Airbnb:"Es gibt arbeitsintensivere und pflegeleichtere Gäste"

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Dominic von Moltke ist kein Hotelier, aber mit Gästen aus aller Welt kennt er sich aus: Er vermietet ein Zimmer über Airbnb - gerne an Besucher aus Asien, weniger gern an Deutsche vom Land.

Von Anna Hoben

Er wirkt ein bisschen gestresst an diesem Nachmittag. Kein Wunder, er hat ja einen Arbeitstag hinter sich, dann hat er seine beiden Kinder von der Kita abgeholt und noch ein wenig mit ihnen im Hof gespielt. Schließlich sind sie hochgegangen in die Wohnung im obersten Stock eines Altbaus in Nymphenburg. Da hat Dominic von Moltke dann erst einmal seine beiden gut gelaunten und bestens erholten Urlaubsgäste begrüßt.

Stephanie Rosier, 28, und Hiroaki Takeuchi, 37, sind ein australisch-japanisches Paar, und sie wirken auf diese besondere Art ortsverknallt, wie es nur Amerikaner oder Australier oder Kanadier tun, die zum ersten Mal in Europa sind. Das muss man sich ab und zu in Erinnerung rufen: dass München für viele Touristen nur eine kleine Station ist auf einer großen Europareise. Stephanie ist Lehrerin, Hiroaki ist IT-Ingenieur, "nenn' mich einfach Hiro". Sie ziehen bald von Sydney nach Singapur um, dort haben sie Jobs gefunden. Die Zeit bis dahin wollten sie zum Reisen nutzen, und weil sie Verwandte von Stephanie in den USA besucht haben, fanden sie, ein Abstecher nach Europa würde sich anbieten. "Das ist ja nicht weit von Amerika", sagt Stephanie.

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In Lissabon waren sie, dann in Spanien, jetzt eine Woche in München - und sie sind schwer begeistert. Die ersten Tage ließen sie sich durch die Stadt treiben, dann haben sie Ausflüge gemacht. "Rothenburg", sagt Stephanie fragend, heißt das so? Ganz schön weit von München - aber wahrscheinlich nicht, wenn man australische Dimensionen gewohnt ist. Auch in Bad Tölz sind sie gewesen, am Kochelsee, am Tegernsee und am Ammersee. Am beeindruckendsten fanden die beiden allerdings etwas anderes: die Farbe der Isar. "Der Fluss sieht so klar aus", sagt Hiro, "ganz anders als in anderen Städten". Fasziniert zeigen sie sich auch vom Umwelt- und Klimabewusstsein der Deutschen. Von Windrädern und Solarzellen, davon, dass Flaschen recycelt werden, was es in Australien kaum gebe. Davon, dass die Menschen Rad fahren - in Sydney ebenfalls eine Seltenheit. Kleine Einschränkung: "Es wird ganz schön viel Fleisch gegessen." Schnitzel haben sie probiert und Weißwurst, außerdem diese "Bavarian dumplings". Ah, Knödel.

In Portugal und Spanien haben sie im Hotel gewohnt, weil sie nur wenige Tage dort verbracht haben. In München haben sie sich für Airbnb entschieden, eine Plattform für private Zimmervermittlung, ursprünglich entstanden aus dem Gedanken, sein Zuhause hin und wieder mit anderen zu teilen - anders als bei Couchsurfing allerdings gegen Geld. Gastgeber machen damit gute Geschäfte. Stephanie und Hiro haben Airbnb schon oft genutzt, in verschiedenen Ländern. "Hotels sind einfach immer gleich", sagt Hiro. "Wenn man länger bleibt", sagt Stephanie, "fühlt es sich in einem Airbnb gemütlicher an". Sie steigen die Treppe hoch ins Wohnzimmer ihres Gastgebers, vom Balkon aus werfen sie einen Blick über die Dächer Nymphenburgs. Gleich wollen sie noch mal raus, die Abendsonne genießen im Nymphenburger Schlosspark. Es ist ihr letzter Abend, tags darauf fliegen sie nach Korea.

Seit 2015 vermieten Dominic von Moltke und seine Frau Birgit ein zwölf Quadratmeter großes Zimmer in ihrer Eigentumswohnung. Ursprünglich war es für ein Au-pair oder für die Oma gedacht, doch dann boten sie es bei Airbnb an. Mit den Einnahmen, so erzählt Dominic von Moltke freimütig, haben sie in den vergangenen Jahren die Kindergartengebühren bezahlt. "Die 700 Euro im Monat waren damit abgedeckt." Ihre ersten Gäste hatten sie während des Oktoberfests. "Wir haben uns damals gesagt, wenn die Bude danach nicht mehr steht, hören wir wieder auf." Die Bude stand noch, sie machten weiter.

Wenn von Moltke erzählt, klingt er manchmal fast wie ein Hotelfachmann. Er spricht dann etwa von einer 70-Prozent-Auslastung - und korrigiert sich: Von den Tagen, die sie anbieten - ungefähr 21 pro Monat - seien es nahezu 100 Prozent. An den übrigen Tagen ist Saubermachen angesagt, oder aber das Zimmer ist tatsächlich mal für die Oma reserviert. Es ist vom Rest der Wohnung abgetrennt, Gäste haben ihren eigenen Bereich, mit eigenem Bad. Das kommt gut an, außerdem ist es günstig; Stephanie und Hiro etwa haben pro Nacht im Durchschnitt 45 Euro bezahlt - am Wochenende ist das Zimmer teurer als unter der Woche. Über die Jahre hat Dominic von Moltke einiges über verschiedene Typen von Urlaubern gelernt, überraschen kann ihn nicht mehr viel. Man muss ja aufpassen mit Klischees, "aber es gibt schon arbeitsintensivere und pflegeleichtere Gäste", sagt er. Da war zum Beispiel mal dieser Mann aus Singapur, der schon vier Monate vor der Reise wissen wollte, wo er in der Umgebung essen gehen könne und ob er dafür reservieren müsse. Bis zu seiner Ankunft hielt er den Gastgeber alle paar Tage mit weiteren Fragen auf Trab.

Generell nimmt er oft Asiaten auf, die schreiben danach Bewertungen in ihrer jeweiligen Sprache und "werben" so natürlich wieder Landsleute. "Ich hab' sie gern, weil sie meistens ordentlich sind." Nur der Abfluss sei regelmäßig verstopft, wegen der dicken Haare asiatischer Frauen. Australiern gibt von Moltke standardmäßig Tipps für den Rechtsverkehr, "weil die immer erst mal in die falsche Richtung schauen, wenn sie über die Straße laufen". Engländer unterschätzen die Wirkung des bayerischen Biers. Deutsche Gäste aus dem ländlichen Raum nimmt er nicht mehr auf, "die schlafen aus Gewohnheit bei offenem Fenster und sind überrascht, dass es in einer Großstadt Geräusche gibt".

Jemand aus Singapur ließ im Sommer mal das Fenster offen, schloss die Zimmertür ab und fuhr nach Neuschwanstein. Das Gewitter, das an dem Tag losbrach, setzte seinem Laptop zu, der auf dem Fenstersims stand. "Wenn bei uns morgens die Sonne scheint, gibt es keinen Regen", sagte der Gast am Abend. Seitdem steht in den Hausregeln sinngemäß: In Deutschland gibt es Wetter, und das kann wechseln. Interessant sei auch das Temperaturempfinden mancher Gäste. Eine fragte, ob er die Heizung hochdrehen könne - dabei sei es im Gästezimmer schon 33 Grad warm gewesen. Unterschiede gibt es auch beim Auschecken: Manche ziehen das Bett ab und legen die Decken zusammen, von Moltke hat beobachtet, dass Südkoreaner oft so ticken, "die verlieren ihr Gesicht, wenn sie es nicht so machen, wie ihre Mutter es ihnen beigebracht hat". Chinesen würden das Bettzeug eher irgendwo hinwerfen. Sie sagten sich: "Ich hab' ja dafür bezahlt."

© SZ vom 17.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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