Aktion "Krüppelschlagen":Bis aufs Blut

Die Täter tragen Sonnenbrillen, sind bewaffnet mit Baseballschlägern und prügeln, bis das Blut fließt: Mit der provokanten Aktion "Krüppelschlagen" wollen Menschen mit Behinderung gegen Unterdrückung und Misshandlungen protestieren.

Sven Loerzer

Die Täter sind schwarz gekleidet und tragen Sonnenbrillen, sie sind bewaffnet mit Baseballschlägern. Und sie prügeln ein auf Menschen mit Behinderungen, bis das Blut fließt. Mit dieser martialischen Aktion will der Arbeitskreis "Behindertenrechtskonvention von unten" der raschen und konsequenten Umsetzung der in der UN-Konvention festgelegten Rechte Nachdruck verschaffen. Doch auch wenn es sich um aufblasbare Schläger und Theaterblut handelt - verunsichern dürfte die Aktion des Zusammenschlusses von Menschen mit Behinderung am Samstag, 11. August, um 14 Uhr am Stachus-Brunnen dennoch so manchen Passanten.

Mit der Aktion "Krüppelschlagen - Schläge gegen die Menschenrechte" setzt der Arbeitskreis auf drastische Mittel, um zu zeigen, wie verletzend der Umgang mit behinderten Menschen sich häufig darstellt. Die "Schläger" verkörpern nach Angaben von Ulf Knickmeier, der dem Arbeitskreis und dem Verbund behinderter Arbeitgeber angehört, Institutionen wie den Bezirk Oberbayern, Krankenkassen und Schulen. Den Verbund behinderter Arbeitgeber haben Menschen mit Behinderung 1990 gegründet, um die Interessen derer zu vertreten, die ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Einrichtungen führen wollen. Behinderte Arbeitgeber nennen sie sich deshalb, weil sie ihre Assistenten selbst suchen, ausbilden und anstellen. "Uns werden noch immer viele Steine in den Weg gelegt", sagt Knickmeier. "Darum haben wir eine provokante Aktion gewählt, um die Öffentlichkeit auf unsere Situation aufmerksam zu machen."

Denn "Menschen mit Behinderung halten still", heißt es in einer Erklärung zu der Aktion, "sie halten still, wenn sie versteckt, unterdrückt, ausgegrenzt, beschimpft, misshandelt und weggesperrt werden." Sie erlebten noch immer "Schläge", wenn es um ihre Rechte und ihre Würde gehe. "Ihr Alltag ist durchzogen von Blockaden, Barrieren, Herabsetzungen und Degradierungen zum Kostenfaktor." Zwar sei überall die Rede von Inklusion, aber der Arbeitskreis sieht darin nur einen "neuen Anstrich". Denn es gebe nach wie vor strukturelle Gewalt und psychische Misshandlung in Institutionen und Heimen. Für Menschen mit Behinderungen sei es "extrem schwierig, in Ausbildungen zu kommen oder Anstellungen für Arbeit zu erhalten". Die Mobilität bleibe ein großes Problem. Zudem werde die Versorgung mit geeigneten Hilfsmitteln immer mühseliger und entwickle sich zum Kampf. Dabei bedeute "ein defekter Rollstuhl, der nicht oder verzögert repariert wird, Freiheitsentzug". Zum Dauerprogramm für Menschen mit Behinderungen gehöre es, sich immer wieder rechtfertigen und mit Ablehnungen, Kürzungen, Absagen und Negativbescheiden umgehen zu müssen.

Mit unserer Aktion Krüppelschlagen wollen wir mit Spektakel und Vergnügen darstellerisch umsetzen, was sonst im Verborgenen irgendwo und überall - allerdings ohne den Spaßfaktor - passiert", erklären die Initiatoren. Auch wenn die Wahl der Mittel alles andere als zimperlich erscheint, so stößt sie in der Behindertenszene durchaus auf Beifall: "Eine sicher treffend veranschlagte Aktion gegen die treffsicheren Anschläge der Staatsgewalttätigkeit auf Menschenrechte und Würde behinderter Menschen", kommentiert ein Leser den Terminhinweis im Nachrichtennetz "kobinet" (Kooperation Behinderter im Internet). Eine ähnliche Aktion hatten Behinderte bereits im österreichischen Dornbirn gestartet.

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