Neue Fragen, neue Antworten, neue Merkwürdigkeiten: In der Causa Gaddafi junior kommen weitere Details zutage, wie hiesige Behörden mit dem Diktatoren-Sohn umgegangen sind, um ihm sein Leben in München zu ermöglichen und zu erleichtern. Auf Anfrage von Siegfried Benker, Rathaus-Chef der Grünen, erklärt das Kreisverwaltungsreferat (KVR) nun, auf welcher rechtlichen Grundlage Saif al-Gaddafi, der inzwischen bei einem Nato-Angriff auf Libyen getötet worden sein soll, von 2006 bis Anfang 2011 in München lebte.
Dass Ministerien in München und Berlin, etwa das bayerische Innenressort und das Auswärtige Amt, mit der Causa befasst waren, ist bekannt. Nun wird auch offenbar, dass sich auch die bayerische Staatskanzlei eingeschaltet hat bei der Frage, ob Gaddafi in München bleiben darf. Weisungen aber, erklärt das KVR, "hat es nicht gegeben". Offenbar musste die städtische Ausländerbehörde nicht von oben gezwungen werden, so manchen Ermessensspielraum zugunsten des jungen Gaddafi auszulegen.
Bemerkenswert ist, dass Gaddafi mit einem sogenannten Schengenvisum nach München kam, zwecks "Touristenaufenthalt". Ausgestellt wurde das Visum durch eine italienische Behörde, ein Datum nennt das KVR nicht. Im Juli 2007 beantragte und erhielt Gaddafi eine Aufenthaltserlaubnis für den Besuch eines Deutschkurses, er genoss demnach Einzelstunden.
Die Frage ist, was dazwischen war, denn ein Touristenvisum gelte in der Regel nur drei Monate und dürfe nicht verlängert werden, erklärt Angelika Lex, Anwältin und Ausländerrechtsexpertin. Eingereist ist "Tourist" Gaddafi im Jahr 2006 (von November 2006 ist eine Disco-Schlägerei mit ihm aktenkundig).
Hielt er sich illegal in Deutschland auf?
Welchen Status hatte er also in den Monaten nach Auslaufen seines Touristenvisums? Hielt er sich illegal in Deutschland auf? Die Stellungnahme des KVR lässt dies offen. Ob die Stadt den Studienfortschritt von Saif al-Gaddafi, wie bei anderen ausländischen Studenten üblich, geprüft hat, ist ebenso unbekannt. Eingeschrieben war er laut KVR bei der European University, eine internationale Wirtschaftshochschule mit Sitz in Obersendling.
Nun ist Saif al-Gaddafi nicht nur Sohn eines undemokratischen Machthabers, er kommt zudem aus einem Land, das auf der Liste der "Gefährderstaaten" steht. Bürger aus solchen Staaten müssen sich vor jeder Ausstellung und Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis einer Sicherheitsbefragung stellen. Nicht so Gaddafi. Davon habe man "bei al-Gaddafi als Sohn eines ausländischen Staatsoberhauptes abgesehen", so das KVR.
Auch die diversen Ermittlungsverfahren gegen Gaddafi blieben folgenlos: Die beiden Strafbefehle wegen Trunkenheitsfahrten hätten für eine Ausweisung nicht genügt. Man habe "das straffällige Verhalten" von Gaddafi junior allerdings zum Anlass genommen, ihn "ausländerrechtlich zu ermahnen". Immerhin, das klingt nach erhobenem Zeigefinger.