Urteil zu Zweckentfremdung:"Wir brauchen jede bezahlbare Wohnung"

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Schmuck eingerichtet, kaum belebt: Diese Münchner Wohnungen werden bei Airbnb angeboten. Ohne eine Genehmigung darf man solche aber nicht dauerhaft an Touristen vermieten. (Foto: SZ-Grafik)
  • Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass Airbnb Daten seiner Nutzer an die Stadt München weitergeben muss.
  • Die Stadt will so besser gegen illegale Ferienwohnungen vorgehen.
  • Airbnb will weitere Schritte prüfen, sobald die ausführliche Urteilsbegründung vorliegt. Dann könnte das Unternehmen in Berufung gehen.

Von Camilla Kohrs, München

Die Buchungsplattform Airbnb muss der Stadt die Namen und Adressen der Anbieter mutmaßlich illegaler Ferienwohnungen nennen. Das hat das Verwaltungsgericht München entschieden - und damit das Vorgehen des Sozialreferats gegen die sogenannte Zweckentfremdung von Wohnungen gestärkt. Das Urteil zeige, "dass sich Airbnb nicht aus der Verantwortung ziehen kann", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). "Wir brauchen jede bezahlbare Wohnung für die Münchnerinnen und Münchner."

Laut dem Urteil muss Airbnb nun der Stadt Daten über jene Nutzer geben, die zwischen Januar 2017 und Juli 2018 über das Online-Portal Wohnungen für mehr als acht Wochen pro Kalenderjahr vermieten haben - das ist nicht erlaubt. Unter anderem fordert die Stadt Namen und Adressen der Gastgeber. Für den Fall, dass Airbnb sich weigert, droht dem Unternehmen ein Zwangsgeld von 300 000 Euro.

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Eine Sprecherin teilte mit, dass Airbnb weitere Schritte prüfen werde, sobald das ausführliche Urteil vorliege. Dann hätte die Firma vier Wochen lang Zeit, in Berufung zu gehen. Der Schutz der Nutzerdaten habe höchste Priorität. Man wolle aber weiter mit München zusammenarbeiten, um "gemeinsam einen effektiven Wohnraumschutz zu unterstützen und gleichzeitig dazu beizutragen, dass Münchner ihr Zuhause mit Reisenden teilen können", heißt es in einer Stellungnahme von Airbnb.

Vor Gericht hatte sich das US-Unternehmen unter anderem darauf berufen, dass es seinen europäischen Sitz in Dublin habe. Dementsprechend müsse es sich laut Telemediengesetz bei seinen Geschäften in der EU nur an das irische Gesetz halten, nicht an das bayerische. Das Gericht sah das anders: Die Firma müsse sich sehr wohl an nationale Vorschriften halten, da sie hier tätig ist. Weder sei Irland dafür zuständig, die Umsetzung des bayerischen Zweckentfremdungsgesetzes zu überwachen noch gelte in diesem Fall das irische Recht. Als Vermittlerin der Wohnungen sei Airbnb dazu verpflichtet, die Stadt dabei zu unterstützen, illegal vermietete Wohnungen aufzuspüren und Auskunft über deren Anbieter zu erteilen.

Das bayerische Zweckentfremdungsgesetz sieht vor, dass ganze Wohnungen (nicht einzelne Zimmer) ohne Genehmigung bis zu acht Wochen im Jahr untervermietet werden dürfen. Alles darüber hinaus ist ohne Genehmigung illegal und kann mit Geldstrafen belegt werden. Die Vertreter der Stadt hatten sich im Rechtsstreit gegen Airbnb auf dieses Gesetz und die dazugehörige Münchner Satzung berufen.

Mieterbund und Städtetag begrüßen Urteil

Bereits seit 2013 hat München eine eigene Sonderermittlergruppe, die illegale Ferienwohnungen aufspüren soll. Die Abteilung ist nicht unumstritten, weil sie unter anderem darauf setzt, dass Münchner verdächtige Wohnungen etwa in der Nachbarschaft melden. Mitte Januar ging die Meldeplattform online, seitdem sind mehr als 1000 Hinweise eingegangen. Im vergangenen Jahr ermittelte die Abteilung knapp 300 Fälle von Zweckentfremdung - meist also Wohnungen, die leer standen oder unerlaubt weitervermietet wurden. Bisher ging das Ermittlerteam von "Raum für München" so vor, dass verdächtige Wohnungen über einen längeren Zeitraum beobachtet wurden. Die Daten von Airbnb könnten die Ermittler künftig mit den registrierten Ferienwohnungen abgleichen und so die mutmaßlich illegalen herausfiltern.

Sollte das Urteil in den weiteren Instanzen bestätigt werden, könnte der Münchner Fall eine Signalwirkung für andere Städte haben. Eins zu eins ist es aber nicht übertragbar, da die Rechtslage zu Zweckentfremdung überall anders ist. Auch in Berlin und Hamburg versuchen die Behörden, mit Ermittlern und Bußgeldandrohungen gegen Zweckentfremdung vorzugehen. So sollen dort nur noch Nutzer, die sich bei der Stadt registrieren lassen, ihre Wohnungen auf Airbnb anbieten dürfen. Allerdings fand der Rundfunk Berlin Brandenburg unlängst heraus, dass nur zehn Prozent der Inserate in Berlin tatsächlich eine solche Registriernummer angegeben.

Neben OB Reiter begrüßte auch der SPD-Fraktionsvize und Sprecher für Wohnungspolitik, Christian Müller, das Urteil. Das Verwaltungsgericht habe "die Rechte der Stadt gestärkt", hieß es in einer Stellungnahme. Zweckentfremdung sei keine Kleinigkeit, sondern schlicht kriminell.

Auch der Deutsche Mieterbund zeigte sich zufrieden: "Wenn die schwarzen Schafe, die ihre Wohnung nur für Feriengäste weitervermieten, gefunden werden, kann dieser dringend benötigte Wohnraum wieder dem normalen Mietwohnungsmarkt zugeführt werden und trägt zur Entlastung des Wohnungsmarkts bei", sagte die Geschäftsführerin des bayerischen Landesverbands, Monika Schmid-Balzert.

Das Urteil sei nicht nur für München, sondern auch für andere Städte ein erfreuliches Signal, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. Die Städte seien auf die Angaben von Airbnb angewiesen, nur so könnten sie gegen das Problem der illegalen Ferienwohnungen vorgehen. Zweckentfremdung verknappe den Wohnraum in Städten und bringe Konflikte in Hausgemeinschaften und Nachbarschaften mit sich.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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