Aktion gegen Lungenkrankheiten:Tief durchatmen

Aktion gegen Lungenkrankheiten: Am Odeonsplatz soll ein riesiger Ballon mit der Atemluft der Bürger gefüllt werden.

Am Odeonsplatz soll ein riesiger Ballon mit der Atemluft der Bürger gefüllt werden.

(Foto: oh)

In Deutschland sterben jeden Tag 170 Menschen an Lungenkrankheiten. Die "Stiftung Atemweg" will die Münchner anlässlich eines Ärztekongresses für das Thema sensibilisieren.

Von Stephan Handel

München wird einen langen Atem brauchen. Denn am Anfang wird nur eine schlaffe weiße Hülle herumliegen am Odeonsplatz, wenn auch eine sehr große weiße Hülle. In sie kann, wer will und wer eine Spende abgibt, hineinblasen. Am Ende soll aus dem schlaffen Sack ein prall gefüllter Ballon geworden sein, der stolz über der Feldherrnhalle schwebt.

Es ist natürlich ein Trick dabei, wie jeder weiß, der schon mal mit Lungenkraft einen Luftballon aufgeblasen hat - die Atemstöße aktivieren eine Pumpe, die Gas in die Hülle transportiert, sonst würde sich das Ding ja nicht vom Boden erheben. Der tiefere Sinn des Ganzen wird aber auch so erreicht, hofft Kerstin von Aretin, Geschäftsführerin der "Stiftung Atemweg": die Menschen zu sensibilisieren für ihren Atem, ihre Lunge und für die Luft, die sie umgibt. Anfang September - das wird der richtige Zeitpunkt dafür sein.

Anfang September nämlich, genauer vom 6. bis zum 10 September, wird München sozusagen das Zentrum der Lungenheilkunde europa-, wenn nicht weltweit: Etwa 20 000 Pneumologen werden sich im ICC in der Neuen Messe versammeln, um dort dem Kongress der European Respiratory Society beizuwohnen. Damit die Lungenexperten aber nicht ausschließlich unter sich bleiben, will die "Stiftung Atemweg" das Thema in die Öffentlichkeit tragen: "München sagt Lungenkrankheiten den Kampf an", so der ehrgeizige Slogan der Aktion.

Der Ballon über der Feldherrnhalle ist dabei nur ein Teil des Plans und dient neben der Signalwirkung der Generierung von Spenden. Das Bewusstsein, an etwas Großem, Guten teilzuhaben, kann der Münchner erlangen, indem er einen Test absolviert und so zum "Faktenspender" wird. Vier Monate lang sollen Freiwillige - 10 000 sollen es am Ende sein - einem Lungencheck, einer Speichelprobe und einem Fragebogen unterzogen werden, an deren Ende sie erfahren, wie es um ihre Lungengesundheit steht - die Forschung wird damit ein riesiges Arsenal an Daten haben, das auf die drängenden Fragen der Lungenheilkunde hin untersucht werden kann.

Nur Lungenentzündungen sind bisher heilbar

Für diesen wissenschaftlichen Teil ist Jürgen Behr zuständig, Inhaber des Lehrstuhls für Klinische Pneumologie an der LMU und Chefarzt der Asklepios-Klinik in Gauting, sowie Oliver Eickelberg, der an der LMU experimentelle Pneumologie betreibt.

Dass die beiden Professoren viel zu tun haben, ist stark untertrieben, tatsächlich ist unter allen chronischen Lungenkrankheiten die Lungenentzündung bislang die einzige, die die Medizin heilen kann. Die Forschungsansätze sind anspruchsvoll. Weil sich die Lunge zumindest in jungen Jahren von Schädigungen erholen kann, suchen die Wissenschaftler nach den Genen, die für diese Fähigkeit zuständig sind, und nach Wegen, in späteren Lebensjahren die Selbstheilungsfunktion zu reaktivieren.

Sie tun das, wie in vielen anderen medizinischen Disziplinen, mittlerweile mit minimal-invasiven, bildgebenden Verfahren, was im Fall der Lunge auf den einleuchtenden Namen "Confocale Laser-Endomikroskopie" hört. Dabei schieben die Ärzte ein winziges Mikroskop an einem Schlauch bis in die feinsten Lungenverästelungen, was sie in die Lage versetzt, einzelne Lungenbläschen zu betrachten - das ist erstaunlich, denn diese sind höchstens 250 Mikrometer groß, also einen Viertelmillimeter. Von Vorteil ist diese Methode, weil sie am lebenden Patienten erfolgen kann - bislang kam man so nahe nur bei Obduktionen, nun zeigte Jürgen Behr bei der Präsentation zwei Filmchen von Lungenbläschen live bei der Arbeit.

Dass diese Forschung notwendig ist, daran lässt Behr keinen Zweifel. Schon jetzt sind Lungenerkrankungen die zweithäufigste Todesursache weltweit, in Deutschland sterben jeden Tag 170 Menschen daran. Im Bewusstsein der Menschen spielen sie aber keine große Rolle: "Jeder denkt über sein Cholesterin, seinen Blutdruck nach", sagt Behr, "aber keiner über seine Lungenfunktion." Dabei ist die mehr als alle anderen Körperfunktionen mit der Umwelt, mit der Umgebung verknüpft - weshalb der Kongress im September nicht nur unter dem Motto "Healthy Lungs for Life" steht, sondern auch unter "Breathe clean Air". Wie sauber die Luft am Odeonsplatz sein wird, die -zumindest symbolisch - den Ballon füllen soll, wird sich zeigen. Langen Atem im Kampf gegen Lungenkrankheiten braucht die Menschheit so oder so.

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