Neuer Ausstellungsraum:Beste Aussichten

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Die Alexander Tutsek-Stiftung setzt auf ein vielfältiges Vermittlungsprogramm, um ihren neuen Ausstellungsraum, die Black Box, in der Parkstadt Schwabing bekannt zu machen. Hier Weng Fens Fotoarbeit "Bird's Eye View - Shanghai No. 1" von 2005. (Foto: © Weng Fen / Courtesy Tang Contemporary Art)

Die Alexander Tutsek-Stiftung fördert Kultur und Wissenschaft und hat eine bedeutende Sammlung mit Fotografie und Glaskunst aufgebaut. Neben einer Jugendstilvilla als Ausstellungsraum leistet sie sich nun noch die "Black Box" in der Parkstadt Schwabing.

Von Evelyn Vogel, München

Selbstbewusst, fast ein wenig trutzig behauptet sich das dunkle, fünfstöckige Gebäude zwischen den umgebenden, meist hellen Beton-Glas-Würfeln in der Parkstadt Schwabing. Versicherer und Banken, Firmen wie MAN, Siemens Nixdorf, Osram, Microsoft und demnächst auch Amazon haben hier ihre Verwaltungs- oder Firmensitze, die CSU-Zentrale liegt, überragt von den Highlight Towers, nicht weit entfernt. 12 000 Arbeitsplätze im Dienstleistungs- und Gewerbesektor gibt es hier. Dazu ein riesiges Wohngebiet mit 1200 Wohneinheiten, vier Kindertagesstätten und zwei Kinderkrippen. Diese "Stadt in der Stadt" muss man erst mal erkunden.

Wer nicht in der Nähe wohnt oder arbeitet, dem scheint die mehr als 40 Hektar große Parkstadt Schwabing, die in den vergangenen 20 Jahren zwischen A 9 und B 13 sowie Schenkendorf- und Domagkstraße entstanden ist, wie von einem anderen Stern. Spielplätze, Grünstreifen, Biotope und Car-Sharing-Parkplätze, verkehrsberuhigte und reine Fußgängerstraßen deuten darauf hin, dass man dem Leitbild der Münchner Siedlungsperspektive "kompakt-urban-grün" durchaus Rechnung tragen wollte. Auch wenn noch längst nicht alle Freiflächen angelegt sind und der Herbstwind, der die letzten Blätter von den noch jungen Bäumchen schüttelt, diese in teils unwirkliche Brachen weht.

Der neue Ausstellungsraum der Alexander Tutsek-Stiftung in der Parkstadt Schwabing: die Black Box. (Foto: Florian Generotzky)

Mitten hinein in diese Parkstadt Schwabing hat die Firmengruppe Refratechnik ihr neues Verwaltungsgebäude setzen lassen: Eine Black Box. Die schwarzen Quarzeinschlüsse in der dunkelgrauen bis schwarzen Kunststeinfassade vermögen im Sonnenlicht zu funkeln, was in der Eingangshalle mit der formal an Art déco erinnernden Licht- und Wandverkleidung deutlicher zur Geltung kommt. Eine "feuerfeste Architektur" hat das Starnberger Büro "raumstation Architekten", das den Wettbewerb 2017 gewann, dem feuerfeste Werkstoffe produzierenden Industriekonzern gebaut. Mit eigenwilligen Um- und Neubauten haben die Starnberger Erfahrung: Für den Immobilienentwickler Euroboden haben sie beispielsweise den Hochbunker in der Ungererstraße in Nord-Schwabing in einen Wohnturm mit Ausstellungsraum verwandelt und den Derzbachhof in Forstenried - den ältesten Bauernhof Münchens - in eine vielfältige Wohnanlage an der Grenze zwischen Stadt und Land.

Hinter der Refratechnik steht die kunst- und wissenschaftsfördernde Alexander Tutsek-Stiftung mit Eva-Maria Fahrner-Tutsek und ihrem Sohn Maleachi Bühringer an der Spitze. Bühringer ist zugleich Geschäftsführer der Refratechnik-Gruppe. Die Stiftung zeigt ihre eigene Kunstsammlung, bestehend aus Glasobjekten und Fotografie, seit Jahren regelmäßig in eigenen Ausstellungen sowie bei Kooperationen mit öffentlichen Institutionen. Sie fördert junge Künstlerinnen und Künstler, unterstützt mehrere Museen durch Projektfinanzierungen und ist Hauptsponsor im Haus der Kunst in München. Zudem vergibt die Stiftung Wissenschaftsstipendien und unterstützt Forschungsprojekte und Forschungseinrichtungen, vor allem in den firmennahen Bereichen Glas, Keramik, Steine, Erden.

Dank des Familiengeflechts dürfte es nur wenig Mühe gekostet haben, das Erdgeschoss des Neubaus, der in nur zwei Jahren entstanden ist, kurzerhand für die Kunst zu okkupieren. Hier breitet sich nun nicht nur ein wunderbarer Ausstellungsraum aus. Hier konnten Depoträume entstehen sowie ein Veranstaltungsraum für Symposien und Workshops, Vorträge und Gespräche, die von Ende Januar an regelmäßig stattfinden sollen. Im Außenbereich hinter dem Gebäude entfaltet sich allmählich ein Skulpturengarten. Die ersten Objekte sind bereits eingetroffen.

Auch in der Jugendstil-Villa in Schwabing wird die Alexander Tutsek-Stiftung weiterhin Fotografie und Glaskunst aus der eigenen Sammlung präsentieren. (Foto: Hans-Joachim Becker)

Zukünftig zeigt die Alexander Tutsek-Stiftung, die in diesem Jahr auch ihr 20-jähriges Bestehen feiert, die sammlungseigene Fotografie und Glaskunst also nicht mehr nur in der schmucken Jugendstilvilla im "alten" Schwabing, wo große Formate und schwere Objekte immer schnell an die Grenzen der Architektur stoßen, sondern auch im 190 Quadratmeter großen Ausstellungsraum der Black Box in der Parkstadt Schwabing. Zur Eröffnung kam auch Münchens Kulturreferent Anton Biebl und war voll des Lobes für den neuen Ausstellungsstandort. Unterstütze dieser doch das Anliegen der Stadt, "Kultureinrichtungen und Möglichkeiten zur aktiven und passiven Teilhabe an Kunst und Kultur nicht nur im Zentrum anzubieten". Er sehe darin eine "Aufwertung des Stadtteils im Sinn verstärkter Identifikation und sozialen Zusammenhalts".

So dunkel das Gebäude von außen wirkt, so licht und hell ist der Ausstellungsraum selbst. Er empfängt die Besucher mit einem großzügigen Entree, biegt dann zweimal um die Ecke, wo er sich zuletzt in die Länge streckt. Doch er kann dank verschiebbarer Wände auch unterteilt und flexibel an verschiedene Ausstellungsformate angepasst werden. Die eingebaute Verschattungs-, vor allem aber die Lichttechnik hält jeder musealen Anforderung stand. Die LED-Technik entspricht der des Münchner Lenbachhauses und illuminiert die Räume mit bis ins Detail regelbarem Tages- und Nachtlicht. Aktuell sind dort einzelne großformatige Fotografien und mehrteilige Fotoserien sowie Kunstwerke aus Glas zu sehen, die mal singulär raumhoch oder wandbreit, mal vielteilig in einer großen Installationen auf einem Tisch angeordnet sind.

"Wide Open - Ins Offene" heißt die Eröffnungsschau, die als Doppelausstellung am neuen wie am alten Standort 100 Arbeiten von mehr als 30 Künstlerinnen und Künstlern aus Südafrika, Iran, China, Kuba, den USA und vielen europäischen Ländern zeigt. International renommierte Namen sind darunter, aber auch unbekannte junge Positionen. Bis auf ein paar Ausnahmen wurden sie für diese Schau erworben. Einige wenige waren in der vorherigen Ausstellung "About Us. Junge Fotografie aus China" zu sehen, zu der Eva-Maria Fahrner-Tutsek und Petra Giloy-Hirtz, die beide hier auch kuratierten, zudem im Hirmer Verlag ein wunderbares Buch herausgebracht haben.

Kraftakt: Von Monica Bonvicini stammt diese Skulptur "In My Hand" von 2019 aus Glas und Metall. (Foto: Courtesy Monica Bonvicini & Galerie Peter Kilchmann, Zürich/Sebastian Schaub/VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

In der aktuellen Doppelschau wurden die Werke vier inhaltlichen Kapiteln zugeordnet, was sich dem Betrachtenden mal mehr, mal weniger gut erschließt, da etliche der Arbeiten Bezüge zu mehreren Kapiteln aufweisen. "Elementares" wie Natur, Wald, Land und Wasser und den Klimawandel verhandeln Werke wie die Glassäule der Französin Laure Prouvost oder die Fotografien des Südafrikaners Robin Rhode. Die großformatigen Aufnahmen des chinesischen Fotografen Weng Fen zur Umweltveränderung durch Urbanisierung ließen sich aber auch im Kapitel "Sphären des Humanen" verorten. Dem ist ganz die großartige Serie tibetanischer Gesichter von Gao Bo zugeordnet, welche die Besucher zu Beginn der Ausstellung empfängt.

Die Arbeiten der amerikanischen Künstlerin Kiki Smith, die in einem kleinen Kabinett präsentiert werden, verweisen eindeutig in "Spirituelle Dimensionen". Ebenso die visuell wie technisch phantastische Wandarbeit "Luminosa" aus Glas der ebenfalls amerikanischen Künstlerin Ursula von Rydingsvard. Die aus Glas und glänzend poliertem Stahl geformte "Flügel"-Skulptur der iranischen Künstlerin Shirazeh Houshiary könnte wiederum ebenso gut diesem wie dem wohl offensten Kapitel "Emotion und Sexualität" zugeordnet werden. Aus letzterem stechen die Arbeiten der chinesischen Fotografinnen Liao Pixy und Luo Yang hervor. Aber auch die Skulpturen der italienischen, in Berlin lebenden Künstlerin Monica Bonvicini und die Papiercollagen der norwegisch-nigerianischen Künstlerin Frida Orupabo sind mehr als bemerkenswert. Sie alle sind in der etwas intimeren Atmosphäre der Villa ausgestellt.

"Alar" heißt die "Flügel"-Skulptur aus Glas und hochglanzpoliertem Edelstahl der iranischen Künstlerin Shirazeh Houshiary, die in der alten Villa der Alexander Tutsek-Stiftung zu sehen ist. (Foto: Marion Vogel/Shirazeh Houshiary/VG Bild-Kunst, Bonn 2021/Courtesy Alexander Tutsek-Stiftung)

Der Titel "Wide Open - Ins Offene", erläutert Eva-Maria Fahrner-Tutsek, sei Konzept. Man wolle den Menschen, die in der neuen Parkstadt Schwabing leben und arbeiten, die Augen für eine Kunst öffnen, die frei sei von Vorurteilen und Sehgewohnheiten. "Und wir wollen in diesem neuen Stadtteil auch einen kulturpolitischen Akzent setzen", sagt die Sammlerin, die sich durch die Worte von Münchens Kulturreferenten gewiss bestätigt fühlt, selbstbewusst. Dass dieses Angebot angenommen werde, davon ist sie überzeugt. "Es wird vielleicht ein wenig dauern, bis der Standort bekannt geworden ist", glaubt sie, "aber das kommt schon." Die ersten Passanten haben sich jedenfalls schon offen gezeigt - und interessiert die neuen Aussichten erkundet.

Wide Open - Ins Offene. Zeitgenössische Fotografie und Skulptur aus Glas, bis 24. Juni 2022, Alexander Tutsek-Stiftung; Villa: Karl-Theodor-Str. 27, Di-Fr 14-18 Uhr; Black Box: Georg-Muche-Str. 4, Mi-Fr 12-17 Uhr, www.atstiftung.de

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