Aidshilfe München:Leben für die Aufklärung

Seit über 30 Jahren engagiert sich Guido Vael für die Münchner Aidshilfe. Nun wird er ausgezeichnet - und ist darüber nicht gerade begeistert.

Florian Meyer

Wenn Oberbürgermeister Christian Ude einem Münchner die Auszeichnung verleiht, ist dieser normalerweise stolz, meistens auch bescheiden und vielleicht ein wenig überrascht.

Aidshilfe München: Guido Vael hätte sich die Medaille auch für den Verein der Aidshilfe gewünscht

Guido Vael hätte sich die Medaille auch für den Verein der Aidshilfe gewünscht

(Foto: Foto: Rumpf)

Nicht so Guido Vael. Als er hörte, dass er für seine langjährige, ehrenamtliche Arbeit in der Schwulenbewegung und im Verein der Aidshilfe mit der Medaille "München leuchtet" in Silber geehrt werden sollte, war er empört und rief: "Unverschämt!"

Zwei Wochen nach der Ehrung sitzt Guido Vael in seinem Büro und wundert sich noch immer über die Medaille: "Ich habe doch nur meine Arbeit gemacht. Dafür brauche ich doch keine Auszeichnung." Vael ist 62 Jahre alt und arbeitet als Leiter des Projekts "Prävention" im Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum München.

Sein Büro liegt über der Kneipe des Schwulenzentrums in der Müllerstraße. Die Regale des kleinen Zimmers sind vollgestopft mit Ordnern, Infobroschüren und Postern. Rote und blaue Bauhelme liegen in einer Kiste hinter der Bürotür. Sie gehören zur Arbeitskleidung der "Sittenstrolche", einer Gruppe Ehrenamtlicher, die in der Aids-Aufklärung engagiert ist. "Jahrelang habe ich von meinem Kollegen und den ehrenamtlichen Helfern profitiert", sagt Vael. Eine Medaille für den Verein der Aidshilfe wäre ihm lieber gewesen.

Von der Lebenskrise zur Aufgabe

"Typisch Guido Vael", sagt Thomas Niederbühl, Stadtrat der Rosa Liste. "Guido wollte nie als Einzelner für seine Arbeit gelobt werden." Dabei brauche es immer jemanden, der die Energie hat, andere mitzuziehen, sagt Niederbühl. Deshalb habe er Vael zum 25-jährigen Jubiläum des Vereins der Münchner Aidshilfe für die Ehrung vorgeschlagen - "als einen Pionier der Aids-Bewegung". Immerhin war Vael eines von drei Gründungsmitgliedern des ältesten Regionalvereins der Aidshilfe und saß fünf Jahre lang in dessen Vorstand.

Nach München kam der gebürtige Belgier Vael im Jahr 1977. Damals arbeitete er als Werkstoffingenieur in der bemannten Raumfahrt bei MAN. Eigentlich hatte er nur ein Jahr in Deutschland bleiben wollen, aus Karrieregründen. Doch in Frankfurt lernte Vael eine Frau kennen. Er heiratete, ließ sich einige Jahre später aber scheiden, weil er sich in einen Mann verliebt hatte.

Nach dieser Entscheidung stürzte Vael in eine Lebenskrise: Er musste erst lernen, dass er schwul war. Der Münchner Verein für sexuelle Gleichberechtigung half ihm durch diese Zeit. Aus Dankbarkeit engagierte er sich in den darauffolgenden Jahren selbst.

1980 half Vael, den ersten Christopher Street Day der Stadt zu organisieren. Etwa 100 Menschen kamen damals zu dem Umzug durch die Innenstadt. Vael lief ganz vorne mit und wurde von einem Zeitungsfotografen abgelichtet. "Das war mein Outing", sagt er und lacht.

"Nach dem Foto wusste jeder im Betrieb, dass ich schwul war." Mitte der achtziger Jahre hatten viele Schwule Angst, ihren Job zu verlieren, wenn ihre sexuelle Neigung bekannt würde. Heute berät Guido Vael Männer, die ihr Coming-out selbst in die Hand nehmen wollen.

Ein Pionier im Kampf gegen Aids Nach den ersten Meldungen aus den USA über das HI-Virus begann Vael sich in der Aids-Bewegung zu engagieren. "Viele hielten das Virus für eine Schwulenseuche", sagt Vael. Er wollte sich gegen die zunehmende Ausgrenzung der Homosexuellen wehren und gründete zusammen mit anderen Aktivisten den Verein der Münchner Aidshilfe.

Hans Jäger kennt Vael seit Anfang der achtziger Jahre. Jäger war damals Leiter HIV-Arbeitsgruppe des Schwabinger Krankenhauses und schätzt Vael noch heute für seinen Einsatz in der Aids-Bewegung: "Guido Vael hat sich erfolgreich gegen die Diskriminierung und Ausgrenzung gewehrt", sagt Jäger.

Im Jahr 1987 sprach Guido Vael als Hauptredner vor 10000 Menschen gegen den geplanten Maßnahmenkatalog der bayerischen Staatsregierung zur Eindämmung von Aids. "Danach war Guido das Gesicht der Münchner Aidshilfe", erinnert sich Thomas Niederbühl. Bei Vael blieb ein anderer Eindruck von der Kundgebung hängen: "Vor meiner Rede hatte ich schlimmstes Lampenfieber." Anschließend wurde er jedoch von vielen Menschen ermutigt weiterzumachen.

Vael saß von 1990 bis 1999 im Bundesvorstand der Aidshilfe und war mitverantwortlich für deren 30 Mitarbeiter. Regelmäßig traf er sich mit Spitzenpolitikern in Bonn - unter anderem mit Gesundheitsminister Horst Seehofer. Als Teil der deutschen Delegation begleitete er Seehofer auf den Aids-Gipfel der Vereinten Nationen in Paris. Zu Kopf gestiegen ist Vael sein ehrenamtliches Engagement nicht. "Dafür ist er viel zu bescheiden", sagt Thomas Niederbühl.

In München fühlt sich Guido Vael wohl. "Die Stadt München gefällt mir immer besser", sagt er und lacht. Wahrscheinlich aufgrund der flämischen Herkunft: "Biergärten und Straßenfeste liegen voll auf unserer katholischen Linie."

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