Ärzte in München:Heile-Meile an der Sonnenstraße

Isar Medizinzentrum, Sonnenstraße, zwischen Sauter und Isarpost

Dieser Blick auf die Sonnenstraße bietet sich Patienten von der Terrasse der Privatstation im Isar Klinikum.

(Foto: Florian Peljak)

Die Sonnenstraße in München ist in den vergangenen Jahren zu einem Medizinzentrum geworden. Mehr als 100 Ärzte arbeiten inzwischen hier. Sie schätzen die bezahlbaren Mieten. Doch die Landschaft könnte sich grundlegend ändern.

Von Stephan Handel

Die Ledercouch. Der Esstisch, gleich neben der Tür zur eigenen Terrasse. Ein monumentaler Flachbild-Fernseher und ein Schreibtisch, wenn Dinge zu regeln sind. Erst dahinter, um die Ecke, steht das Bett, mit der Leiste an der Wand, aus der Strom kommt, Sauerstoff, was immer nötig ist: In einem solchen Krankenzimmer lässt sich's sehr komfortabel gesund werden.

Das Isar Klinikum am Sendlinger Tor will nicht mehr wie bei seiner Gründung Isar Medizin Zentrum heißen: "Wir sind eine richtige Klinik", sagt Geschäftsführer Andreas Arbogast. "Kein Ärztehaus." Allerdings gehört zum Selbstverständnis der Privatklinik eben auch, solvente Patienten anzulocken - für sie gibt es die Privat- und Selbstzahler-Station, wo die Miete für eine der Suiten den Tagessatz eines sehr guten Münchner Hotels erreicht, ohne die Behandlungskosten, versteht sich.

Mehr als 100 Ärzte auf einem Kilometer Straße

Das Isar Klinikum ist ein Endpunkt - sowohl bei einem Spaziergang vom Stachus zum Sendlinger Tor wie auch einer Entwicklung, die die Sonnenstraße in den vergangenen Jahren genommen hat. Wegen der vielen Clubs ist sie auch als "Feierbanane" bekannt. Doch auf einem Kilometer, länger ist sie nicht, finden sich hier mehr als 90 Ärzte und Psychotherapeuten mit Kassenzulassung, dazu 15 zugelassene Zahnärzte.

Ärzte in München: SZ-Karte: Eiden

SZ-Karte: Eiden

Die wahre Zahl der Mediziner aller Fachrichtungen liegt sicher höher, denn es arbeiten wohl auch angestellte Ärzte hier, und es gibt Praxen ohne Kassenzulassung, die ausschließlich auf Privatpatienten setzen. Daneben gibt es eine Unzahl medizin-naher Angebote: Heilpraktiker, Physiotherapeuten, Ernährungsberater, auch Apotheken, das berühmte Sanitätshaus von Schlieben, dessen Hausnummer jeder Radiohörer vorsingen kann. Auf einem Kilometer Sonnenstraße dürfte sich eine medizinische Versorgungsdichte finden wie sonst nur in einem Krankenhaus.

Glaubt man Ernst Habersbrunner, dann hat diese Konzentration etwas zu tun mit dem Verhalten und den Ansprüchen heutiger Patienten. Habersbrunner betreibt mit zehn weiteren Ärzten das Radiologie-Zentrum München in der Sonnenstraße 17: Kernspin, Magnetresonanz, Nuklearmedizin. Und er stellt fest, dass die Leute ja keine Zeit mehr haben, zum Arzt zu gehen.

Patienten haben mehrere Termine an einem Tag

Deshalb legen sie, wenn's denn sein muss, mehrere Termine auf einen Tag, auf einen "Arzt-Tag", und achten dann natürlich drauf, diesen Tag nicht mit unnötiger Herumfahrerei zu verplempern: "Da fangen sie beim Hausarzt an", sagt Habersbrunner, "haben dann einen Termin beim Orthopäden, der schickt sie zum Röntgen, und wenn sie mit allem fertig sind, wollen sie die verschriebenen Medikamente am besten auch gleich mit heimnehmen. In der Sonnenstraße haben sie das alles dicht beisammen und müssen nur über die Straße gehen."

Das ist das eine. Die andere Patientengruppe sind nach Habersbrunners Beobachtung solche, die den Arztbesuch mit dem City-Erlebnis verbinden wollen. Die kommen gerne von außerhalb, manche bis aus Augsburg. Sie steigen am Hauptbahnhof aus, sind mit S-Bahn, Tram oder zu Fuß sofort in der Praxis und erreichen nach ihrer Behandlung ohne Weiteres die Fußgängerzone, zum Essen, zum Shopping oder einfach nur zum Flanieren.

In der Mittagspause schnell zum Arzt

Die gleiche Erfahrung macht auch Rabia Vidin. Die Gynäkologin betreibt seit einem guten halben Jahr ihre eigene Praxis in der Sonnenstraße 29 und stellt fest, dass die Innenstadt-Lage ein großer Vorteil ist - weil ihre Patientinnen die Termine mit anderen City-Verpflichtungen verknüpfen oder weil sie in der Nähe arbeiten und in der Mittagspause schnell zur Untersuchung vorbeikommen können.

Zwei Jahre hat Rabia Vidin nach geeigneten Räumen gesucht und war schon kurz davor, in andere Stadtviertel auszuweichen, nach Trudering zum Beispiel, weil sie dort auch wohnt. Schließlich hat sie doch etwas in der Sonnenstraße gefunden und genommen: Zum einen, weil sie zuvor schon in einer anderen Praxis gleich in der Nachbarschaft gearbeitet hat und so darauf hoffen konnte, einen Patientinnen-Stamm mitzunehmen.

Zum anderen aus wirtschaftlichen Erwägungen: Zwar seien die Mieten in Trudering nur halb so hoch wie in der Sonnenstraße. Dieser Nachteil werde durch den zentralen Standort jedoch mehr als ausgeglichen, kann sie nun, nach acht Monaten, feststellen.

Günstigere Mieten ziehen Ärzte an

Rudolf Stürzer ist der Vorsitzende des Münchner Haus- und Grundbesitzervereins und kennt sich aus mit der Sonnenstraße, weil er selbst sein Büro dort hat. Er sagt, dass die Straße zwei Vorteile habe: Zum einen eben die citynahe Lage. Zum anderen aber gerade die Tatsache, dass sie nicht mitten in der Altstadt liege, sondern an ihrem Rand: "Die Mieten für Büro-und Praxisräume", sagt Stürzer, "dürften in der Sonnenstraße bei 20 bis 25 Euro pro Quadratmeter liegen. Das ist geschätzt die Hälfte von dem, was in der Fußgängerzone oder der Maximilianstraße verlangt und bezahlt wird." Ärzte sind bei Vermietern zudem recht beliebt, weil sie, Gesundheitsreform hin oder her, doch als solvent gelten. (Es ist allerdings unter den Sonnenstraßen-Ärzten gerade ein Gerücht unterwegs, dass einer der Kollegen die Praxis schließen muss, weil er die Miete nicht mehr bezahlen kann.)

Nachteilig für Vermieter, so Stürzer weiter, sei an Arztpraxen höchstens, dass zum Beispiel wegen Hygiene-Vorschriften oder wegen bestimmter Geräte oft höhere Investitionen notwendig sind, als wenn jemand nur einen Schreibtisch aufstellen möchte. Diese Investitionen trägt zwar der Mieter, der zum Ausgleich dafür aber einen längerfristigen Mietvertrag haben möchte.

Grundlegende Änderungen stehen an

Die medizinische Versorgung westlich der Altstadt könnte sich in den nächsten Jahren noch einmal grundlegend ändern: Wenn nämlich das Uni-Klinikum immer mehr Einrichtungen aus der Nussbaumstraße nach Großhadern verlagert und im alten Klinikviertel mehr oder weniger nur die Portalklinik bleibt, die derzeit gebaut wird. Ernst Habersbrunner, der Radiologe, ist von diesem Konzept nicht überzeugt: "Das merken die Patienten ja auch, dass sie da nur untersucht und dann in die Fachklinik überwiesen werden. Da können sie ja gleich dorthin gehen."

Und Geschäftsführer Arbogast sieht für sein Isar Klinikum dadurch durchaus eine Chance: "Die räumen das Feld - das wird die Sonnenstraße weiter aufwerten, auch wenn wir die entstehende Lücke nicht komplett werden schließen können." Aber versuchen wollen sie's wenigstens: Von anfangs 90 Betten ist das Isar Klinikum auf mittlerweile 250 gewachsen; das Ziel, so Arbogast, seien 300 bis 320 Betten - wenn auch nicht alle mit Suiten drumrum.

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