soweit - und die Mehrheit der Fahrgäste begrüßt offenbar die Regelung.

Marco Völklein

Was für die Fahrgäste gilt, das gilt selbstverständlich auch für den Boss. Als Herbert König, der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), und der Siemens-Manager Hans-Jörg Grundmann im vergangenen November auf dem U-Bahnsteig unter dem Marienplatz den Vertrag über die Bestellung von 21 neuen Zügen unterzeichneten, da durften die beiden Herren nur mit Wasser anstoßen. Ein Glas Sekt zur Feier des Tages? Nicht in der Münchner U-Bahn! Dort gilt schließlich seit Februar 2009 ein generelles Alkoholverbot. Nun wird das Verbot ausgedehnt - von Mitte Dezember an gilt es auch in der S-Bahn.

Dieses Bild soll nach dem Willen der Bahn der Vergangenheit angehören. Alkohol will sie in den S-Bahnen nicht mehr dulden. (Foto: Robert Haas)

Die Details will die Deutsche Bahn, die die S-Bahn betreibt, intern noch klären; bislang hat sie lediglich beim Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) beantragt, die Beförderungsbedingungen entsprechend zu ändern. Dort steht bisher nur, dass in den Bahnen und Bussen der MVG sowie in den Regionalbussen, die der MVV in den Landkreisen rund um München betreibt, das öffentliche Alkoholtrinken nicht erlaubt ist. Voraussichtlich Mitte November, so erklärt ein Bahn-Sprecher, wird der Konzern weitere Details erläutern, auch zu der Frage, ob das Verbot zugleich an den Bahnhöfen gelten soll. Klar ist jedoch: In den Regionalzügen, mit denen auch viele Pendler innerhalb des MVV zum Beispiel von Dachau, Grafing oder Freising zum Münchner Hauptbahnhof fahren, wird es kein Konsumverbot geben.

Damit bleibt die Bahn ihrer bundesweiten Linie treu: Denn außer in Hamburg, wo seit Anfang September ein generelles Alkoholverbot in allen Verkehrsmitteln des örtlichen Verbunds gilt, sträubte sie sich bislang gegen ein solches Verbot. Sie wollte ihren Kunden insbesondere auf längeren Strecken das gemütliche Feierabendbier nicht strikt untersagen. Hinzukommt: In den Bistrowaggons ihrer Fernverkehrszügen und zum Teil im Regionalverkehr durch mobile Verkäufer bietet die Bahn selbst alkoholische Getränke an. Auch in München schlossen sich die örtlichen Bahn-Manager dem Verbotsvorstoß der MVG im Jahr 2009 nicht an.

Dabei seien die Erfahrungen mit dem Trinkverbot in U-Bahn, Tram und Bus erfreulich, heißt es bei der MVG. Vor allem hätten die Mitarbeiter nun eine "unzweifelhafte Rechtsgrundlage" an der Hand, sagt MVG-Sprecherin Bettina Hess. "Das erleichtert das Vorgehen gegen Verstöße."Auf lange Diskussionen mit renitenten Fahrgästen, die zum Beispiel angetrunken andere Passagiere belästigen, müssten sich die Mitarbeiter nun nicht mehr einlassen. Wer trinkt, fliegt im Zweifelsfall raus - aus der Bahn, dem Bus oder dem U-Bahnhof. Ein Bußgeld allerdings kassiert die MVG nicht - anders als in Hamburg, wo bei einem Verstoß 40 Euro Bußgeld fällig werden. Eine Statistik darüber, wie viele Fahrgäste die MVG-Mitarbeiter im Jahr wegen Alkoholkonsums aus den Anlagen und Waggons schicken, gebe es nicht, erklärt Hess. Die Mehrheit der Kunden unterstütze das Alkoholverbot. In Hamburg hatten sich sogar 86 Prozent der Fahrgäste dafür ausgesprochen.

Auch Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn begrüßt das künftige Alkoholverbot in der S-Bahn - "sofern es von der Bahn angemessen gehandhabt" werde. Der Konzern könne sich dabei am Beispiel der MVG orientieren, wo seiner Ansicht nach die Mitarbeiter das Verbot besonnen umsetzen. Grundsätzlich gehe es darum, die S-Bahn als Verkehrsmittel attraktiver zu machen, sagt Barth - ein Alkoholverbot sei da ein richtiger Ansatz. Auch der MVV hält die Neuerung für gut: Es sei sinnvoll, in allen Nahverkehrsmitteln des Verbunds eine einheitliche Regelung zu haben, so eine Sprecherin. Es in der Praxis umzusetzen sei allerdings Aufgabe der Verkehrsunternehmen, also von MVG und Deutscher Bahn.

Und genau daran tüfteln bis November die S-Bahn-Manager. Vorher will der Konzern nichts bekanntgeben; am Freitag wollte er noch nicht einmal sagen, wie viele Sicherheitsleute im Schnitt in S-Bahn-Zügen und Bahnhöfen im Einsatz sind. Vor allem bei Großveranstaltungen könnte es schwierig werden, das Alkoholverbot durchzusetzen - solche Argumente führen zum Beispiel auch immer wieder die Berliner Verkehrsbetriebe an, wenn dort Forderungen nach einem generellen Alkoholverbot laut werden. Die MVG setzt in solchen Fällen auf "eine Strategie mit Augenmaß", wie Sprecherin Hess es nennt. "Selbstverständlich wollen wir nicht eskalieren." Grundsätzlich werde ein "Trinker" zunächst auf das Verbot hingewiesen; sollte er keine Einsicht zeigen, forderten ihn die Mitarbeiter auf, Bahn, Bus oder Bahnhof zu verlassen.

Was genau die Bahn nun dazu bewogen hat, ihre Position zu ändern, ließ ihr Sprecher offen. Vor kurzem hatte Norbert Klimt, der Chef von DB Regio Bayern und damit auch verantwortlich für die Münchner S-Bahn, beklagt, dass man beim diesjährigen Oktoberfest mit zahlreichen Alkoholexzessen von Fahrgästen zu kämpfen hatte. Schon morgens bei der Anreise zur Wiesn seien viele Fahrgäste damit beschäftigt gewesen, ordentlich "vorzuglühen". Und in den Abendstunden mussten die für die Sicherheit verantwortlichen Bahner immer wieder darauf reagieren, dass Betrunkene andere Fahrgäste anpöbelten, Handbremsen mutwillig zogen oder im Rausch auf die Gleise liefen und so Gleissperrungen provozierten. Auf die Frage, ob man nun auch ein Alkoholverbot in der S-Bahn benötige, hatte Klimt da allerdings ausweichend geantwortet.

© SZ vom 22.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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