Man kann Alfons Schuhbeck ansehen, dass es ihm nicht gut geht. Dass die Aussicht an ihm nagt, möglicherweise bald im Gefängnis zu sitzen. Er, der Tausendsassa, der Liebling der Münchner Gesellschaft, der begnadete Koch. An diesem dritten Verhandlungstag sagt der 73-Jährige es dann auch selbst, mit belegter Stimme: "Mir ist bewusst, dass mir Gefängnis droht, diese Vorstellung bereitet mir Angst." Und nur dieser Angst sei es zuzuschreiben, dass er nicht gleich am Mittwoch mit allem herausgerückt sei.
Dann folgt sein Geständnis, zweiter Teil: Er habe nicht nur im Restaurant "Orlando", sondern auch in seinen "Südtiroler Stuben" am Münchner Platzl die Kasse manipuliert und Geld entnommen. "Die fehlenden Rechnungsnummern sind auch auf Computermanipulation zurückzuführen", sagt er. Wie schon im "Orlando", was er zugegeben hatte. Bei den "Südtiroler Stuben" aber hatte er am Mittwoch noch alles im Nebulösen gelassen: Er könne sich nicht erinnern, sein Büro stand immer offen, es könnte auch jemand anderer gewesen sein, all so was.
Nun wird Schuhbeck deutlich: "Es gibt keinen fremden Dritten. Es gab auch hier Computermanipulationen. Es ist durch mich veranlasst. Deswegen muss ich die Verantwortung dafür übernehmen." Aber, das ist ihm wichtig, "die Höhe der stornierten Rechnungen war nicht so hoch, wie es mir vorgeworfen wird".
Mehr sagt er nicht. Nicht, wie das Computerprogramm funktionierte. Nicht, wie er an das Geld in der Kasse kam. Nicht, wie viel er jeweils abgezweigt hat.
Das reicht den drei Richterinnen nicht. Sie können ihre Ungeduld kaum verbergen. Das, was ihnen Alfons Schuhbeck gerade vorgelesen hat, ist ihnen viel zu allgemein. "Ja, wie war es denn nun?", fragt die Richterin. Und Schuhbeck sagt, er könne sich nicht genau erinnern, viel zu viel zu tun. "Da rennen Sie da hin und da hin und da hin. Ich war sehr aktiv in der Zeit." Noch allgemeiner geht es nicht.
Zwischen 2010 und 2015 soll nur an 61 Tagen nicht manipuliert worden sein
Da wird die Vorsitzende Richterin Andrea Wagner ernst: "Erinnerungslücken sind manchmal hilfreich, in solchen Verfahren eher nicht."
Denn die Zahlen sprechen eine recht klare Sprache. 1100 Tage haben die Steuerprüfer überprüft, von 2010 bis 2015, nur an 61 Tagen wurde demnach nicht manipuliert. Durchschnittlich 380 Euro seien pro Tag entnommen worden, hat die Steuerprüferin geschätzt.
Die Verteidiger kämpfen nun darum, dass das Gericht diese Schätzung nicht als felsenfest ansieht. Denn je höher die Schätzung ausfällt, desto höher fällt die Strafe aus - und die Nachzahlung der Steuer. Schuhbeck ist schon jetzt ruiniert. 2021 hat er Insolvenz angemeldet, seine Restaurants gehören ihm nicht mehr. Jeder Tausender, den die Anwälte nach unten drücken können, hilft Schuhbeck. Doch ob sie ihn vor einer Gefängnisstrafe bewahren können? Schuhbeck ist wegen 2,4 Millionen Euro hinterzogener Steuern angeklagt, bereits bei einer Million schreibt der Bundesgerichtshof vor, dass keine Bewährung mehr möglich ist. Die Verteidiger sagen, so viel könne Schuhbeck nicht entnommen haben - warum hätte er dann in den Jahren 2013 und 2014 Darlehen in Millionenhöhe aufnehmen sollen, um seine Geschäfte zu finanzieren?
Und vielleicht war ja auch nicht alles Manipulation, sagen die Verteidiger. Wurden Rechnungen eines Tisches unter den einzelnen Gästen gesplittet, konnten Rechnungsnummern verschwinden. Die Richterin wird wieder streng: "Es fehlen rund 1000 Rechnungsnummern in den Südtiroler Stuben. Das ist nicht durch Rechnungssplitten zu erklären." Rund 16 Prozent der Tageseinnahmen fehlen nach den Überprüfungen der Steuerprüfer. An einem Tag, an Silvester 2010, hat man das sogar schriftlich: 37 000 Euro wurden eingenommen, 35 000 der Buchhaltung gemeldet, 32 000 dem Finanzamt. Allerdings sind an Silvester die Einnahmen immer besonders hoch.
Die Computer-Programme seien im Internet frei verfügbar, sagt der Mitangeklagte
Schuhbecks Verteidiger bekommen Unterstützung vom Mitangeklagten Jürgen W. Er sitzt, grauer Anzug, graue Perücke, lässig zurückgelehnt auf seinem Stuhl, als säße er im Lounge-Chair einer Bar, als wäre er hier nur der geschätzte Gutachter für alles, was mit Computern zu tun hat und nicht der Mitangeklagte. Dabei war er es, der für Schuhbeck das "Tool" programmiert hat, mit dem der Koch die Kasse im Restaurant "Orlando" manipulierte.
Und wie war das nun in den "Südtiroler Stuben"? Das fragen ihn die drei Richterinnen. Ein uraltes Rechnungssystem, mitgebracht noch aus Waging, sagt der IT-Experte, fehleranfällig. Dann die Lokale von Schuhbeck, über das ganze Platzl in München verteilt: "Wenn da ein Lastwagen vorbeifuhr, brachen die Leitungen zusammen." Da könne es schon vorkommen, dass Rechnungsnummern nicht übertragen werden.
Tja, sagt die Richterin, "man muss ja auch was drin lassen in der Kasse." Aus ihrer ganzen Haltung spricht Skepsis.
Die Staatsanwältin fragt den IT-Techniker rundheraus: "Haben Sie das Tool auch für die "Südtiroler Stuben" programmiert?" Jürgen W. schnaubt: "Ich nicht, das wäre ja noch schöner." Und dann gibt er eine Erklärung, über die man sich wundern kann: "So ein Tool ist im Internet frei verfügbar. Könnte sein, dass sich so ein Tool bei Schuhbeck eingefunden hat." Noch am Mittwoch hatte er erklärt, Schuhbeck könne kaum einen Computer bedienen. Nun soll er sich ein Manipulationstool besorgt und im Computer installiert haben.
Nach 2016 konnte die Steuerprüferin dann keine Manipulationen mehr feststellen. Schuhbecks Verteidiger Markus Gotzens sagt schnell: "Ab 2016 war dann alles in Ordnung." Die Steuerprüferin entgegnet: "Ab da konnte ich nichts mehr feststellen." Ein feiner Unterschied. Gotzens sagt: "Für mich als Verteidiger heißt das dann: alles in Ordnung." Er lächelt, die Richterin lächelt zurück. Dann sagt sie mit unüberhörbarer Ironie: "Das würde ich als Verteidiger auch so sehen." Sie will bereits am 27. Oktober das Urteil sprechen.