Süddeutsche Zeitung

Italienisches Restaurant "Albarone":Der Italiener, der alle überrascht

Das Albarone in der Altstadt hat keine Karte, bietet dafür aber ein exzellentes Spezialmenü - und der Chef kocht hier persönlich.

Thomas Becker

Statt der Speisekarte gibt es zunächst einmal das Lächeln einer netten älteren Dame. Schön. Aber: Was bitte gibt es denn heute zu essen? Tja, das weiß sie auch noch nicht, sagt die Bedienung. Und lächelt charmant. Sagt: Sie werde den Chef mal fragen. Steht kurz darauf wieder vor uns und berichtet. Es gebe das Überraschungsmenü: Suppe, Vorspeise, zwei Mal Pasta, Fisch, Fleisch, Dessert. Details später. "Wollen Sie das nehmen?"

Es bleibt einem gar nichts anderes übrig. Das Spezial-Menü ist nämlich nicht aus der Not geboren. Vielmehr ist im Albarone die Überraschung das Prinzip. Komm her Gast, setz dich nieder, genieße die Weine - und lass dich überraschen!

Ein typischer Fall von Understatement. Man muss schon wissen, dass sich hinter der unscheinbaren Fassade dieses Münchner Altstadthauses ein Feinschmeckerlokal erster Güte verbirgt. Wenig deutet von außen darauf hin: keine gedeckten Tische im Fenster, keine aufgeklebten Qualitätsnachweise oder Zeitungsausschnitte wie schräg gegenüber im "Austernkeller" und - natürlich - keine Speisekarte. Lediglich ein paar Zeilen Text in einem kleinen Kasterl vor der Tür mit dem Hinweis, dass hier noch der Chef kocht, und zwar mediteran.

Drinnen öffnet sich der kleine Saal mit etwa einer Handvoll Tische zu einem Innenhof hin, der im Sommer auch genutzt wird. Italienische Opernmusik dringt in angemessener Lautstärke aus den Boxen, und auch das offensichtlich gut situierte Publikum hält auf angenehme Weise Geräuschdisziplin. Der leicht wackelnde Tisch ist schnell wieder ausbalanciert: "Unser Boden ist etwas schief", erklärt die Bedienung - und lächelt. Natürlich.

Doch alles, was sie im Verlauf dieses Abends auf den Tisch stellen wird, wirkt wie ein Bumerang: Das Lächeln ist nun auch auf unserer Seite -ein selig-entrücktes, das anhält bis zum finalen Espresso. Lachs-Tartar auf Kaviardressing, Ruccola auf Spanferkel und altem Balsamico, Bärlauchschaum aus dem Chiemgau, Ravioli mit Ochsenwangerl in brauner Butter, Parmesan und Schnittlauch, Gnocchi in Rehragout und Preiselbeersauce, Goldbrassenfilet auf Lauch in Rotweinsauce, Entenbrust auf Zucchinigemüse, Aubergine und Sellerie, Zitronenpfannenkuchen samt halbgefrorenem Tiramisu-Parfait. Dazu verschiedene Weine, meist aus Italien, auf jeden Fall stets passend zum jeweiligen Gang. Will sagen: Dieses "menu suprise" ist nicht weniger als ein phänomenales Gesamtkunstwerk.

Seit zehn Jahren kocht Georg Mayrhofer, ein sympathischer Südtiroler, in dieser Form, bei der ihm auch selbst nicht langweilig wird, wie er sagt. Noch länger, seit bereits 23 Jahren, ist die nette Bedienung da. Es ist eine Selbstverständlichkeit für sie, die Gäste bis zur Tür zu begleiten, um sich zu verabschieden - natürlich mit diesem unverschämt charmanten Lächeln.

Albarone, Stollbergstr. 22, 80539 München. Telefon 089 - 29 16 86 87. Geöffnet 12 bis 14 Uhr, 19 bis 23 Uhr.

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