Akademie der Bildenden Künste:Mehr Ordnung für die Kunst

Fotokünstler und Präsident der Akademie der Bildenden Künste in München, Dieter Rehm (links) und der Dekan Florian Matzner (rechts) im Ausstellungsraum des Diplomabsolventen Kalas Liebfried mit seiner Arbeit 'In D: Variations on Solo Instruments', Mü

"Die Akademie ist ein Ort für die Entwicklung neuer künstlerischer Strategien sowie das Vorantreiben von Denkansätzen", sagt Dieter Rehm (links), seit 2010 Präsident der Kunstakademie. Er und Dekan Florian Matzner, hier in der Ausstellung von Kalas Liebfried, haben die neue Studienordnung mitgestaltet.

(Foto: Jan A. Staiger)

Nach über 60 Jahren gibt es an der Kunstakademie eine neue Studienordnung. Sie macht den Studierenden zwar strengere Vorschriften, ebnet ihnen aber den Weg in die Welt

Von Sabine Buchwald

"Die Kunst ist ein kompliziertes Phänomen." Dieser Gedanken ist sicher nicht nur Wassily Kandinsky durch den Kopf gegangen, auch wenn ihn der russische Maler so zitierfähig formuliert hat. Was macht die Kunst so kompliziert? Ist es womöglich die Freiheit, mit der ein Maler, Bildhauer oder Videokünstler um Ausdruck ringt? Im Jahr 1900 begann Kandinsky an der Akademie der Bildenden Künste München, kurz Kunstakademie genannt, zu studieren und ist einer ihrer berühmtesten und erfolgreichsten Absolventen. Er mag sich zu seiner Zeit mit Farbe und Form beschäftigt haben, mit einer Studienordnung (SPO) aber wohl nicht. Dass eine solche neben Farbe und Form die Studierenden heutzutage umtreibt, hat viel mit den Anforderungen zu tun, die mit der Globalisierung einhergehen. Die Münchner Kunstakademie jedenfalls hat sich eine neue Studien- und Prüfungsordnung für die sogenannte Freie Kunst gegeben. Freie Kunst und Prüfungsordnung? Zwei Begriffe, die auf den erste Blick widersprüchlich klingen. Auf den zweiten Blick aber wird klar: In der Studienordnung liegt die Freiheit, mit einem guten Diplom in der Tasche seinen eigenen Weg zu gehen.

Nach zähem Ringen, so heißt es aus der geschichtsträchtigen Münchner Institution, hat man in Abstimmung mit dem Ministerium diese Studienordnung verabschiedet. Drei Semester lang haben sie daran gearbeitet, zum Wintersemester 2018/19 ist sie nun in Kraft getreten.

Sie gilt verpflichtend für die Erstsemester, etwa 100 Studierende. Wer schon länger an der Akademie eingeschrieben war, kann nun nach der neuen Regelung seinen Abschluss machen. Dazu muss man allerdings, so wie die Studienanfänger, bestimmte Pflichtveranstaltungen belegen. Dieses Angebot bringt die Dozenten momentan an ihre Kapazitätsgrenzen. An Universitäten und Hochschulen gehört obligatorische Basisbildung im Grundstudium längst zum Alltag. Auch für die Studenten der Kunstpädagogik im Haus, die später an Schulen unterrichten, ist das Studium längst mit Pflichtfächern geregelt. Nun sind aber auch die Studenten der Freien Kunst verpflichtet, Referate zu halten und Hausarbeiten zu schreiben, in denen man korrekt zitieren können muss. Sie haben Vorlesungen in Kunstgeschichte zu besuchen, dürfen in die Philosophie reinschmecken und sich mit Ästhetischer Theorie beschäftigen. Wer das alles ordentlich macht, Talent hat, seine praktischen und theoretischen Prüfungen besteht, dem wird am Ende ein Diplom ausgehändigt werden, das international anerkannt ist.

Genau das ist die Intention der Neuerung. "Im Zuge der Entwicklung des Bologna-Prozesses wurden formelle Hochschulabschlüsse notwendig", sagt Akademiepräsident Dieter Rehm. Um dem zu begegnen, sei die neue SPO eingeführt worden. Sie ersetzt die alte aus dem Jahr 1953. Rehm ist sich sicher: "So ist die Anschlussfähigkeit im europäischen Hochschulraum sowie international gesichert." Andere Akademien, etwa in Stuttgart oder Hamburg, haben bereits ähnliche Ideen umgesetzt.

Zu Zeiten von Wassily Kandinsky, Lovis Corinth, Paul Klee, Franz Marc, Richard Riemerschmid oder Giorgio De Chirico, die alle einst in München studiert haben, hatte man sich vielleicht über das Auskommen, aber wohl nicht über die beruflichen Anforderungen nach der Akademiezeit Sorgen gemacht. Heute aber sollen die Kunststudenten die Möglichkeit haben, sich auf Masterprogramme im Ausland, auf Stipendien oder gezielte Projektförderung weltweit zu bewerben. Und dazu reicht es offensichtlich nicht mehr, künstlerisch talentiert zu sein. "Wir haben eine Verantwortung für die, die nicht auf dem Kunstmarkt reüssieren und andere Tätigkeitsfelder finden müssen", sagt Rehm. Er steht hinter der Studienordnung. Lange saß er für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Auswahlgremien und kennt die Anforderungen fürs Ausland. Die neue Studienordnung soll nun die Säulen der Kunstausbildung stärker miteinander verschränken. In den Studienwerkstätten wird nun etwas mehr auf das handwerklich-technische Können geschaut, in Vorlesungen auf die Theorie. Allerdings gelte nach wie vor der bereits 1808 bei der Gründung der Akademie festgelegte Gedanke, dass die Ausbildung eines kreativen Menschen, eines Schriftstellers, eines Musikers oder eben Künstlers "keinem bestimmten Lehrplan, keinem gleichförmigen Mechanismus" folgen solle. Sondern die "individuellen Fragestellungen" eines jeden einzelnen Studierenden berücksichtigen müsse.

Die Studienordnung scheint im Sinne der Mehrheit der Studierenden zu sein. Nach so kurzer Zeit gibt es noch keine Erfahrungswerte, aber die meisten wissen anscheinend ganz gut, was sie wollen: "Die Studenten sind selbstbewusster geworden in den vergangenen Jahren", sagt Florian Matzner, Studiendekan und Professor für Kunstgeschichte. Sie holten sich in ihrem Studium, was sie brauchten. Matzner betont die Freiheit der künstlerischen Ausbildung, sieht für München ganz andere Schwierigkeiten. Er sieht die "schlechte Künstler- und Atelierförderung" als "dramatisch." Man habe das Gefühl, man möchte gar keine Künstler, obwohl München so eine reiche Stadt sei. Deshalb wanderten viele nach Berlin, Wien und Leipzig ab. Oder kommen erst gar nicht an die Isar. Die Zukunft der Akademie sieht Rehm neben anderem so: "Sie ist ein Ort für die Entwicklung neuer künstlerischer Strategien sowie das Vorantreiben von Denkansätzen. Dem wollen wir Raum geben."

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